Praxis
Steinberg Cubase Pro 10: Umfassender Facelift
Dass sich das äußere Erscheinungsbild von Cubase bei einem größeren Update ein wenig verändert, gehört dazu. Über die letzten Versionen hinweg wurde die Benutzeroberfläche mit jedem Schritt etwas dunkler bzw. kontrastreicher, und diesem Trend folgt auch Version zehn. Allerdings geht das Ausmaß des Redesigns diesmal wesentlich weiter. Nicht nur viele Bedienelemente im Projektfenster und in der MixConsole wurden neu gestaltet, sondern auch viele Fenster und Plug-In-Oberflächen wurden komplett überarbeitet und in ihrem Look vereinheitlicht.
Auch der Channel-Strip wurde optisch neu gestaltet und bietet im Bereich der Kompressoren nun Zugriff auf das vollständige GUI des entsprechenden Plug-Ins. Allgemein wird man sich als alteingesessener Anwender an manchen Stellen ein klein wenig umgewöhnen müssen, die Änderungen sind aber nicht so groß, dass man eine längere Schonfrist einplanen muss.
Extremer Zeitsparer: Audio-Alignment
Bei Audio-Alignment handelt es sich um eines der wenigen komplett eigenständigen neuen Key-Features, die mit dem Update auf Cubase Pro 10 dazukommen. Die Funktion orientiert sich am Prinzip von Synchro Arts Revoice bzw. VocAlign und ermöglicht es, das Timing eines oder mehrerer Tracks automatisch an das Timing eines Referenz-Tracks anzupassen. Wenn es darum geht, möglichst saubere Gesangs-Dopplungen oder eine ultra-kompakte „Wall of Vocals“ zu erstellen, dann kann man mit dieser Funktion im Gegensatz zur Arbeit von Hand wirklich unglaublich viel Zeit sparen. Und wenn es einmal nicht zu 100 % exakt sein soll, dann lässt sich die Präzision des Alignments abschwächen. Eine wirklich feine Sache!
Genauso wie jede andere Möglichkeit zur automatischen Quantisierung arbeitet das Tool nicht immer restlos fehlerfrei. Kleine Ausreißer sind aber in Windeseile korrigiert, und dabei kann auch die neue Möglichkeit, im Sample-Editor mehrere Wellenformdarstellungen übereinanderzulegen (auch Cubase Artist und Elements) hilfreich sein. Feine Sache!
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Einfache Verbesserungen mit großem Effekt: VariAudio 3
Nachdem die Einführung von Smart-Controls in den Midi-Editoren und bei der Automation in früheren Updates von Cubase für einen erheblichen Workflow-Boost sorgen konnte, ist es erfreulich, dass die kleinen Bedienelemente, die sozusagen direkt am Geschehen sitzen, nun auch bei VariAudio zu finden sind. Das Klicken auf die Icons einer Werkzeugleiste oder das Öffnen von Kontext-Menüs ist folglich wesentlich seltener nötig und allgemein lässt sich das Modul zur Tonhöhen- und Intonationskorrektur dadurch wesentlich direkter und intuitiver bedienen als bisher.
Heißersehnt und Konsequent: Mixer-Snapshots
Nachdem mit Cubase 9 die Undo-History für den Mixer eingeführt wurde, ist es nur konsequent, dass man nun bis zu zehn Snapshots abspeichern kann, die alle Mixer-Einstellungen einschließen. Der Programmieraufwand dafür wird sich vermutlich einigermaßen in Grenzen gehalten haben, während der Nutzen der Funktion wirklich gigantisch ist. Das Erstellen von alternativen Mixes oder das Umsetzen von Korrekturen setzt nun nicht mehr voraus, dass man immer neue Versionen des gleichen Projekts abspeichert und diese zum Wechseln komplett neu laden muss. Auch wenn sich ein Snapshot von einem anderen vollständig unterscheidet und beispielsweise vollkommen andere Plug-Ins verwendet, braucht Cubase nur einen Moment, um auf die neuen Mixer-Einstellungen umzuschalten. Ebenfalls positiv fällt mir auf, dass das Laden eines Snapshots ebenfalls als Ereignis in der Mixer-History abgelegt wird, was den versehentlichen Verlust eines mühsam erarbeiteten Mix sehr unwahrscheinlich macht. Gerade da es die Mixer-History auch in Cubase Artist gibt, wäre es vielleicht angemessen gewesen, auch die Mixer-Snapshots in die mittlere Ausbaustufe zu integrieren.
