Praxis
Nach dem Auspacken kann ich den wirklich recht leichten Pyramid durch die kompakte Bauweise sehr gut vor mir auf den Studiotisch platzieren. Durch die Bauweise wird der hintere Bereich ein wenig mehr angehoben, so dass der Sequencer leicht geneigt vor mir steht. Da die Anschlüsse gut erreichbar hinten am Gerät liegen, ist die Verkabelung und Integration in mein Studio recht einfach. Für den Stand-alone-Test verbinde ich zuerst das mitgelieferte Netzteil mit dem USB-Anschluss des Sequencers. Leider ist das Kabel mit etwa 1,70m recht kurz; besonders auf der Bühne könnte das zum Problem werden. Als Alternative kann ein gewöhnliches USB-Netzteil (z.B. von einem Handy oder Tablet) mit einem längeren USB-Kabel genutzt werden.
Als Besitzer eines Modularsystems will ich den Sequencer zuallererst in das System einbauen und patche CV Out und Gate Out zu einem Oszillator-Modul und zu einem VCA. Und los geht’s! Oder auch nicht. Denn eigentlich hatte ich eine Notensequenz erwartet, die ich zufällig mit aktivierter REC Taste am Pyramid eingetappt hatte. Also wieder zurück und doch nochmal das 60-seitige PDF-Handbuch akribisch studieren. Nach längerem Suchen habe ich die einzig logische Lösung gefunden. Natürlich musste ich dem Track den richtigen Ausgang und Kanal zuweisen, von denen Pyramid einige zur Verfügung stellt. Das Signal der Sequenz liegt somit nicht an jedem Ausgang gleichzeitig an, die Ausgabe kann ich aber in den Track-Channel-Einstellungen auf maximal zwei gleichzeitige Empfänger routen.
Das Konfigurieren der Hardware funktioniert über verschiedene Ebenen mit etlichen Subebenen, was gerade am Anfang nicht auf die Schnelle passiert. Hat man aber einmal die Logik verstanden, läuft es fast wie am Schnürchen. Der Encoder besitzt zum Einstellen der meisten Parameter keine „+-10“-Sprung Funktion (die zum Beispiel die Firma Elektron in ihrer Hardware nutzt), um schneller von der ersten zur letzten Position zu gelangen (für wenige Parameter beschleunigt die 2nd Taste während des Drehens die Step-Geschwindigkeit). Im Gegenteil – durch ein Klicken während des Drehens sind sogar feinere Schritte einstellbar. Meist endet das Konfigurieren deshalb in einer wilden Dreh-Orgie. Eine Übersicht verschafft die Farbkodierung unterhalb der einzelnen Tasten und Regler, um den richtigen Weg zur gesuchten Funktion zu finden.
Schließe ich Pyramid per USB-Kabel an den USB-Hub meines Rechners an, so wird die Hardware mit Strom versorgt und direkt in den MIDI-Einstellungen von Ableton Live (als „Pyramid MIDI USB“ In und Out) angezeigt. Die Übertragung der MIDI-Clock und die Steuerung über MIDI CC laufen wie erwartet. Natürlich wird der MIDI-Sync nicht durch die Latenzkompensation von Ableton Live mitberechnet und muss manuell durch Delay-Werte nachjustiert werden. Aber das ist ja eher ein bekanntes Problem der DAW und hat nichts mit Pyramid zu tun.
Sequencing auf einem anderen Level
Nach dem Anschalten startet Pyramid standardmäßig im LIVE-Modus. Also muss zuerst, wie oben beschrieben, der MIDI-Ausgang zugewiesen werden. Wer das nervig findet, kann das Eingestellte auf einer SD-Karte abspeichern und bei Bedarf laden, oder mithilfe der Autoload-Funktion bei jedem Neustart den letzten Load-Song oder letzten Save-Song starten lassen.
