Praxis
Analoge Verbindung
Dank integriertem Vorverstärker kann der Plattenspieler direkt an einen Line-Eingang angeschlossen werden. Wer also kein DJ-Mischpult oder keinen Verstärker mit Phono-Preamp besitzt, hat trotzdem keinerlei Probleme, das Gerät zu verwenden. Selbstverständlich kann der Turntable auch klassisch an den Phono-Eingang eines Verstärkers beziehungsweise Mischpults angeschlossen werden. Der Schalter hinten muss auf „Phono“ stehen, sonst gibt es einen ganz übel verzerrten Sound! Ein Erdungskabel wird nicht benötigt.
Der Sound ist okay, fällt aber relativ leise aus. Das liegt zum einen am verwendeten System und der Nadel, was der Vergleich mit meinem Ortofon Concorde bestätigt. Zum anderen trägt der Ausgang des Stanton selbst dazu bei. Ich kann diesbezüglich unterstreichen, was bereits beim Test des Vorgängers festgestellt wurde. Was die Lautstärke anbelangt, habe ich keinen Unterschied zwischen Line- und Phono-Ausgang festgestellt, wenn die entsprechenden Eingänge am Mischpult benutzt werden und alles richtig eingestellt ist.
Digitale Verbindung
Der Anschluss über USB funktioniert an meinem Mac problemlos. Treiber müssen nicht installiert werden. Prompt wird der Plattenspieler als Audiointerface im Audio-MIDI-Setup angezeigt. Dass hier nur mit 16 Bit Auflösung gearbeitet wird, ist schade, aber immerhin kann mit 44,1 kHz oder 48 kHz aufgenommen werden. Die Aufnahmen über USB lassen sich nicht aussteuern und haben immer ein wenig Luft nach oben, übersteuert wurde bei keiner der Test-Recordings. Wem die Aufnahmen nicht laut genug sind, der müsste diese im Audioeditor nachträglich normalisieren. Für die Aufzeichnung über S/PDIF gilt im Prinzip das Gleiche.
Über USB können jedoch nicht nur Audiosignale vom Plattenspieler in den Computer geschickt werden, auch anders herum ist es möglich. MP3s und andere Audiodateien können auf dem Rechner gestartet und über das interne Audiointerface des Stanton wiedergegeben werden. Das ist praktisch und erleichtert zum Beispiel auch das Bearbeiten der frisch aufgenommenen Vinyl-Scheiben im Audio-Editor.
Deckadance DVS
Im Lieferumfang ist auch eine Lizenz für die DJ-Software Deckadance enthalten. Stellt sich Frage, ob man sie mit einem Timecode-Vinyl über USB nutzen kann. Mit einem Scratch Live Control Vinyl wird der Versuch unternommen und tatsächlich wird der Timecode empfangen. Dieser muss in den Einstellungen der Deckadance-Software feinjustiert werden. Prompt lässt sich eine MP3 abspielen und mehr oder minder steuern, der absolute Modus will leider nicht hundertprozentig funktionieren. Die Audiodatei wird korrekt abgespielt und auch das Pitchen oder Scratchen klappt, aber das Navigieren innerhalb des Tracks mit Hilfe der Plattennadel gelingt nicht. Weitaus störender ist aber, dass der Pfeifton des Timecodes konsequent im Hintergrund zu hören ist. Ich habe keine Möglichkeit gefunden, diesen zu unterdrücken – ganz gleich, welche Einstellungen ich an der Software vorgenommen habe. Schade eigentlich.
Mit einem zusätzlichen Audiointerface funktioniert der DVS-Modus selbstverständlich, der Stanton T.92 M2 USB würde dann wie ein klassischer Plattenspieler eingesetzt und das Timecode-Signal einfach analog in das Interface ausgegeben werden. Ansonsten lässt sich die Deckadance-Software natürlich auch ohne Control-Vinyl steuern. Als Beigabe ist sie auf jeden Fall ein schöner Bonus und sicherlich in erster Linie an diejenigen adressiert, die mal ins digitale Auflegen reinschnuppern wollen.
Performance
Für DJs hat der T.92 M2 USB einige Tricks auf Lager. Tempowechsel, Pitch-Lock, Starten und Stoppen erledigt der Plattenspieler dank Direktantrieb in weniger als einer Sekunde. Das Rückwärtsspielen auf Knopfdruck geht fast genauso schnell von der Bühne, selbst bei eingestellten 78 Drehungen pro Minute. Beim Scratchen blieb die Nadel, zumindest bei meinen Versuchen, sehr sicher in der Spur
Die 100 Millimeter langen Pitchfader befand DJ Rick Ski bei seinem Test des Vorgängers als etwas schwergängig, ich persönlich mag sie so wie sie sind. Beim Mixen arbeiten sie präzise und lassen sich sehr fein einstellen. Beim Beatmatching stelle ich fest, dass der Plattenteller beim Versuch, das Vinyl vorsichtig abzubremsen, etwas zu träge reagiert. Das macht das Finetuning des Tempos unter Umständen zu einer frickeligen Angelegenheit. Gerade Anfängern, die das Mixen lernen wollen, wird es damit nicht unbedingt leichter gemacht.
Key-Lock
Der Key-Lock offenbart mehr als jedes andere Feature die digitale Natur des Stanton. Egal wie der Plattenspieler angeschlossen und eingestellt wird, beim Druck auf den Key-Lock-Button wird die originale Tonhöhe der Aufnahme beibehalten. Üblicherweise wird in einem analogen System mit dem Verändern der Abspielgeschwindigkeit auch die Tonhöhe beeinflusst. Mickey-Mouse-Effekt wird das ja gerne auch genannt. Der T.92 M2 USB hebelt diese Eigenschaft auf Knopfdruck aus und vollführt quasi einen Echtzeit-Timestretch, wie man es auch aus einigen DAWs wie Ableton Live mit seinen gewarpten Audios kennt. Bei circa minus vier Prozent Pitch machten sich erste Artefakte bemerkbar, bei minus acht Prozent waren sie deutlich wahrnehmbar. Dieser „Stretch-Effekt“ ist beim Hochdrehen des Tempos nicht ganz so auffällig. Ich habe dies in den nachstehenden Audiodateien illustriert, dafür musste der Track „Journey“ des Künstlers Caldera (mit freundlicher Genehmigung des Berliner Labels „Sonic Moiré) herhalten. Wer die Schallplatten ganz „oldschool“ pitchen möchte, kann das natürlich ohne Key-Lock in Angriff nehmen.
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Total digital
Worüber man sich bei diesem Plattenspieler bewusst sein sollte: Jegliches Signal von der Platte geht immer über den Digitalwandler. Es wird also grundsätzlich vom Analogen ins Digitale gewandelt und für den analogen Ausgang wieder zurück ins Analoge. Effekte wie der Key-Lock würden sonst nicht funktionieren. Das heißt im Klartext: Puristen, die ein unverfälschtes Vinyl-Erlebnis haben wollen, sind mit diesem Gerät nicht so gut beraten. Wer reinen Analogsound möchte, muss nach klassischen Plattenspielern Ausschau halten.