Praxis
Der Hörtest
Beim Test des Phonitor kamen verschiedene Kopfhörer und weitere Kopfhörerverstärker zum Einsatz. In unserem Studio verwenden wir als Referenz-Kopfhörer fast ausschließlich den AKG K 271, ein geschlossenes Modell mit relativ ausgewogenem Klang. Zum Vergleich haben wir aber noch einen älteren Beyerdynamic DT990, einen ebenfalls betagten AKG-HiFi-Kopfhörer namens K500 und einen Koss Porta Pro (kleiner MP3-Player-Kopfhörer) herangezogen. Als weitere Kopfhörerverstärker standen mir ein Lake People F399D zur Verfügung, der mit etwa 950,- Euro gehandelt wird, und ein Behringer Powerplay Pro XL, der schon für knapp 100 Euro zu haben ist. Das Modell von Lake People ist ein anerkannter HighEnd-Verstärker, der bis zu acht Kopfhörer antreiben kann. Das Behringer-Gerät ist nicht nur sehr preisgünstig, sondern in vielen Studios vertreten und versorgt bei Bedarf ebenfalls bis zu acht Kopfhörer mit dem gewünschten Signal.
Der Phonitor als Kopfhörerverstärker – Bereits nach kurzem Vergleichshören fiel mir auf, dass bei den Kopfhörerverstärkern die Unterschiede in der Klangqualität geringer sind als ich es im Vorfeld des Tests vermutet hatte. Zwar gaben der Phonitor und der Lake-People-Verstärker die Signale auch bei höheren Pegeln stabil wieder, während der Powerplay mit Verzerrungen zu kämpfen hatte. Bei kleineren und mittleren Lautstärken waren die Unterschiede jedoch geringer, sodass auch der Behringer Powerplay Bässe, Mitten und Höhen vergleichbar gut übertrug. Im Beitrag „Richtig Abhören“ habe ich mich ja schon etwas aus dem Fenster gelehnt und die These aufgestellt, dass fast ausschließlich die Lautsprecher und der Abhörraum das Klangerlebnis prägen. Die anderen Elemente in einer Wiedergabekette, wie Abspielgerät und Verstärker, haben geringeren Einfluss auf die Klangqualität, wenn sie ein gewisses Mindestniveau erreichen. Beim Hören über Kopfhörer ist es offensichtlich ähnlich: Sobald der Verstärker keine größeren Schwächen offenbart, entscheidet vor allen Dingen der Kopfhörer über den Klang.
Beim einfachen Vergleich der Kopfhörerverstärker und ohne Einsatz der speziellen Möglichkeiten des Phonitor kann er seine Stärken noch nicht zeigen. Nach meiner Einschätzung klingt er genauso gut wie der Lake People F399D, aber nicht besser. Die Qualität des Verstärkers allein rechtfertigt den hohen Preis also nicht. Und auch der preisgünstige Behringer Powerplay muss sich nicht verstecken: Erst bei höheren Pegeln steigt der Klirrfaktor hörbar und er muss sich seinen Konkurrenten geschlagen geben.
Der Phonitor als „Monitor-Verstärker“ – Um beim Phonitor ein Hörbild einzustellen, das meinem Lautsprecher-Setup ähnelte, musste ich den Kopfhörer ständig auf- und absetzen und immer wieder vergleichen – ein zugegebenermaßen recht zeitraubendes Vergnügen. Dabei erzeugte die Pegelabsenkung der Phantommitte die mit Abstand stärksten Veränderungen des Klangbildes. Außerdem erfordert es höchste Konzentration, will man veränderte Crossfeed/Speaker-Angle-Einstellungen hören. Ich habe erst nach mehreren Tagen die für mich idealen Einstellungen gefunden. Der Phonitor ist also ein Gerät, mit dem man sich eingehend beschäftigen muss – nix für ungeduldige Zeitgenossen, zu denen ich mich bisweilen auch zähle.
Tatsächlich war ich kurz davor, dem Phonitor ein nicht übermäßig positives Zeugnis auszustellen, als ich endlich an einem Titel eine hörbare Verbesserung des Kopfhörerklangs ausmachen konnte. Dabei handelte es sich um eine Produktion, die ich gerade erst eine Woche zuvor abgeschlossen hatte. Wie sich jeder vorstellen kann, war mein persönliches Bedürfnis, diesen Titel für den Phonitor-Test wieder und wieder zu hören, nicht besonders groß. Ich hatte ja während der Produktion bereits ausreichend das Vergnügen. Aber das ist eine andere Geschichte: entscheidend war, dass sich der Song mit dem Phonitor „richtig“ anhörte, im Klangbild also dem sehr ähnlich war, was ich bei der ursprünglichen Produktion des Songs auch über Lautsprecher wahrgenommen hatte. Den großen Unterschied machte in diesem Fall die durch den Phonitor generierte schmalere Stereobasis (im Vergleich zu einer normalen Kopfhörerwiedergabe).
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Beim Test des Phonitor hatte ich bis dahin Musik verschiedener Genres gehört, von der ich wusste, dass sie sehr gut klingt. Allerdings habe ich mich dabei nicht so auf das Stereobild fokussiert, wie bei meinem eigenen Titel. Und genau deshalb konnte ich die speziellen Fähigkeiten des Phonitor nicht ausmachen.
Was bietet der Phonitor? Grundsätzlich kann man sagen, dass die Ergebnisse des Phonitor sich nicht spektakulär von denen mit einem normalen Kopfhörerverstärker unterscheiden. Im A/B-Vergleich ist der Unterschied aber leicht an der veränderten Stereo-Basisbreite auszumachen. Bei dem genannten Beispieltitel kam ich so nah an das Lautsprecherergebnis heran, dass ich dem Phonitor in puncto Panning vertraue. Damit ist ein wesentlicher Nachteil von Kopfhörermischungen eliminiert.
Übrigens: Nach meiner Erfahrung funktioniert die einmal gefundene persönliche Idealeinstellung beim Phonitor auf allen Kopfhörern. In meinem Fall war es letztendlich die im Handbuch empfohlene Default-Einstellung: ein Speaker Angle von 30 Grad, Crossfeed 3 und eine Center-Absenkung von 1,2 dB. Hätte ich doch bloß zuerst das Handbuch gelesen und dann herumprobiert …Ob die Abstimmung von Bässen, Mitten und Höhen in Ordnung ist, hängt wesentlich davon ab, wie gut der eingesetzte Kopfhörer diese Bereiche wiedergibt und wie gut man ihn kennt.
Zwei Unterschiede zur Lautsprecherwiedergabe bleiben jedoch bestehen: die Distanz und die körperliche Schallwahrnehmung. Die Tatsache, dass beim Kopfhörer das Schallereignis nur wenige Millimeter vom Ohr entfernt stattfindet, während das Lautsprechersignal anderthalb Meter Luft bis zu meinem Trommelfell zu überwinden hat, irritiert mich nach wie vor. Diesen Unterschied kann auch der Phonitor nicht wettmachen. Die Wahrnehmung von Bässen über Lautsprecher ist ein Zusammenspiel von Hören und Fühlen, dieses Duett kann ein Kopfhörer nicht liefern – auch dann nicht, wenn er vom Phonitor getrieben wird.