Ihr habt von einer tollen Aufnahme nur noch einen Stereo-Export und keine einzelnen Spuren mehr? Der Mix klingt etwas unausgewogen, nun wollt ihr das Ganze noch ein bisschen aufwerten? Wir zeigen euch, wie ihr in dieser Situation noch das Beste aus eurer Aufnahme herausholen könnt.
Das ist wohl einigen von uns schon einmal passiert: Man hat einen Mono- oder Stereomitschnitt gemacht, aber leider klingt alles etwas matschig und man kann die Stimme oder einzelne Instrumente kaum auseinanderhalten. Schlimmstenfalls habt ihr einen nicht ganz optimalen Mix aus eurer DAW exportiert und plötzlich keinen Zugriff mehr auf die einzelnen Spuren. Doch so manche Mischung ist noch zu retten!
Im ersten Schritt solltet ihr die einzelnen Elemente eures fertigen Mixes extrahieren, damit diese wieder etwas getrennt voneinander bearbeitet werden können. Importiert dazu die gewünschte Datei in eure DAW oder euren Audioeditor. Habt ihr eine Stereodatei vorliegen, solltet ihr die zwei Kanäle getrennt auf eine jeweils eigene Spur laden. So könnt ihr später etwas flexibler auf die einzelnen Elemente und Passagen zugreifen. Liegt der fertige Mix in einem komprimierten Audioformat (z.B. MP3) vor, konvertiert diesen zunächst ins WAV-Format. Das ist ressourcenschonender für euren Rechner und kann unter Umständen Zeit und lästige Pufferprobleme ersparen. Viele DAWs fragen ohnehin beim Importiervorgang von komprimierten Audiodaten nach, ob eine Konvertierung vorgenommen werden soll. Zudem gibt es oft auch die Option, die Kanäle von Stereofiles direkt als getrennte Spuren zu laden.
Einzelspuren wieder herausbekommen
Da sich Instrumente und Stimmen auch durch unterschiedliche Klangfarben und somit Frequenzbereiche auszeichnen, kann man im ersten Schritt eine grobe Trennung mit dem Equalizer vornehmen. Als Startpunkt kopiert ihr das vorhandene Summensignal beispielsweise drei Mal und teilt diese Kopien auf einzelne, exakt zeitgleich verlaufende Spuren in eurer DAW auf. Achtet darauf, dass ihr die Lautstärke der zukünftigen Einzeltracks abzusenken müsst, damit nichts zu verzerren beginnt. Versucht nun euren Mix anhand von Frequenzbereichen in kleine Gruppen aufzuteilen. Dazu aktiviert ihr für jede Spur einen eigenen Equalizer, mit dem ihr jeweils nur Bass, Mitten und Höhen herausfiltert. Solltet ihr einen linearphasigen EQ (linear phase mode) zur Verfügung haben, macht davon Gebrauch. Verschafft euch mit den Ohren einen Überblick, welche Gruppen und Passagen ihr auf diesem Weg gut voneinander trennen könnt. Mit den einzelnen Gruppen könnt ihr nicht nur die klangliche Ausgewogenheit verbessern, sondern auch die erweiterte Kontrolle über einzelne Teile eures Mixes wiedererlangen.
Wo und wie ihr die jeweiligen Übergänge ansetzt, oder ob ihr sogar ganze Bereiche wegfiltert, kommt auf eurer Ausgangsmaterial an. Oft reicht es aus, den Mix mit leicht überlappenden Filterbereichen zu trennen. Typische Bereiche wären hierbei 0-400 Hz für den Tiefpass, jeweils einen Bandpassfilter für die Bereiche 400-2000 Hz sowie 2000-4000 Hz und einen Hochpass ab 4000 Hz. Es kann aber auch sinnvoll sein, jedes einzelne Element in dieser Art zu extrahieren und dafür eine jeweils eigene Spur anzufertigen. Peakfilter mit hohe Güte (Q-Wert) kann man gut dazu verwenden, Details aus einem Mix zu extrahieren. Natürlich spricht nichts dagegen, anstelle von Einzeltrack-Kopien mit Submixes, Automatisierungen oder Basis von Objekten zu arbeiten. Das kommt ganz auf euren Workflow an.
