Praxis
Über den Sinn oder Unsinn von analoger Summierung möchte ich an dieser Stelle nicht tiefergehend philosophieren, die Vorteile eines analogen Mixers bei Verwendung von analogem Outboard lassen sich allerdings schwer leugnen. Und heiß gefahren hat der Sigma auch ganz klar klanggestalterische Fähigkeiten, die man nicht nur hören, sondern auch sehen kann!
Folgende Hörbeispiele sollen aber erstmal den Unterschied zwischen verschiedenen Arten der Summierung zeigen. Als DAW wurde dabei AVID Pro Tools 11 HD und als Wandler/Interface ein Avid HD I/O 16×16 benutzt.
Meiner Einschätzung nach führt das Routing durch den Sigma zu einer deutlichen Signalaufwertung, die ganz Allgemein betrachtet aber dennoch eher subtil ist. Vor allem die Drums der obigen Beispiele wirken plastischer und “rockiger”, obwohl sie aus der “Dose” kommen.
Je mehr ich den Sigma dabei „überfahre“, umso mehr „Sounddesign“ kann ich natürlich betreiben, wobei anzumerken ist, dass der Sigma selbst in den übertriebenen Extremeinstellungen nicht schlecht klingt.
Zur ausführlicheren Verdeutlichung sollen weitere Audios dienen, wobei ich die folgenden Beispiele mit Ableton Live 9 und einem RME UFX erstellt habe. Die letzten Beispiele dieser Playlist habe ich außerdem normalisiert, um zu verdeutlichen, wie groß der Lautheitsgewinn nach der Sigma-Behandlung ist. Um den Einfluss der Verzerrungen isoliert besser einschätzen zu können, solltet ihr euch hingegen die nicht normalisierten Files anhören, welche ich auf “gefühlte” Lautstärkegleichheit gebracht habe.
Ob ich allerdings intern summiere und dann nur eine Stereo-Spur durch den Sigma schicke oder gleich mehrere Spuren in den Sigma route und dann entsprechend dort summiere, macht in meinen Ohren, vor allem bei den elektronischen Beispielen, nicht so den großen Unterschied. Wenn man sich die Beispiele allerdings lange genug gegeneinander anhört, kann man behaupten, dass die Tiefenstaffelung in den Sigma-summierten Beispielen dennoch immer etwas besser ist und der Sound auch generell etwas breiter ist. Wie gesagt, wenn man es sich lange genug im Vergleich anhört, also weiter im Programm!
Und so möchte ich euch anhand meines Testaufbaus bzw. eines exemplarischen Setup darlegen, was man mit den Direct-Outs vom Sigma beispielsweise noch so anfangen kann, wenn man nicht unbedingt nur stumpf bis zu 32 Kanäle summieren möchte – denn das kostet ja alleine der vielen Wandler wegen nicht gerade wenig Aufwand und somit Geld.
So habe ich also die 16 analogen Ausgänge meines RME UFX+ ADI-8 DS MK3 Kombinats in die ersten acht Stereo-Eingänge des Sigmas geroutet und bin dann über dessen erste 16 Direct-Outs in mein Outboard gegangen. Vom Outboard bin ich dann wieder in die letzten acht Stereo-Eingänge des Sigma zurück, um von dort wieder von den Direct-Outs in die A/D-Wandler meiner RME UFX + ADI-8 DS MK2 Kombination zurückzugehen. Eine Patchbay braucht man also nicht unbedingt. So kann ich erst mal auf den ersten acht Stereo-Eingängen mit den direkt verbundenen (und somit Einfluss-freien) Wandler über den Mix Out A summieren – bei Bedarf kann ich aber auch ein Wandler-Paar von der Summierung ausnehmen und stattdessen einen korrespondierenden Eingang der hinteren acht Eingänge auswählen, an denen dann der prozessierte Ausgang des entsprechenden Outboards anliegt. Das erhält dabei seinen Input von dem Direct-Out des von der Summierung ausgenommenen Kanals, der immer aktiv ist, solange das Gain aufgedreht ist. Alles klar? Konkreter: Habe ich also die Drums auf CHIP 1/2 anliegen, kann ich einen an CHOP 1/2 (als Send) und CHIP 9/10 (als Return) angeschlossenen Kompressor quasi unkompliziert „insertieren“. Anstatt CHIP 1/2 der Summe zuzuweisen nehme ich stattdessen CHIP 9/10 – oder beide, wenn ich „Parallel-Kompression“ benötige. Über MIDI kann man den Gain auch noch „pre- und post-Kompressor“ anpassen. Nicht schlecht!