Gehobene Drag&Drop-Kultur: Effekt-Plug-Ins im Media-Rack
Dass das Media-Rack in der rechten Zone des Projektfensters nun auch Zugriff auf Effekt-Plug-Ins bietet, gilt für alle Ausbaustufen bis hinunter zu Cubase Elements 10. Somit ist es nun beispielsweise möglich, den persönlichen Lieblings-Kompressor ganz einfach und direkt über Drag&Drop als Insert auf eine Spur zu ziehen oder bei Bedarf einen neuen Effekt-Kanal zur Parallel-Bearbeitung zu erstellen. Die Oberflächen der Plug-Ins lassen sich auf Wunsch über kleine Thumbnails im Media-Rack anzeigen, und es ist ein Kinderspiel, solche Thumbnails für Drittanbieter-Plug-Ins selbst zu erzeugen.
Vereinfachungen im Sidechain-System
Beim Sidechaining wird der Detektor-Weg eines Effekts auf einer Spur (in den meisten Fällen eines Kompressors) mit dem Signal aus einer anderen Spur gefüttert, um die Bearbeitung zu steuern. Sehr häufig und plakativ wird diese Technik in vielerlei Formen von EDM eingesetzt, um einen Bass-Track oder ein Pad dazu zu bringen, sich unter einer Kick zu „ducken“ und den typischen pumpenden Offbeat-Effekt zu erzeugen.
Neuigkeiten zu den enthaltenen Plug-Ins
Bereits eine Weile vor dem Launch von Cubase 10 hat Steinberg den als eigenständiges Plug-In erhältlichen Groove Agent 5 veröffentlicht. Es war also fast zu erwarten, dass die in allen Ausbaustufen enthaltene, reduzierte SE-Version des Groove Agent 4 nun ebenfalls ein Update erfährt.
Das in allen Ausbaustufen von Cubase enthaltene VST-Instrument verfügt nun über eine frei skalierbare Oberfläche, während unter der Haube sowohl die Anzahl der möglichen Stereo-Ausgänge also auch die Anzahl der möglichen Velocity-Layers eines Instruments auf 32 erhöht wurde. Wirklich toll ist die zudem die Möglichkeit, den internen Mischer des Plug-Ins ganz einfach in den Mischer von Cubase zu übertragen und dort die entsprechenden Kanäle mit zugehörigen Plug-Ins zu erstellen. Wenn das nur mit allen Klangerzeugern, die einen internen Mischer bieten, so einfach wäre! Weiterhin wurde das Austauschen einzelner Instrumente innerhalb eines Kits vereinfacht.
In Hinblick auf die Sounds hat sich beim Groove Agent SE natürlich ebenfalls etwas getan. Die zentrale Neuerung neben einigen zusätzlichen Electro-Kits ist ein akustisches Drumset namens The Kit SE, das durchaus natürlicher klingt als die Samples des Acoustic Agent aus der Vorgängerversion. Für Layouts beim Songwriting ist der Klang mehr als ausreichend, eine wirklich überzeugende Nachbildung von akustischen Drums, wie sie einigen VST-Instrumenten von Drittanbietern gelingt, fällt dem Groove Agent 5 SE dennoch nach wie vor schwer.
Für die folgenden Audio-Beispiele wurden die Sounds aus dem Groove Agent 5 SE mit dem neuen Verzerrer-Plug-In Distroyer (Cubase Pro und Artist) bearbeitet bzw. durch die neue Vintage-Verb-Collection des Faltungshalls REVerence (nur Cubase Pro) geschickt. In beiden Fällen handelt es sich um sehr willkommene Erweiterungen der von vornherein enthaltenen klanglichen Palette von Cubase.
Weitere große Kleinigkeiten
Die Liste der Neuerungen in Cubase Pro 10 geht natürlich noch weiter, und auch wenn ich nicht alle Kleinigkeiten aufzählen möchte, gibt es doch einige weitere Veränderungen, die sich für manche Anwender als extrem hilfreich erweisen können. Dies betrifft beispielsweise die Möglichkeit, sich die pro Plug-In erzeugte Latenz im Mixer anzeigen zu lassen (alle Versionen), die MPE-Unterstützung für multidimensionale Controller (Pro und Artist) und die Integration von Effekt-Ketten bei der direkten Offline-Bearbeitung (nur Pro). Und auch die 5 GB an neuem Content im Bereich der Loops und Samples werden sicher für einige Cubase-User interessant sein.
Ein neues Mini-Feature, über das ich mich persönlich sehr freue, ist eine Konverter-Funktion, mit der man ein Stereo-File in zwei Mono-Files zerlegen kann und andersherum. Das war wirklich längst überfällig! Außerdem ist es nun auch möglich ist, in 32-Bit-Integer bzw. in 64-Bit-Float aufzunehmen.