Wenn ihr euren Mix auf diese Weise wieder in einzelne Bestandteile zerlegt habt, könnt ihr diese beispielsweise auf neue Einzelspuren routen und sie wie gewohnt zu bearbeiten. Erlaubt ist alles, was eurem Mix hilft: Dynamiktools, Modulations- und Raumeffekte sowie Ampsimulation und EQs können bei leichtem Einsatz den vorhanden Klang noch verbessern. Mit Extremeinstellungen könnt ihr klanglich auch ganz andere Wege einschlagen bzw. einzelne Bestandteile besonders hervorheben oder zurückschrauben. Ähnlich wie beim Mixing solltet ihr versuchen, Raum für die einzelnen Gruppen oder Elemente zu schaffen. Dabei bieten Ambient- und Room-Settings aus dem Reverb-Plug-In eurer Wahl gute Startpunkte, um diese besser voneinander zu isolieren. So könnt ihr etwa eine Gruppe mit hohem Effektanteil von einer anderen mit weniger oder gar keinem Effekt voneinander trennen. Ähnlich hilfreich sind auch kurze Single-Delays oder Spurverzögerungen rund um etwa 20 Millisekunden. Achtet hier jedoch darauf, dass es zu unerwünschten Auslöschungseffekten (Phasing, Kammfiltereffekte) kommen kann.
Falls ihr einzelne Teile des Mixes, z.B. ein Solo, für bestimmte Abschnitte komplett ein- bzw. ausblenden wollt, kann es sein, dass sich durch Übersprechen der einzelnen Spuren das Klangbild auffällig ändern kann. Oft ist es besser, die entsprechenden Teile langsam und sanft abzusenken und dann wieder über einen längeren Zeitverlauf anzuheben. Ansonsten fliegen euch etwa die High-Hats, die vorher noch moderat den Takt angegeben haben, bei einer Solopassage plötzlich um die Ohren.
Mehr Klarheit mittels Stereopanning schaffen
Wenn euer Ausgangssignal nur als Monomix vorliegt, wird das Platzieren der Elemente im Stereopanorama dazu beitragen, euren Mix transparenter und druckvoller klingen zu lassen. Habt ihr bereits einen Stereomix vorliegen, könnt ihr diesen noch verfeinern und zudem besser eine Trennung der einzelnen Gruppen vornehmen. Die üblichen Faustregeln für das Stereopanning sollten sich bewähren und helfen eurem Mix, wieder ins Gleichgewicht zu finden: Bass und Kickdrum in die Mitte legen, Begleitinstrumente nach links bzw. rechts bringen und den Fokus auf Stimmen und Soloinstrumente durch mittige Platzierung erhöhen. Für den Bass- und Tiefmittenbereich sind etwa 400-500 Hz eine typische Grenze, unter welcher ihr eher in Mono bleiben solltet. Im darüberliegenden Bereich bis ca. 4-5 kHz solltet ihr es vermeiden, das Panorama für alle Gruppen allzu weit aufzumachen. Insbesondere, wenn hier wichtige Elemente wie Vocals und Snaredrum liegen, die tendenziell in der Mitte platziert werden sollten. Das gilt vor allem dann, wenn sie sich nicht allzu gut vom restlichen Mix trennen lassen. Härteres Panning und Stereoeffekte im höheren Frequenzbereich können den Mix wiederum transparenter machen und räumliche Tiefe erzeugen. Typischerweise können so etwa die Drum-Overheads oder Klangflächen aufgeweitet werden. Der Einsatz von Tools für die Panoramaaufweitung, z.B. ein Multiband-Stereo-Enhancer, kann euch einiges an Arbeit ersparen. Aber Vorsicht: Solche Effekte mögen im ersten Moment toll und wirksam klingen. Man sollte das Stereo-Enhancing aber eher moderat einsetzen und zwischendurch prüfen, ob der Mix beim Abhören in Mono nicht in sich zusammenfällt. Zudem kann ein zu starker Effekt insbesondere auf Kopfhörern zu einem merkwürdigen Hörerlebnis führen.
Ist euer Ausgangspunkt ein Stereomix, könnt ihr die Möglichkeit nutzen, das Mitten- und das Seitensignal getrennt voneinander zu bearbeiten (MS-Bearbeitung). Diese beim Mastering häufig eingesetzte Methode ermöglicht euch die Balance eines fertigen Mixes noch vielfältig zu beeinflussen. Einige DAWs bieten dazu die entsprechende Richtungseinstellung im Panningmenü für Stereospuren als Presets an. Wenn ihr wisst, wie ein Stereosignal zusammengesetzt wird, könnt ihr diese Bearbeitungsmethode ganz ohne Plug-ins bzw. Presets anwenden. Das Mittensignal M entsteht dadurch, das der linke Kanal L und der rechte Kanal R gleichzeitig abgespielt werden. Mit einfacher Mathematik ausgedrückt wäre das: M = L + R. Das Seitensignal S enthält all das, was ihr nicht exakt in der Mitte liegen habt. Dieses erhaltet ihr, indem ihr beim Abspielen beider Kanäle bei einem Kanal die Phase umkehrt. Das Invertieren der Polaritär („180°-Phasendrehung“) unterstützen so gut wie alle DAWs. Die Phasendrehung wird einfach durch ein Minuszeichen ausgedrückt, was für unser Seitensignal bedeutet: S = L – R. Wenn ihr dann nur die rechte oder linke Seite bearbeiten wollt, könnt ihr M und S mit entsprechender Phasenlage kombinieren: L = M + S bzw. R = M – S. Achtet darauf, dass ihr bei diesem Vorgang für L und R ein um 6 dB lauteres Signal erhaltet.
