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Steinberg The Grand 3 Test

Praxis

Schöne neue Piano-Welt
Die Bedienoberfläche von The Grand 3 ist wirklich liebevoll gestaltet. Die Editor-Ansicht ist zwar unabhängig vom geladenen Piano immer weitestgehend gleich. Wenn man auf die Player-Ansicht umschaltet, präsentiert sich jedoch ein wunderschönes Hochglanz-3D-Model des entsprechenden Instruments, das in mir abwechselnd die Impulse weckt, es zu streicheln, in die Tasten zu greifen und ein Glas von feinstem 30 Jahre altem Single Malt Whiskey auf Eis darauf abzustellen. Abgesehen von der guten Aussicht wird in diesem Fenster allerdings nicht viel geboten, denn die meisten Einstellungen nimmt man im Edit-View vor. Dementsprechend wird man diese Seite von The Grand 3 im Studioalltag auch eher selten zu Gesicht bekommen, aber trotzdem möchte ich euch diesen Anblick natürlich nicht vorenthalten.

Fotostrecke: 5 Bilder Yamaha C7

Von Saiten, Hämmern, Tasten und Pedalen – Der Klang von The Grand 3
Wechseln wir zurück in die Edit-Ansicht, denn jetzt wollen wir auch den Sound hinter der hübschen Fassade zu spüren bekommen. Um ein Instrument zu laden, gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann sich entweder eines der Presets bedienen, die auch Equalizer- und Halleinstellungen beinhalten, oder eigene Wege gehen, indem man der unschwer zu verstehenden Aufforderung „Click image to load model“ folgt. Da wir es wie immer etwas genauer wissen wollen, entscheiden wir uns für die zweite Möglichkeit, worauf ein grafisches Menü die verschiedenen Sample-Bänke zur Auswahl anbietet. An dieser Stelle stößt man leider auf ein Manko der Software: es lädt und lädt und lädt – auf unserem Testsystem (Win XP, Intel Core2Duo@2,41GHz, 2GB RAM, HDD@7200rpm) pro Instrument bis zu 33 Sekunden. Dies lässt sich auch durch die große Datenmenge nicht ausreichend erklären. Andere Sampler bewältigen entsprechend große Programme fast in der Hälfte der Zeit. Auf die Transportfunktionen des Host (in unserem Fall Cubase 5) kann man währenddessen nicht zugreifen. Es ist also definitiv davon abzuraten, mal eben während der Wiedergabe ein neues Piano-Model anzuwählen. Der Pilot eines Flugzeugs würde während des Landeanflugs ja auch kaum auf den Gedanken kommen, das Cockpit zu verlassen und sich einen Kaffee zu machen. Im schlimmsten Fall haben beide Situationen das gleiche Ergebnis: Einen Programmabsturz.

Fotostrecke: 2 Bilder Edit-Ansicht

Wie bereits angedeutet, wurden alle Instrumente bis auf das Yamaha CP80 E-Piano aus zwei Mikrofonpositionen heraus aufgenommen. Für eine dieser beiden muss man sich beim Laden nun entscheiden. Die Programme mit Close-Mikrofonierung klingen etwas heller und direkter und eignen sich gut dazu, einen künstlichen Hall hinzuzufügen. Beim „Player-Setup“ wurden die Mikrofone etwas weiter von den Saiten entfernt und etwas näher an der Klaviatur positioniert. Demzufolge ist der Klang weicher und räumlicher. Allerdings muss man an dieser Stelle sagen, dass auch in den Close-Programmen ein deutlicher Raumanteil zu spüren ist und der Sound von The Grand 3 generell nicht so warm ist wie beim Vorgänger. Die warmen tiefen Mitten fielen in einem Mix früher aber ohnehin oft dem EQ zum Opfer, und die neue Räumlichkeit verleiht den hochkarätigen Instrumenten einen wirklich brillanten Glanz.

Audio Samples
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Yamaha C7 Close Yamaha C7 Player The Grand 1

Selbst überzeugen könnt ihr euch davon in den folgenden Klangbeispielen, in denen zunächst der Yamaha C7 in beiden Mikrofonpositionen zum Einsatz kommt. Als Referenz habe ich an dieser Stelle auch The Grand 1 noch einmal reaktiviert. Zusätzlicher Hall und EQ sind bei allen Tracks auf Bypass. Ich entschuldige mich vorab, falls das wiederholte Hören der Demo einen melancholischen Gemütszustand hervorruft. Der ein oder andere Leser ist möglicherweise mit einem sehr feinen Gehör ausgestattet und wundert sich nun über die immer wieder auftretenden leisen Nebengeräusche. Genau diese Nebengeräusche machen den Klang der Instrumente aber eben besonders realistisch. Wie bereits erwähnt, handelt es sich dabei sozusagen um Extra-Samples, die je nach Relevanz zusätzlich zu jedem Tasten- oder Pedaldruck abgespielt werden. Ein erneuter Blick auf die obigen Screenshots der Edit-Ansicht zeigt, dass diese in fünf Kategorien unterteilt sind:

