Praxis
Die Referenzspur
Viele – wenn nicht gar alle – Produktionen werden beim letzten Finishing mit anderen Produktionen verglichen. Sei es mit alten Folgen (bei Podcasts oder Videos) oder vergleichbaren Songs (bei Masteringprojekten). Damit diese A/B-Vergleiche die Unterschiede zwischen den Produktionen zu Tage fördern, ist es unerlässlich, dass das Umschalten augenblicklich erfolgt. Jede noch so kleine Umschaltverzögerung erschwert den Vergleich.
Und hier haben die Entwickler von Steinberg wirklich ganze Arbeit geleistet: Das Umschalten erfolgt ohne jede Verzögerung, Knacken oder sonstige Nebengeräusche. Standardmäßig initiiert man das Umschalten mit dem Tastaturkommando 1 gefolgt von N, so ist es zumindest voreingestellt. Das ist aus meiner Sicht nicht optimal, weil ich mich in dem Fall auf die Tastatur konzentrieren muss. Deshalb habe ich den Tastaturbefehl geändert auf #, um wie mit einem Mute-Switch schnell hin und her schalten zu können. Eine derart wichtige Funktion verdient einen „ein-Tasten-Kurzbefehl“.
Video Playback
Was soll ich mit der Video-Integration in einer Mastering-Software machen? Diese Frage könnte sich der eine oder andere WaveLab-Nutzer vielleicht stellen. Und zum Mastern einer Audio-CD ist diese Funktion auch nicht erforderlich. Aber in unserer Video-zentrierten Welt wird die Vertonung von Filmen oder die Bearbeitung des aufgenommenen O-Tons immer wichtiger. Insofern finde ich es konsequent, wenn WaveLab jetzt auch Videos wiedergeben kann. Das funktioniert nicht nur mit der Pro-Version, sondern auch mit Elements 10. Die kleinste Version LE 10 bietet diese Funktion nicht.
Um ein Video in eine Audio Montage zu importieren, sind die gleichen Schritte wie bei den anderen Spurtypen notwendig: Zunächst wird eine Videospur erstellt und dann der Inhalt per drag & drop oder per Menübefehl importiert. Sofern das Video eine Audiospur enthält, wird diese extrahiert und als Audiospur unter der Videospur erzeugt. Die Videospur zeigt Thumbnails an, die den Video-Inhalt grob anzeigen. Im Video-Bearbeitungsmodus verhält sich WaveLab genau so, wie man es von einer DAW gewohnt ist: Das Video klebt am Positionszeiger, so dass der Benutzer das Audio immer optimal platzieren kann. Für kleinere Vertonungen, bei denen es zum Beispiel nur O-Töne, ein Voiceover und ein bisschen Musik gibt, reichen die WaveLab-Möglichkeiten aus.
Undo/Redo-Verlauf in der Audio Montage und dem Audio Editor
Destruktive Bearbeitungsschritte an einer Audiodatei sind in vielen Programmen eine heikle Sache. Die normale Rückgängig-Funktion stellt zwar den Zustand vor der letzten Bearbeitung wieder her, vielleicht sogar für mehrere Schritte durch 16faches oder sogar 99faches Undo. Im Unterschied zu diesem einfachen Undo/Redo kann WaveLab nun auch einzelne Schritte innerhalb einer Bearbeitungskette separat rückgängig machen, ohne die nachfolgenden Operationen gleich mit zu eliminieren. Das ist sehr praktisch und kann bei jeder Nutzung von WaveLab hilfreich sein. Ich persönlich habe in meinem Alltag allerdings so gut wie nie Situationen, in denen mir ein ausgegucktes Undo/Redo aus der Patsche helfen würde.
Montage Inspektor
Den Begriff Inspektor kennen viele DAW-Anwender zum Beispiel aus Cubase oder Logic: Meist im oberen linken Bereich des Arrange-Fensters werden hier die Spur oder den Clip betreffende Einstellungen vorgenommen.
Ein solches Anzeigefeld gibt es jetzt auch für WaveLab Clips und Tracks unter dem Namen Montage Inspektor. Dahinter versteckt sich ein überarbeitetes Effektfenster, das nun im Handling und der Funktionalität der Master Section gleicht. Im Montage Inspector werden die Plug-Ins prozessiert und der Signalfluss festgelegt. Hier findet sich auch die Bypass-Funktion und die Möglichkeit, Effekt-Presets zu laden.
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Verbesserungen der Darstellung von Spuren in der Audio Montage
Mit WaveLab 10 zieht auch eine neue Formensprache für die verschiedenen Spurtypen ein, die jeweils ein neues Symbol, einen sogenannten Track Header bekommen haben. Über die Aussagekraft solcher Symbole lässt sich trefflich streiten, aber sie haben zumindest den Vorteil, dass sie sich im Laufe der Zeit einprägen und spätestens dann ihren Sinn erfüllen. Darüberhinaus ist auch die Spurhöhe für jede Spur individuell einstellbar und die Reihenfolge der Tracks kann per Drag & Drop auf den Track Header der zu verschiebenden Spur geändert werden.
Aus meiner Sicht sind diese Workflow-Verbesserungen nicht besonders zu würdigen, da sie seit langem Standard in jeder DAW sind. Gut, dass WaveLab jetzt nachgezogen hat und schlecht, dass diese Möglichkeiten nicht schon lange bestanden.