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Möchte ich den Kompressor eventuell doch nicht innerhalb der Summierung nutzen, kann ich ihn sogar weiterhin an jeder anderen, beliebigen Stelle in einem DAW-Projekt nutzen – als wäre er direkt an die Wandler angeschlossen. Ich nehme dazu dann entsprechend BEIDE Wandler-Pärchen von der Summierung aus und gehe wieder über die Direct-Outs in das Outbord-Gerät, nutze es diesmal aber als „External Hardware Plugin“ direkt von der DAW aus. Das geht dann auch in Kombination mit virtuellen Plug-Ins davor UND danach. Eine Patchbay braucht man dafür wie gesagt immer noch nicht, sodass die Outboard-Verschaltung mit der DAW unkompliziert als Patch über den Browser abgespeichert und mit dem DAW-Projekt archiviert werden kann. Wie bei einer großen SSL, tipp-topp! Wer möchte, kann allerdings beispielsweise auch noch einen einfachen Sub-D-25-Umschalter in das Setup einbauen und so auf den ersten 16 Eingängen anstatt der D/A-Wandler auch noch direkt Mic-Pres bzw. Instrumente „ins Pult routen“.
Weiterhin hat man den Vorteil, fernab von den eigentlichen Automatisierungsmöglichkeiten, die Gains einfach nur zur Anpassung einer Unity-Gain-Struktur des verwendeten Outboard-Equipments zu nutzen, und das wie gesagt „pre und post“. Dass man das Ganze komfortabel in einem „set-and-forget“ Szenario über das iPad programmieren kann, sehe ich deshalb als großen Vorteil, denn so spart man sich viele Regler und Taster am Gerät, die zwar haptisch durchaus schöner sind, in der Praxis aber eigentlich oftmals doch nur wenig bewegt werden (was auch für Mono/Stereo-Modus-Schalter und Panorama-Poti gilt) und somit in ihrer Vielzahl bei hoher Qualität nur unnötig viel Geld kosten. An dieser Stelle sollte man auch bereits den entscheidenden Vorteil der iPad-Steuerung gegenüber dem HTML-Browser nennen: Hier kann man die Gains auch individuell mit den Touch-Fadern steuern, in der Webbrowser-Variante geht das nämlich leider nicht, was ich doch sehr ungünstig gelöst finde. Einzige Ausnahme bildet hier nur der globale „All Gains = 0 dB“-Befehl.
Jetzt mag sich der eine oder andere fragen, warum ich so weit aushole, denn eigentlich ist doch die Fernbedienbarkeit das eigentlich große Plus. Nun, hier wird es in der Tat etwas knifflig und man muss die ganze Sache etwas differenziert, sprich DAW-spezifisch, betrachten. Und so gibt es zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Entweder sendet man MIDI-Volume-Nachrichten (CC07) an einen über IPMIDI zur Verfügung gestellten Port über ein vorhandenes Netzwerk, wobei MIDI-Channel 1 dann Sigma-Kanal 1 regelt, MIDI-Channel 2 Kanal 2 am Sigma, usw. Das sollte prinzipiell von jeder DAW aus möglich sein, und das ist auch die empfohlene Vorgehensweise, sollte man den Sigma mit unterschiedlichen DAWs nutzen wollen. Ganz so komfortabel ist das natürlich nicht, da man so bis zu 16 „Dummy-Fader“ MIDI-Spuren im Projekt anlegen sollte, die man neben den Spuren mit dem Audiomaterial verwenden muss.
