Für viele gehört Stevie Ray Vaughan zu den größten Bluesgitarristen, die jemals gelebt haben. Neben der Tatsache, dass er den Blues auf seine ganz eigene Art gleichzeitig virtuos und aggressiv interpretierte, verhalf er der Stilrichtung zu einer Massenbeliebtheit und Renaissance in den 80er Jahren, einer Dekade, die im Gegensatz zu den 60ern und 70ern nicht besonders reich an Blues-beeinflussten Künstlern war.
Um so tragischer, dass uns diese Lichtgestalt des Blues nicht einmal ein volles Jahrzehnt Schaffenszeit schenken sollte, aber doch jede Menge wundervolles und inspirierendes Material hinterlassen hat, an dem wir Gitarristen uns erfreuen können. Ladies and Gentlemen! From Austin, Texas: Stevie Ray Vaughan!!!
Stevie Ray Vaughan Biografie
Stephen Ray Vaughan wurde am 3. Oktober 1954 in Dallas, Texas geboren. Motiviert von seinem drei Jahre älteren Bruder Jimmy Vaughan griff der kleine Stevie 1963 selbst zur Gitarre, einer Gibson ES 125 T, und als die Familie 1972 nach Austin umzog, machten sich die beiden Vaughan-Brüder bald einen Namen in der lokalen Country- und Bluesszene. Stevies musikalische Einflüsse waren schon früh sehr breit gefächert. So bezeichnete er die Bluesgitarristen Otis Rush, Muddy Waters und natürlich die “three kings”, Albert, B.B. und Freddy King, Rockgitarristen wie Jimi Hendrix und Lonnie Mack, aber auch Jazzgitarristen wie Kenny Burell und Django Reinhardt als seine Idole.
SRV & Double Trouble
Als Stevies schulische Leistungen immer mehr nachließen und er seinen Job an einem Hamburger-Stand aufgab, – der Legende nach, nachdem er in einen Bottich Frittierfett gefallen war – beschloss er, sich ausschließlich auf seine Musikkarriere zu fokussieren und spielte fortan in wechselnden Formationen. Aus seiner Band “Triple Threat Revue” erwuchs schließlich 1978 die Formation “Double Trouble”, benannt nach einem Otis-Rush-Song, zu der später noch der Bassist Tommy Shannon stieß und mit dem Drummer Chris Layton das Lineup vervollständigte. In dieser Zeit lernte er auch seine zukünftige Frau Lenora “Lenny” Bailey kennen, die sowohl hinsichtlich eines Songs als auch einer bestimmten Gitarre noch eine Rolle spielen sollte.
Das Montreux Jazz Festival als Durchbruch
Auch wenn Double Trouble lokal eine angesagte Formation war, blieb der nationale, geschweige denn internationale Erfolg noch aus. Das sollte sich jedoch schlagartig ändern, als der Produzent Jerry Wexler die Band auf das Montreux Jazz Festival schleusen konnte. Double Trouble war sofort in aller Munde und Jackson Browne bot den Newcomern sein Studio für ihre erste Platte an. Als die Band am Aufnehmen war, läutete das Telefon und niemand geringerer als David Bowie wollte Stevie Ray Vaughan auf der Platte “Let’s Dance” (produziert von Nile Rodgers von Chic) haben, die als seine erfolgreichste in die Geschichte eingehen sollte. Die anstehende Tour mit Stevie kam jedoch aus diversen Gründen nicht zustande und so konnte sich Vaughan beruhigt seiner Solokarriere widmen. 1983 erschien das Debüt “Texas Flood”, das auf Platz 38 in die Charts stieg und über eine halbe Millionen mal verkauft wurde. Knapp ein Jahr später produzierte er bereits das Nachfolgealbum “Couldn’t stand the weather” im Power Station Studio von John Hammond.
“Couldn’t stand the weather” und gesundheitliche Probleme
Das zweite Album sollte noch erfolgreicher werden als das Debüt und hatte, wie bereits “Texas Flood”, einige sehr interessante Coverversionen zu bieten, wobei vor allem die Vaughan-Interpretation von Hendrix` “Voodoo Chile” hervorsticht. Im Laufe der nächsten Jahre machte sich Vaughans Alkohol- und Drogenkonsum immer stärker bemerkbar, ein Erbe seiner familiären Verhältnisse, denn nach Stevies Aussage war er durch seinen Vater häufig mit körperlicher Gewalt und Alkoholmissbrauch konfrontiert. So war das dritte Album “Soul to Soul” auch stark von Vaughans Frustration über seinen Inspirationsmangel geprägt, und auch wenn sich das Album gut verkaufte, fielen die Kritiken gemischt aus. Das darauf folgende Livealbum “Live Alive” und die damit verbundene Tour 1986 markieren sicherlich Stevies gesundheitlichen Tiefpunkt. So musste er nach einem Zusammenbruch alle Konzerte absagen, sich in eine Rehaklinik einweisen lassen und zu allem Überfluss kam es zur Trennung von seiner Frau Lenny.