Neue Plug-Ins
WaveLab 10 Pro kommt mit drei neuen Plug-Ins: Frequency, ein achtbandiger EQ mit M/S-Unterstützung und einem Linear Phase Mode pro Band. REVelation ist ein algorithmischer Hall, der an Hallgeräte-Klassiker erinnern soll. Und Magneto 2 simuliert die Sättigung und Kompression der Aufnahmen alter Bandmaschinen. Alle drei erfüllen ihre Aufgaben sehr gut, sind aber nicht extra für WaveLab entwickelt worden. Sie stehen seit einiger Zeit auch Cubase- und Nuendo-Nutzern zur Verfügung.
Für Mastering-Profis: Verbesserter Support für externe Effekte
Viele Mastering-Studios schwören neben den Bearbeitungsmöglichkeiten mit Plug-Ins im Rechner auf ihre analoge Kette, mit der sie „ihren Sound“ machen. Diese analoge Kette in das digitale System zu integrieren, ist eine Herausforderung, der sich Steinberg mit WaveLab Pro 10 gestellt hat.
Analoge Geräte werden dabei über die Ein- und Ausgänge des Audio-Interfaces mit WaveLab Pro 10 als eigenständige Effekt-Busse verbunden. Bemerkenswert an dieser Technik ist, dass die analogen Geräte in der Effektkette beliebig angeordnet werden.Sie müssen nicht direkt aufeinander folgend angeordnet werden und ihre Position in der gesamten Effektkette kann jederzeit verändert werden. Das erlaubt dem Mastering-Engineer Freiheiten bei der Signalverarbeitung, die sonst nur mit externen Patchbays zu realisieren waren. Wenn die Signalkette so bequem zu verändern ist, probiert man das in der Praxis mal eben schnell aus. Anwender externer Hardware werden Steinberg für dieses Feature sehr dankbar sein.
Für Mastering-Profis: Einbindung externer Audio Editoren
WaveLab Pro 10 ist ein vielseitiges Werkzeug. Trotzdem gibt es Spezialbereiche der Audiobearbeitung wie das Restaurieren alter oder schlechter Aufnahmen, die mit anderen Programmen besser gelöst werden können. In WaveLab Pro 10 besteht deshalb die Möglichkeit, externe Audio Editoren wie iZotope RX oder SpectraLayers einzubinden. In den Voreinstellungen wird der Pfad zu dieser Anwendung festgelegt, per Auswahl im Bearbeiten-Fenster wird das Audio definiert, das an die externe Anwendung übergeben wird. Alle Bearbeitungen durch den externen Editor spiegeln sich automatisch in WaveLab Pro 10 wider. Dieses Vorgehen spart Zeit, da man die Datei nicht zuerst aus WaveLab exportieren, in die andere Applikation importieren und anschließend das gesicherte Ergebnis wieder in WaveLab importieren muss. Also Daumen hoch für diese Workflow-Verbesserung.
Für Podcaster und Video-Produzenten: Live Input Audio Stream Recording
Hinter diesem komplizierten Begriff steckt die Möglichkeit, Live Inputs mit den Effekten der Spuren und der Master Sektion direkt aufzunehmen, um ein erneutes Rendering/Bouncen der Spuren im Anschluss an die Aufnahme zu vermeiden.Wie in der Zwischenüberschrift angedeutet, kann ich mir vorstellen, dass besonders eilige Gemüter aus dem Podcast- und Video-Bereich sich so eine Funktion gewünscht haben. Andererseits bevorzuge ich unbearbeitete Aufnahmen, weil im Eifer des Gefechts der Live-Aufnahme EQs und Kompressoren vielleicht doch zu stark oder zu schwach eingestellt sind und die Aufnahme schlechter klingen lassen als nötig. Ich stelle EQs und Kompressoren deshalb nach der Aufnahme ein, checke kurz, ob die Einstellungen auch an besonders lauten und besonders leisen Stellen funktionieren und rendere das Ergebnis anschließend. Sofern keine externen Effekte in der Signalkette sind, erfolgt das Rendering in einem Bruchteil der Spielzeit. Trotzdem ist es zu begrüßen, dass WaveLab Pro jedem Nutzer die Wahl lässt, mit oder ohne Effekte aufzunehmen.
Kleinere Workflow-Verbesserungen
Die folgenden Änderungen bietet Wavelab Pro 10 außerdem:
- Mit WaveLab Pro 10 kommt auch sogenanntes Inline Editing in die Audio Montage. Damit ist es möglich, einzelne Abschnitte einer Audiodatei in einer Audio Montage sozusagen „non-destruktiv“ zu verarbeiten. In Wirklichkeit wird mit dem Edit ein neues Audiofile im Montage Data Ordner angelegt.
- Im Dateibrowser lässt sich nun eine Audiodatei ab einem beliebigen Startpunkt wiedergeben, indem man auf eine Stelle in der Wellenform am unteren Ende des Dateibrowsers klickt.
- Dank des verbesserten Audio Routings innerhalb von WaveLab sind auch die Dialoge in den betreffenden Voreinstellungen umfangreicher geworden. Je nach Komplexität des verwendeten Audio-Interfaces und den eigenen Bedürfnissen sind sehr komplexe I/O-Routings realisierbar.
- Ein kleiner grüner Balken neben der Positionsanzeige im Transportfeld zeigt die CPU-Belastung des Rechners durch WaveLab an.