Der pragmatischere Ansatz lautet dann sicherlich, alle „Fader“ am Sigma auf 0 dB zu belassen (oder mehr, wenn es einem nach Verzerrungen beliebt), um dann nur im Bedarfsfall explizit für diese eine Spur einer Automation über MIDI zu realisieren. Vorteil: Eine MIDI-Spur, die das macht, kann an jeder beliebigen Stelle im DAW-Projekt befindlich sein. Man hat so außerdem die Wahl, ob man nun Fades digital oder analog ausführen möchte.
Eine andere Möglichkeit wäre es, das Mackie Control Universal (MCU) Protokoll oder Pro Tools HUI zu verwenden. Ob man einen passenden physischen Controller hat, spielt dabei erst mal keine Rolle. In beiden Fällen, MCU oder HUI, handelt es sich um Scripte, die auch über MIDI kommunizieren, allerdings bieten diese mehr Integration in die DAW bzw. „Intelligenz“, sodass man u.a. Spuren im Projekt verschieben kann und sich der dazugehörige Controller entsprechend um die Neusortierung der Fader kümmert. Konkret: Man fügt wieder 16 Dummy-Fader ein (die je nach DAW nun auch Audiospuren sein können) und schiebt sie ganz nach links im DAW-Projekt. Schiebt man nun diese Fader nach oben, steuert man den Gain der entsprechenden Sigma-Kanäle. Nutzt man dann einen Motorfader-Controller, wie sie Mackie Control Universal Pro oder SSL Nucleus nun einmal sind, kommt fast richtiges Konsolen-Feeling auf! Allerdings wird es dann auch etwas unübersichtlich, da diese Spuren eben kein Audio beinhalten können, weshalb man auch noch mal 16 Spuren braucht, die dann auf die entsprechenden Wandler, welche mit dem Sigma direkt verbunden sind, ausspielen. Möchte man also 16 Stereo-Spuren mit dem Sigma „analog“ mixen, benötigt man mindestens 32 Spuren im Projekt.
Mit Pro Tools klappt dies auch schon sehr gut, mit Ableton Live in der Praxis beispielsweise eher nicht so. Das Problem ist hier allerdings nicht SSL sondern Ableton selbst, weil es erstens kein Gruppieren von Remote-Controllern zulässt, weshalb ich in der Konsequenz den Mackie Control Mode nicht in Verbindung mit meinem physischen Mackie Control Universal Controller nutzen kann. Zweitens macht auch die Steuerung über MIDI nicht so richtig Spaß, weil Ableton den CC07 Befehl leider nur in einem Clip und nicht auf der Spur direkt zur Verfügung stellt, was Lautstärkeeinstellungen mit 16 Kanälen zum Klick-Marathon werden lässt und so praktisch nicht verwendbar ist. Einziger Ausweg, siehe oben, man benutzt die Fernbedienungsmöglichkeiten der Gains nur im Bedarfsfall. Natürlich sollte man nochmals betonen, dass man die Sigma-Routings, Settings und Co. zusätzlich mit der Remote-App via Browser zu jeden DAW-Projekt mit abspeichern sollte.
Interessant ist die Verwendung des Sigma aber auch in den Insert-Wegen einer alten Konsole, um so nachträglich zu einer Automatisierungsmöglichkeit zu gelangen. Würde man hier einfach nur die Ausgangslevel der Wandler automatisieren, würde man nämlich nur den Pegel in einen inserierten Kompressor, nicht aber dessen Level selber steuern können.
Ich hätte es trotzdem gut gefunden, wenn man den Sigma auch direkt mit einer Mackie Control hätte steuern können, ohne den Umweg über die DAW gehen zu müssen. Zugegebenermaßen kann man so zwar keine Automation schreiben, aber das will man ja auch nicht permanent. Leider funktioniert dies aber noch nicht, was ich sehr schade finde. Dadurch funktioniert das natürlich auch nicht mit SSLs Nucleus – und diese Kombination wäre zugegebenermaßen schon mehr als sexy gewesen. Hierfür sollte SSL vielleicht auch noch einen eigenen „Controller-Layer“ basteln, der mit den Fadern die DAW bedient, während man beispielsweise mit den Potis den Gain des Sigma regelt. Aber vielleicht überrascht uns SSL noch mit einem entsprechenden Patch, um auch dies noch möglich und mich glücklich zu machen. In dem Zusammenhang sollte man noch überlegen, den Alt-Speaker nicht nur „toogle-bar“ zu machen, um so auch einen Subwoofer anschließen zu können und ihn hinzuschalten zu können.