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“In Step” als Neustart und früher Tod
Tatsächlich hatte die Geschichte ein zwischenzeitliches Happy End, denn das nach eigener Aussage “erste nüchtern aufgenommene” Album “In Step” aus dem Jahre 1989 sollte nicht nur Stevies erfolgreichste Platte, sondern sogar mit dem Grammy gekrönt werden. Dabei sind Titel wie “In Step” sowie einige Songtexte eine Anspielung auf seine Suchtüberwindung. Im Jahre 1990 nahm Vaughan mit seinem Bruder Jimmy das Album “Family Style” auf, doch die Veröffentlichung sollte Stevie Ray Vaughan nicht mehr erleben, denn nach seinem Auftritt im Alpine Valley Music Theater am 26.8.1990 stürzte Vaughans Helikopter kurz nach dem Start aufgrund von dichtem Nebel ab. Alle Insassen waren sofort tot und die Welt hatte einen der größten Bluesgitarristen aller Zeiten verloren. Sein Bruder Jimmy veröffentlichte allerdings posthum das Album mit dem verheißungsvollen Titel “The sky is crying”. Hier findet man diverse unveröffentlichte Aufnahmen und Studio-Outtakes. Das Album landete prompt auf Platz 10 der Charts und bekam Platin.
Das Equipment von Stevie Ray Vaughan
An Gitarren assoziiert man mit Vaughan sicherlich die Fender Stratocaster, und davon hatte der gute Steve so einige. Am bekanntesten ist die abgenutzte Sunburst “Number One” (auch als “First Wife” bekannt), ein 1963er Body mit einem 62er Rosewood Hals und 59er Pickups (weshalb Stevie glaubte, es wäre eine 59er Strat). Das Tremolo wurde durch ein Linkshändermodell ersetzt. “Number One” ist übrigens auch die Basis für das auch heute noch erhältliche Stevie Ray Vaughan Modell von Fender, das jedoch einige Unterschiede zu seiner Hauptgitarre aufweist.
Weitere Stratmodelle sind “Lenny” (eine Ahornhals-Strat, die ihm von seiner Frau geschenkt wurde, weil Stevie sich diese Gitarre aus Geldgründen nicht leisten konnte), die 1959er “Yellow”, eine 62er “Red”, eine 61er “Scotch”, eine Hamiltone Lurktamer Strat, genannt “The Main”, und eine 1983 Charly Wirz mit Danelectro Lipstick-Pickups, genannt “Charley”. Andere Gitarrentypen sind Fender Tele, Gibson ES 335, Johnny Smith und Les Paul, eine Epiphone Rivera und eine 1958er Rickenbacker. An Akustikmodellen finden wir eine Guild JF6512 12string und eine 1928 National Steel Guitar.
SRV’s Amps
Die Amps bestehen bei Vaughan primär aus Fender und Marshall Modellen. Von Fender kam der 64er Vibroverb mit 15″ Speaker, ein Super Reverb mit 10″ EV Speakern, ein 62er Twin Reverb und Fender Bassman zum Einsatz, dazu ein Fender Vibratone für den Rotary/Leslie Effekt z.B. bei “Cold Shot”. Von Marshall benutze Vaughan in den Anfängen einen 4140 Club and Country mit zwei Celestion G12-80 Speakern, wohingegen bei den Aufnahmen zu “In Step” auch ein 800er und ein Marshall 200W Major zum Einsatz kam. 1984 war auch ein Dumble Steel String Singer im Portfolio, vom dem sich Stevie 1986 ein zweites Modell gönnte. Abgesehen davon war auch Mike Soldano im Gespräch bzgl. eines Custom SLO100 Modell. Ein Prototyp existiert zwar, aber durch Stevies frühen Tod kam es nicht zur vollständigen Realisierung.
Stevie Ray Vaughan und der Tubescreamer
Effekte waren bei Vaughan sehr sporadisch. Ganz typisch ist sicherlich der Ibanez Tubescreamer, den er in allen Ausführungen benutzte und der oben erwähnte Rotary-Sound. Ein V846 Wah Modell von Vox war ebenso mit von der Partie wie das Dallas Arbiter Fuzzface, das Tycobrahe Octavia und ein Roland Dimension D (nachträglich im Mix auf einigen Songs von “Texas Flood”). Stevie ist auch bekannt für seine Pedalexperimente, beispielsweise zwei Wahs oder zwei Tubescreamer in Serie zu schalten (das Visual Sound “Double Trouble”-Pedal z.B. verfügt über zwei serielle Tubescreamer, daher auch der Name). An Saiten verwendete Stevie übrigens richtig harte Sätze, u.a. 013-058, allerdings in Eb-Tuning.