•  Sustain Resonance – Das Mitschwingen nicht angespielter Saiten bei gedrücktem Haltepedal
•  String Release – Das natürliche Ausklingen des Tons, nachdem die Taste bereits losgelassen wurde
•  Key Sound – Das Geräusch des Hammers, der auf die Saite trifft
•  Hammer Release – Das Geräusch des Hammers, der in seine Ausgangsposition zurückkehrt
•  Damper Pedal – Das Geräusch, das beim Treten und Loslassen eines Pedals entsteht

Audio Samples
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Steinway D mit Standardeinstellung Sustain Resonance +9dB String Release +12dB Key Sound & Hammer Release +12dB Damper Pedal +12dB Steinway Model D Dry

Diese Nebengeräusche lassen sich natürlich in ihrer Lautstärke anpassen oder bei Bedarf auch ganz abschalten. Hören wir uns doch einmal ihre Wirkung beim Steinway Model D aus der Player-Perspektive an. In Beispiel 1 erklingt der Flügel mit der Standardeinstellung, danach werden die jeweiligen Anteile deutlich angehoben. Zu guter Letzt gibt es zum Vergleich eine Version, bei der alles deaktiviert ist. Nach der Melancholie der letzten Hörbeispiele hoffe ich, dass diese eine etwas stimmungsaufhellende Wirkung haben werden.

Das Yamaha CP80 und seine Effekte
Für das Nordiska Upright Piano sind nur Sustain Resonance und String Release regelbar, was natürlich nicht bedeutet, dass die anderen Komponenten nicht vorhanden wären. Anders ist das beim Yamaha CP80, denn ein E-Piano erzeugt von vornherein keine natürlichen Nebengeräusche dieser Art, zumindest nicht, wenn es in einem einigermaßen tragbaren Zustand ist. Hier treten an die Stelle der zusätzlichen Samples die typischen Modulationseffekte, mit denen ein solcher Mono-Klang oft verbreitert, beschönigt oder verfremdet wird. 

Effektbearbeitung im Yamaha CP80
Effektbearbeitung im Yamaha CP80

Dem geneigten Sound-Bastler stehen Phaser, Chorus und Flanger zur Auswahl, die mit entsprechenden Parametern der Klangvorstellung angepasst werden können. Diese Parameter sind bei jedem Effekt die gleichen (siehe Screenshot), und in Cubase 5 funktioniert die Automatisierung der einzelnen Regler einwandfrei. Zusätzlich kann man einen als „Tremolo“ bezeichneten Effekt zuschalten, der das Signal in gewünschter Breite und Geschwindigkeit durch das Panorama wandern lässt. An der Lautstärke ändert sich dadurch aber nichts. Genaugenommen handelt es sich also um eine Auto-Pan Funktion. All das wollen wir uns natürlich auch wieder anhören. Wie bisher gibt es zunächst einen trockenen Track aus dem CP80 und danach Beispiele mit Effekteinsatz.

Audio Samples
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Yamaha CP80 ohne Effekte „Tremolo” Effekt, in der Mitte abgeschaltet Chorus mit leichtem Auto-Pan Flanger Phaser

Natürlich könnte man sich fragen, was ein E-Piano in einer solchen Library überhaupt zu suchen hat. Der Schwerpunkt liegt ja, wie der Name „The Grand“ schon ganz richtig vermuten lässt, auf Flügelklängen, oder zumindest der Nachbildung echter Klaviere. Spezialisten für die Sounds aus dem Lager der elektrifizierten Instrumente sind weitverbreitet und bieten zudem oft mehr Bandbreite und ein größeres Instrumentarium. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Steinberg und Yamaha bot es sich aber wohl an, die Samples direkt vom japanischen Hersteller zu übernehmen und als kleine Zugabe ebenfalls einzubinden. Als Endverbraucher bin ich dafür natürlich vor allem dankbar, denn Der Klang des Instruments spricht für sich.

Mehr Raum für die Musik – Die Hallgeräte in The Grand 3
Wenden wir uns den integrierten Hallgeräten zu. The Grand 3 ist in diesen Belangen erfreulich flexibel und bietet ein algorithmisches Reverb und eine kleine Version des Faltungshalls REVerence an, den die Riege der Cubase 5 User schon als mitgeliefertes Plugin kennt. Letzterer ist natürlich verhältnismäßig ressourcenhungrig und um diesen für eine Live-Performance oder zum Einspielen bei geringer Latenz verwenden zu können, sollte man einen starken Rechner sein Eigen nennen. Beide Effekte sind surroundfähig. Um dieses Feature nutzen zu können, muss man einfach den zweiten Ausgang des Plugins aktivieren und Im Surround-Mix entsprechend den Ls und Rs Kanälen zuordnen.

