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STFJ SynthPond Test

Praxis

Der Spielzeugfaktor ist schon einmal sehr groß. Es kann ohne jegliche Vorbildung wirklich jeder sofort mit ein paar Berührungen des Bildschirms Klanglandschaften zaubern und diese verändern. Ich finde sogar, dass es vom didaktischen Gesichtspunkt her höchst interessant ist, Musik einmal mit der Zeit, ohne die sie bekanntlich nicht existieren kann, auf diese Art und Weise in Verbindung zu bringen. Es ist ja immer so, dass Technik und Kreativität sich gegenseitig befruchten – hier hat sich ganz offensichtlich der Programmierer Zach Gage (seines Zeichens ausnahmsweise mal kein Musiker) den großen Pott mit dem Blütenstaub vom Regal geholt. SynthPond ist nicht mehr ganz neu, aber fast jeder Musiker, dem ich diese App gezeigt habe, hat mit der gleichen Begeisterung auf dieses frische, spielerische Konzept reagiert. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Es waren übrigens nicht die klassischen Musiker, die die App als “dummes Zeug” abgetan haben. Aus dem auch bei mir zu Beginn überwiegenden infantilen Herumgedrücke ist nach einiger Zeit ein tieferes Verständnis für SynthPonds Herangehensweise entstanden. Hat man das Konzept einmal verinnerlicht, kann man mit der App schnell und sicher arbeiten. “Hey Timothy Leary, wer braucht schon LSD, um sich in einer Welt zu befinden, die aus bunt pulsierenden Kreisen und Kästen besteht, die ätherische Töne von sich geben?” Außerdem ist SynthPond nachgewiesenermaßen besser für die zukünftige Lebensgestaltung als synthetische Drogen.

Fotostrecke: 5 Bilder Gleicher Abstand von Afflecter zu den Reactors: So programmiert man einen suimultanen Dreiklang.

Die App ist wirklich abgefahren, der Umgang mit dem unüblichen Konzept lässt sich leicht erlernen. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass man es schon bei nur wenigen Nodes mit sehr komplexen Zusammenhängen zu tun hat und daher zielgerichtetes Arbeiten fast unmöglich ist. Dennoch lassen sich Soundscapes erstellen, die einem gewissen harmonischen Schema folgen. So ist es vor allem zu Beginn keine schlechte Idee, nur Farben (= Tonhöhen) eines bestimmten Akkordes zu wählen, also etwa C-Es-G-B. Mit den Sequenzen lässt sich sogar einstellen, dass nach ein paar Durchläufen alles auf A-C-E-G oder dergleichen springt. Anstrengend ist dabei jedoch, dass nur ein einziger zusätzlicher Trigger die Reihenfolge durcheinander bringen kann, denn globale Sequenzen sind leider nicht einstellbar. Rhythmisch nicht in Chaos und Belanglosigkeit zu versinken, ist ebenfalls mit ein paar Vorsichtsmaßnahmen möglich. Zu diesem Zweck sollte man mit räumlich gleichen Abständen der Nodes beginnen, wobei die konzentrischen Kreise auf der zweidimensionalen Spielfläche eine gute Hilfestellung bieten. Sobald man mit Orbits oder unterschiedlich schnell aussendenden Afflecter- und Reactor-Nodes arbeitet, erhält man Patterns, die über nachvollziehbare Polyrhythmik weit hinausgehen. Ihr merkt, ich versuche das Wort “Chaos” zu vermeiden. Für etwas gemäßigtere Ergebnisse, die sich attraktiver in Songs einbinden ließen, wünsche ich mir ein wie auch immer geartetes Timing-Raster. Auch die Möglichkeit, unterschiedliche Settings umschalten zu können, wäre sehr angenehm; gerne auch mit der Fähigkeit zum Editieren eines momentan nicht aktiven Sets, in das dann geschaltet (oder noch besser: gemorpht) werden kann. Wo ich gerade meine Wünsche ausbreite: Im Live-Betrieb ist es schon anstrengend, dass eine erstellte Node sofort aktiv ist und schon fröhlich mitdudelt, bevor man die Chance hat, sie zu konfigurieren. Selbst die Wahl, ob Afflecter oder Reactor, erfolgt nachträglich! “Mute” ist zwar eine sehr simple Funktion, doch wird ihr selbst an den fetten Analogmischpulten immer ein prominenter Platz zugestanden – warum wohl? Also: Ich will eine “Mute when set”-Option! Zum wirklichen Zusammenspiel mit anderen Systemen sollte überdies noch die Synchronisation des Tempos möglich sein. Mir ist klar, dass die Abarbeitung dieser Anliegen die App komplexer machen würde, doch hätte sie damit die wirkliche Chance zu einer großen Verbreitung – selbst, wenn sie dann vielleicht über fünf Euro kosten würde.

Audio Samples
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Dreiklang Dreiklang + Orbiter Colour Sequence Multi-Orbit Chaos Parameter-Variation 1D, 3D und 4D

Ein guter Schritt in diese Richtung ist der OSC-Support, denn mit klaren Worten gesprochen: Dieser gesichtslose Sound langweilt nach einer Zeit enorm. Was man auch programmiert, es klingt doch irgendwie alles gleich, zumal nichts charakterloseres gibt als Sinus-Gedudel. Mit OSC an MaxDSP gehängt, steht einem die ganze Welt an Sounds zur Verfügung. Die offene Plattform Cycling 74 ist ja schließlich nicht gerade für begrenzte Möglichkeiten bekannt. Eine höhere Variationsmöglichkeit innerhalb der App und eine Rendering-Funktion hätten jedoch einen sehr hohen Praxisnutzen bei der ausschließlichen Arbeit auf dem iPhone. Vielleicht noch zwei weitere nicht so erfreuliche Nachrichten: SynthPonds Pause-Button friert zwar pflichtbewusst sämtliche Wellen ein, unterbindet aber manchmal nicht zuverlässig die Soundausgabe. Bei mir wurde das Überprüfen von Mails, das Lesen von Kurznachrichten oder die Recherche mit Safari mit SynthPond im Hintergrund gerne einmal von einem leisen “Mööööö…” der Klangerzeuger begleitet (nerv!). Es ist zwar erstaunlich, welch komplexe Abhängigkeiten von Nodes so ein iPhone-Prozessor in Klänge verwandeln kann, doch wenn er beginnt, sich an seinen Aufgaben zu verschlucken, wird man auf äußerst rüde Art darüber in Kenntnis gesetzt: Man sieht auf einmal wieder die Standard-Bedienoberfläche des iOS. Klare Sache: SynthPond hat sich mit einem Absturz verabschiedet, wie er im Lehrbuch steht. Trotz aller Hürden muss ich konstatieren: SynthPond ist einfach klasse!

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