Der Ibanez Tubescreamer gilt als einer der kultigsten und meistkopierten Verzerrer überhaupt. Und eine Menge Gründe zeigen, warum man ihn dafür lieben darf.
Der Stevie Ray Vaughan-Workshop
Für den Workshop sollte jedoch ein cleaner Amp mit ein wenig angekitzeltem Gain und eine Strat-ähnliche Gitarre mit einem Hals-Singlecoil und evtl. einem Tremolo ausreichen. Vaughan stimmte, wie erwähnt, seine Gitarre einen Halbton tiefer auf Eb, der Einfachheit halber sind alle Beispiele des Workshops allerdings im Standard-Tuning.
“Pride and Joy”
Auf dem Debütalbum “Texas Flood” finden wir mit “Pride and Joy” gleich einen klassischen Bluessong mit Bluesintro. Steve scheint hier eine Vorliebe für den schlürfenden Sound der Offbeats auf den leeren Saiten gehabt zu haben, da es eine ähnliche Begleitung auch bei “I’m crying” und natürlich “Cold Shot” gibt. Nehmt die Leersaiten in den Tabs nicht zu wörtlich, sondern schlagt beim Upstroke einfach über die halb gedämpften hohen Saiten mit an:
“Texas Flood”
Im Titelsong “Texas Flood”, der 1958 erstmals von Larry Davis releast wurde, spielt Stevie gleich ein schönes Akkordintro mit Nonen- und Tredezimenakkorden – keine Angst, der Rest wird im Solospiel weiter unten noch vorgestellt:
“Mary had a little lamb”
“Mary had a little lamb” ist ebenfalls eine Interpretation des Bluesgitarristen Buddy Guy (ursprünglich zu finden auf der Platte “A man and the Blues” aus dem Jahre 1968) die Stevie auch relativ ähnlich übernommen hat.
“Testify”
“Testify” ist ursprünglich eine Komposition der “Isley Brothers” mit dem damals noch relativ unbekannten Jimi Hendrix an der Gitarre – die Akkorde (E7#9!) und die Chromatik lässt die Hommage auch gut erkennen:
“Lenny”
Seiner damaligen Frau “Lenny” widmete Stevie Ray das gleichnamige Instrumental. Anekdoten zufolge komponierte Vaughan das Stück, nachdem Lenny ihm eine rote Strat auf der häuslichen Bettkante überreicht hatte (siehe auch “Tech Talk”). Benutzt den Tremoloarm, um die Akkorde etwas zu formen:
“Couldn’t stand the weather”
Auf dem Nachfolgealbum “Couldn’t stand the weather” haben wir im Titelsong ein schönes Singlenote-Riff, das in eine ziemlich funkige Akkordbegleitung wechselt. Hier seht ihr die gedoppelte Bassline; achtet auf den eingeschobenen 6/4 Takt!
und hier das Funkriff:
“Scuttle Buttin“
Der Opener des Albums ist jedoch “Scuttle Buttin”, eine wilde Uptempo-Bluesnummer mit einem markanten Leersaitenlick, das die meisten Bluesanhänger wohl kennen dürften. Häufig sieht man das Hauptlick mit Bendings gespielt. Wenn wir den diversen Livevideos von Stevie jedoch Glauben schenken dürfen, so setzt er ausschließlich Slides auf der g- und b-Saite ein.
“Cold Shot”
In “Cold Shot” kommt der Rotary-Effekt zum Einsatz. Spielt die Ghostnotes auf den Upstrokes wieder schön “schlurfend”:
“Tightrope”
Das Album “In Step” wurde im Jahre 1990 sogar mit einem Grammy für das “Best Contemporary Bluesalbum” gekrönt und die Singleauskopplung “Crossfire” konnte Platz 1 der Mainstream-Rockcharts belegen.
Auf dem Song “Tightrope” vom gleichen Album kommt erneut der Rotary-Effekt zum Einsatz. SRV emanzipiert sich songwriterisch zunehmend von der Standard 12 Bar Bluesform und fügt Soul, Blues und zeitgenössischen Rock zu seiner eigenen Mischung zusammen. Hier das Riff von “Tightrope”:
Typische Soloelemente von SRV
Ganz charakteristisch für Stevie ist natürlich die sehr aggressive und harte Spielweise bei Uptempo oder Shuffles, aber natürlich auch eine sehr dynamische, gefühlvolle Spielweise bei Balladen. Steves Vibrato und seine Spielintensität sind schwer in Tabulatur zu bannen, dennoch gibt es ein paar „Trademarks”, die man bei ihm herausfiltern kann. Sehr häufig verwendet Stevie Blueslicks, die er mit der b9 auf der hohen E-Saite anreichert, also eigentlich ein Ton, der in der Bluesscale nichts zu suchen hat. Wie z.B. hier im Intro Solo von „Texas Flood“:
Oder auch hier im Solo von “Dirty Pool”:
Häufig wird auch die große None in das Lick eingebettet, zu sehen hier im Solo von “Say what” von der Platte “Soul to soul”. Hier hören wir auch Stevies Einsatz des Wah-Pedals:
Steve verwendet auch gerne Repeating-Licks, auf denen er die Blue Note mit dem Ringfinger “reinholt” und zurückslidet.