Hallbearbeitung in "The Grand 3"
Hallbearbeitung in “The Grand 3”

Über die vier Reverb-Parameter (siehe Screenshot) kann man die Hallfahne flexibel anpassen. Natürlich finden sich hier keine getrennten Bearbeitungsfunktionen für Early Reflections oder Frequenzanteile, aber innerhalb eines Plugins wie The Grand 3 wäre dies auch zu viel des Guten. Prinzipiell kann man davon ausgehen, dass in einem dichten Arrangement je nach Arbeitsweise oft ein anderer Hall Verwendung finden wird, da man diesen dann auch von anderen Instrumenten aus mit Signalen beschicken kann und so zu einem einheitlicheren Mix kommt. Abgesehen davon ist vor allem der Faltungshall qualitativ absolut überzeugend. Da wir den Bösendorfer 290 Flügel bisher gar nicht gehört haben, dient dieser nun als Versuchskaninchen für die Experimente mit dem Reverb. In diesem Fall entscheide ich mich für die Close-Mikrofonierung.

Audio Samples
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Bösendorfer 290 Imperial: Close – 100% Dry Medium Room (Algorithmisch) Large Hall (Algorithmisch) Musical Academy a (Faltungshall) Large Vienesse Hall a (Faltungshall)

Beim Einsatz des internen Faltungshalls trat auf unserem Testsystem (Win XP, Intel Core2Duo@2,41 GHz, 2GB RAM, Cubase 5) bei der Wiedergabe eine von der Buffersize des Audio-Interface abhängige Latenz auf. Der Track wurde also verzögert zum Rest des ihn umgebenden Arrangements bzw. auch des Clicks abgespielt. Dieses Problem bestand immer, wenn ein Faltungshall-Preset ausgewählt war, und zwar auch, wenn dieses mit dem entsprechenden Schalter deaktiviert wurde. Nach Rücksprache mit dem Steinberg Support wurde mir versichert, dass es sich dabei um einen bekannten Bug handelt, der mit dem nächsten Update behoben werden wird. The Grand 3 meldet eine falsche Latenz an Cubase, und dementsprechend findet der Verzögerungsausgleich nicht vollständig statt. Benutzer von Cubase 5 können sich natürlich damit helfen, den ohnehin vorhandenen REVerence als Insert- bzw. Send-Effekt einzubinden.

Der integrierte EQ
Der integrierte EQ

Der integrierte EQ bietet vier parametrische Bänder: Ein Low-Shelf, ein High-Shelf und zwei Peak Filter. In der internen Effektkette sitzt er vor dem Hall und hat somit keinen Effekt auf zusätzliche Rauminformationen. Prinzipiell muss man an dieser Stelle sagen, dass die Instrumente sich wunderbar im Mix formen lassen.

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Nordiska Upright Piano ohne Bearbeitung Anhebung um 6dB bei 3KHz

Während andere Software-Pianos schnell Einbußen in der Klangqualität zu verzeichnen haben und beispielsweise bei einer Anhebung in den hohen Mitten gerne einmal anfangen zu klirren, verhält sich The Grand 3 sehr natürlich, was wohl mit der hohen Qualität der Aufnahme zu begründen ist. Hören wir uns doch einfach mal ein Jazz-Trio mit dem Nordiska Upright-Piano an. An dieser Stelle möchte ich mich bei dem Pianisten Alexander Wienand bedanken, der so freundlich war, den Großteil der Klangbeispiele einzuspielen. Zu Demozwecken fällt im zweiten Track eine Anhebung bei 3Khz wie immer sehr deutlich aus.

Weitere Optionen
Ganz wichtig bei einem synthetischen Piano ist natürlich, dass es gut spielbar ist und sich unter sensiblen Pianistenhänden einfach gut anfühlt. Daran ist das Masterkeyboard maßgeblich beteiligt. Selbst wenn die edelste Hardware zur Verfügung steht, gibt es einfach Unterschiede bei der Kommunikation mit der Software. Aus diesem Grund lässt sich das dynamische Verhalten von The Grand 3 flexibel auf die Bedürfnisse eines jeden Pianisten anpassen.

Die Control-Seite
Die Control-Seite

Auf der Control-Seite der Benutzeroberfläche lassen sich vorgefertigte Velocity-Curves auswählen und wie man in obigem Screenshot sieht auch eigene Kurven einzeichnen, bei Bedarf auch mit exotischeren Formen. Außerdem lässt sich hier die maximale Stimmenanzahl regeln. Sollte diese überschritten werden, kann man über den Parameter „Low Notes Reserved“ festlegen, dass eine Anzahl von tiefen Tönen bevorzugt wiedergegeben werden soll. Akkorde in der linken Hand bleiben in diesem Fall also liegen, während die Dropouts nur höhere Töne betreffen. So geht im Ernstfall zumindest nicht die Basis verloren.
Auch die Stimmung der Instrumente ist so flexibel wie sie nur sein kann. Es steht uns offen, den kompletten Flügel ein paar Hertz höher oder tiefer zu stimmen, aber wir können auch jede einzelne Taste nachstimmen. Damit hier die Detailarbeit nicht zu einnehmend wird, gibt es eine ganze Reihe vorgefertigter Stimmungen die man einfach anwählt und dann auch noch wie mit einem Dry/Wet-Regler anteilmäßig zugreifen lassen kann.

Piano Bildmontage
Piano Bildmontage
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