Martin Zull sagt:
#1 - 29.07.2014 um 19:10 Uhr
Ich finde den Test hervorragend recherchiert. Auf Details wurde prima eingegangen. Daumen hoch! Die Unzulänglichkeiten des Gerätes wurden gut beleuchtet und werden den Sigma in meiner Prioritätenliste für Neuanschaffungen so lange weiter hinten bleiben lassen, bis sich Selbstverständlichkeiten wie dezidierte Gainsteuerung und Remoteeinbindung vernünftig realisieren lassen. Das hätte ich schon erwartet! Vielleicht könnte man auch den Sum.mation von Greiner Engineering zu einem Vergleichstest heranziehen, denn hier könnte sich ein ebenbürtiger Konkurrent mit kleineren Abstrichen in der Funktionalität (Abhörschiene etc.) gerade für Analogpultautomationen profilieren und so einmal eine kleinere Hersteller-Firma in den Fokus gerückt werden.
Felix Klostermann sagt:
#2 - 02.08.2014 um 22:30 Uhr
Hallo Martin Zull. Danke für die Blumen! Man kann wirklich nur hoffen, dass SSL da noch etwas nachbessert - oder einfach drastisch den Preis für eine SSL Matrix senkt ;-)
Bapt M Dan sagt:
#3 - 08.06.2016 um 22:31 Uhr
Hallo :),
Erstmal vielen Dank für den überragenden Bericht -Daumen richtig hoch-
Ich habe dennoch eine wichtige Frage; was für ein Audio Interface bzw. Audio-Wandler würden sie als besonders kompatibel empfehlen im Bezug auf die jeweils 32 I/Os? Oder was für ein Set Up würden sie emphelen, das mit dem Sigma am meisten Sinn geben würde?
Ich hoffe Sie können mir weiter helfen, habe bislang nichts hilfreiches gefunden, vor allem weil der Sigma eben d-sub 25 Anschlüsse hat... :/ Danke für Ihre Zeit.
Martin Zull sagt:
#4 - 09.06.2016 um 12:46 Uhr
Orion Antelope!
Martin Zull sagt:
#5 - 04.06.2018 um 18:14 Uhr
Mittlerweile (nach gut einem Jahr des Besitzes) muss ich meine Meinung revidieren, da SSL hier in der Bedienung stark nachgebessert hat. Es gibt nun pro Stereokanal ein Plugin innerhalb der DAW der Wahl (Logic ist ein Sonderfall), mit dem man Hüllkurven der Volumenautomation sehr übersichtlich direkt in die Spur einzeichnen kann. Bei Monospuren nehme ich jeweils zum Beispiel 2 zusammengehörige gepannte Spuren, deren Lautstärkeverhältnisse ich gleich in der Audiodatei bestimme. Faderfahrten werden dann durch das Plugin in einer der Spuren aufgezeichnet und wiedergegeben und gelten für beide. Das ist eine Einschränkung, die mir erst etwas Kopfzerbrechen bereitet hat, in der Praxis bemüht man sich aber so gleich um ein vernünftiges Stereobild. Wenn ich doch mal nur eine Monospur brauche, dann verliere ich halt einen AD/DA Ein,- und Ausgang. Ein Maler knallt ja auch nicht immer alles an Farben, was er hat, aufs Bild. Darüber hinaus gibt es Talkback, 2 Subgruppen, einen vernünftigen Kopfhörerausgang und noch ein paar nette Dinge, die aus 2 Höheneinheiten einen automatisierbaren Summierer mit Monitorkontroller machen. Mit einem Nucleus und Patchbay mit Outboard kommt da fast schon Konsolenfeeling auf.