Oder wie auch hier in “Couldn´t stand the weather” den Grundton b auf dem 12. Bund der b-Saite:
Ein charakteristischer “Vaughan-Bend” ist in der Mollpentatonik ein Bending ab der großen Terz und nicht, wie sonst häufig üblich, ab der kleinen Terz in die Quarte, wie z.B. im Solo von “The sky is crying”:
Das Gleiche passiert in “Texas Flood”. Das Stück ist ein Blues in G und Stevie bendet das b in das c:
Hendrix- und Blues-Double-Stops finden wir natürlich ebenfalls zuhauf in Vaughans Spiel.
“Lenny” ist ein Paradebeispiel für klassische Hendrixfills a la “The wind cries mary” oder “Little Wing”. Hier eine Phrase, die astrein über einem E-Dur-Akkord, der sich in einen A-Dur-Akkord auflöst, funktioniert:
Eher bluesig wird es hier mit einer Phrase aus “Scuttle Buttin'”. Dieser Lick funktioniert gut über E-Dur und kann auch als Intro oder Outrolick verwendet werden. Beachtet gut das Bending von der kleinen Terz g aufs g#:
Oder auch hier in “The House is a rockin'”, ein Lick, das hervorragend über einen C7 funktioniert und auch gerne als “Begleitlick” über jede Stufe der Bluesakkorde eingesetzt werden darf:
Zum Abschluss möchte ich euch noch das komplette Introsolo von “Texas Flood” präsentieren, in dem viele Vaughan-Manierismen vorkommen:
So, ich hoffe, die Fingerkuppen eurer Greifhand haben diese Saitenschwerstarbeit überlebt, aber den Sound von Stevie Ray Vaughan bekommt man leider nur unter Verwendung von etwas Kraft bewerkstelligt. Was ihr bei Stevie Ray Vaughan sehr gut erkennen könnt, ist, wie man mit ganz wenigen Noten und ganz wenigen Phrasen eine ungeheure Abwechslung und Intensität kreieren kann. Vieles in seinem Sound lebt von der “Attitude”, mit der es gespielt wurde, oder wie Scott Henderson schon sagte: “It´s not what you play – it´s how you play it”.
In diesem Sinne wünsche ich euch ein gutes Gelingen!
Janmann sagt:
#1 - 25.07.2016 um 10:39 Uhr
Zu den Saiten sei gesagt, dass Vaughan nicht einfach 013-058 verwendete, sondern die Saiten-Sets zusammengestellt wurden. insbesondere die b- und g-Saiten waren im Vergleich zu den anderen etwas dünner, um besser benden zu können. (Ich meine 016 und 019).
Während die Saitenstärke sicherlich auch ein Aspekt von SRV's Mörder-Sound ist, muss auch gesagt sein, dass es niemandem etwas bringt, sich an dieser Front zu überfordern. Wie schwer Saitenstärke bzgl. Bespielbarkeit ins Gewicht fällt hängt noch von Halsradius (7,5" und 12" sind zwei Welten), Tremoloeinstellung und Saitenlage ab. Und hier sollte jeder die Saitenstärke so wählen, wie sie gut für Bendings geeignet ist.
Ich beispielsweise konnte auf meiner 60s Strat mit 12" Radius mit 10er Saiten ums verrecken keinen guten Sound herauslocken, da die Saiten einfach auf dem Hals zu "weich" bespielbar waren und ich auf der Strat das Gefühl haben muss, wirklich zu arbeiten. Mit einem 012-058 Satz (g-Saite 024) in E oder Eb bin ich dann glücklich geworden. Den mächtigen Stevie-Sound bekomme ich aber trotzdem nur näherungsweise hin, wenn überhaupt.
Hendrix hat 009-042 gespielt und hatte einen absoluten Mördersound. War also auch keine Frage der Saitenstärke.Viel wichtiger für den Sound sind meiner Meinung nach der Super Reverb, der Dumble Steel String Singer, die 12" EV 12L Cabs und die Tubescreamer.
PH sagt:
#2 - 04.01.2017 um 10:38 Uhr
MEGA!!
Maik sagt:
#3 - 07.02.2024 um 10:23 Uhr
Was soll man sagen? 10 Sterne und noch mehr. Super geiler Workshop.