Dynamik zurückgewinnen oder einschränken
Bei weniger gelungenen Exporten oder Mitschnitten zeichnen sich dynamisch gesehen oft zwei Kategorien ab: Abgesägte Spitzen, die permanent kurz vor dem Clipping stehen (z.B. durch Auto-Gain) oder schwach ausgesteuerte Recordings mit gefühlten 30 dB Headroom – den einen oder andere kräftigen Schlag auf die Snaredrum natürlich ausgeschlossen. Generell bewegen wir uns im Rahmen dieses Kurz-Workshops eher auf dem Gebiet des Masterings. Auch der Eingriff in die Dynamik eines fertigen Mixes ist ein wesentlicher Bestandteil des Masteringprozesses und erfordert Equipment, Erfahrung und entsprechendes Wissen. An dieser Stelle werden hier nur ein paar Anhaltspunkte, die euch beim Optimieren des dynamischen Gesamtbildes eurer Aufnahme helfen könnt, genannt.
Ist der vorhandene Export schon stark komprimiert, kann man dem nur schwer entgegenwirken. Es gibt aber einen einfachen und effektiven Weg, um solch einer Aufnahme etwas mehr Lebendigkeit zu verleihen. Ist euer Stück in dynamisch aufregende und weniger aufregende Passagen unterteilbar (z.B. Strophe, Refrain), könnt ihr hier entsprechend eine leichte Anhebung bzw. Absenkung der Gruppen- oder Gesamtlautstärke vornehmen. Bei stark komprimiertem Material können 3 dB Unterschied schon äußerst störend wirken. Daher solltet ihr die Levels eher behutsam und in Form von Fade-Ins bzw. Fade-Outs anpassen.
Klingt euer Mix trotz Normalisierung insgesamt zu leise, liegt das in der Regel an hohen Pegelspitzen, die dem restlichen Klangmaterial wenig Chance geben, nach oben zu kommen. Wenn ihr ansonsten mit der Dynamik zufrieden seid, könnt ihr hier durch den Einsatz eines Limiters im Masterkanal die Spitzen etwas abdämpfen und so die Schwankungen relativ einfach ausgleichen. Dynamiktools wie der Limiter stehen euch in praktisch allen DAWs zur Verfügung. Fundamental ist hier die Einstellung eines Zielwertes (Threshold), ab welchem die Spitzen abgedämpft werden sollen. Hartes Limiting, also ein zu niedriger Zielwert, kann eurem Sound die Lebendigkeit nehmen. Werden die Spitzen zu wenig gedämpft, bleibt euer Mix unter Umständen zu leise.
Für dich ausgesucht
Der Multibandkompressor und Mulitband-Stereo-Enhancer als Retter im Schnellverfahren
Wenn ihr euer Ausgangsmaterial im Schnelldurchlauf noch etwas aufbessern wollt, steht euch dazu in vielen Audioprogrammen oder als Freeware-VST der sogenannte Multibandkompressor zur Verfügung. Dieses mächtige Tool könnt ihr die gewohnten Werkzeuge zur Dynamikbearbeitung mit unterschiedlichen Parametern für bestimmte Frequenzbereiche nutzen. So könnt ihr Teile des Mixes in flexibler Art betonen bzw. absenken, ohne alles in Einzelspuren zerlegen zu müssen. Klingt euer Mix staubig, schafft eine Anhebung bzw. Kompression im oberen Frequenzbereich effektivere Abhilfe, als der bloße Einsatz eines Equalizers. Ähnliches gilt für eine Aufnahme, der noch etwas Bauch und Druck fehlt. Verwendet ihr dieses Tool im Masterkanal, solltet ihr etwas vorsichtig sein, da ihr so immens in das Klangbild eingreifen könnt. Extremeinstellungen sind unter Umständen auch äußerst hilfreich, wenn ihr wie zuvor einzelne Teile eures Mixes extrahieren wollt.
So etwas wie das Pendant des Multibandkompressors im Bereich der Panoramagestaltung wäre der Multiband-Stereo-Enhancer, welcher für bestimmte Frequenzbereiche ein einstellbares Panning vornimmt. Die Kombination dieser zwei Tools ermöglicht euch einen Teil der zuvor beschriebenen Verbesserungsmaßnahmen im Schnellverfahren abzuwickeln.
Natürlich könnt mit diesen Tipps keine Aufnahmen oder Mixes retten, die komplett in die Hose gegangen sind. Es kann aber hilfreich sein, wenn ihr den Mix von Material ohne Multitracks etwas aufbessern möchtet.