Jetzt aber zur ersten Aufnahme einer Sequenz. Über die Trigger-Pads in der untersten Reihe werden acht voreingestellte Akkorde gespielt. Das Interessante an den Chord-Triggern ist, dass die gespielten Noten bei gleichzeitigem Drücken mehrerer Pads addiert werden. Die Chords kann ich mir selbst in die Slots legen und so eine Abfolge für eine Live Performance bestimmen. Die Pads darüber spiegeln eine Oktave einer Klaviatur wieder. Um den Takt und die über die BPM Taste eingestellte Geschwindigkeit zu halten, aktiviere ich mit den 2nd- und LIVE-Tasten das Metronom. Play startet das System und ein Klick auf Record beginnt die Aufnahme. Die Noten beziehungsweise die Akkorde werden aufgenommen wie sie eingespielt werden, also komplett unquantisiert. Wer es gerade mag, kann auf die Spur den MIDI-Effekt „Quantize Human Edit“ legen und schon wird es tight. Mit diesem Effekt ist aber noch mehr möglich, denn fehlt ein wenig Leben und Groove, drehe ich ein wenig Human+ oder Human- dazu und die Noten werden im Timing zufällig einen Tick nach vorne oder/und nach hinten geschoben. Schön finde ich, dass die Parameter über die fünf weiteren Encoder schnell justiert werden können. Zur weiteren Bearbeitung der Noten stehen natürlich noch die übrigen drei FX Slots zur Verfügung.
Weiter geht’s zum Step-Sequencer. Hier kann ich die einzelnen Noten über einen 16-Step-Lauflichtsequencer eintriggern. Die Display-Taste schaltet die Anzeige in eine Art Pianorolle. Dort wähle ich mit dem Auswahl-Encoder die Tonhöhe aus, die ich setzen möchte und klicke auf eines der 16 Pads. Polyphone Eingaben erfolgen manuell, indem ich zur selben Zeit verschiedene Noten auf dasselbe Pad lege. Ein Druck auf STEP mit einem Drehen des Auswahl-Encoders versetzt den Step-Sequencer in den nächsten Modus: Chord. Das Gute: Die eingespielten oder einprogrammierten Noten bleiben in der Sequenz erhalten. Es wird in dem neuen Modus lediglich auf den gewünschten Pads ein einstellbarer Akkord addiert. Die Akkorde sind einer Skalenauswahl unterstellt und passen deswegen (fast) immer zum Song.
Der nächste Modus fällt aus der Reihe. Der euklidische Sequencer „zerstört“ meine Notenfolge, aber das ist natürlich logisch. Denn diese Art der Notenprogrammierung ist komplett anders und ist eigentlich eher nicht für Melodien, sondern für Rhythmen gedacht. Trotzdem verliere ich meine Sequenz nicht, denn die rhythmisch gespielten Noten werden einfach zu meiner Sequenz addiert. Durch ein Zurückschalten in einen der anderen Modi ist alles wieder in Butter und ich kann weiter meine Melodien eingeben. Für Percussion und Drum Patterns ist der euklidische Sequencer sehr inspirierend. Es entstehen wirklich interessante Groovegebilde, die ich so nicht eingespielt hätte. Gerade in Verbindung mit dem MIDI-Effekt „Randomizer“ kreiert Pyramid witzige Drum Loops.
Die fünf zuweisbaren Encoder und das X/Y-Pad sind mit einem Klick und der dazugehörigen Auswahl (MIDI-CC-Parameter) ziemlich schnell konfiguriert und direkt einsetzbar. Hier macht das Performen dann wieder viel Spaß und ich verliere mich schnell in einer kreativen Phase. Im LIVE-Modus werden die von mir eingeschraubten und auf dem Pad gewischten Automationsdaten zu den Tracks aufgenommen und abgelegt.
Für dich ausgesucht
Im SEQ Mode stehen mir bis zu 32 anwählbare Sequenzen zur Verfügung. Über die unteren 16 Trigger Pads starte ich nach dem Klick auf die gewünschte Taste die dazugehörige Sequenz. Sie besteht aus den Tracks, die ich vorher aufgenommen oder gesetzt habe. Wähle ich eine leere Sequenz, wird der Inhalt inklusive Mute-Status in diesen Slot kopiert und ich kann eine Variation erstellen.
Laden und Abspeichern eines Songs unterbricht das Abspielen. Das ist schade. Denn gerade während einer Live Performance wäre es schön, einen fließenden Übergang zwischen Songs hinzubekommen oder zumindest den nächsten Song in Teilen in den Sequencer zu importieren.
Nach langer Einarbeitungszeit mit ständigem Gebrauch des mitgelieferten Overlays mit einer Funktionsbeschreibung der wichtigsten Parameter, bin ich zum Schluss mit dem Pyramid warm geworden und es macht wirklich Spaß damit Patterns zu entwickeln. Trotzdem finde ich, dass einige wichtige Bereiche zu lange Wege für eine Einstellung benötigen. Squarp Instruments haben ein sehr komplexes und vielseitiges Gerät im kleinstmöglichen Format geschaffen, in das leider nicht noch weitere Funktions-Buttons passen. Einen Tod muss man hier leider sterben.