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Stimmkrise – Was tun?

Da hat man jahrelang seine Stimme aufgebaut, gepflegt, entwickelt und konnte sich endlich blind darauf verlassen. Schließlich ist sie das Instrument, mit dem man nicht nur sein Geld verdient, sondern sich emotional ausdrücken kann – wenn sie denn gut funktioniert. Doch ist die Stimme auch ein sehr sensibles Organ und Stress, Kummer und andere Probleme können zu Heiserkeit, geschwollenen Stimmlippen oder dem Verlust von Flexibilität führen. Dann bekommt man sehr schnell das Gefühl, dass man nicht mehr komplett ist; etwas fehlt. Ohne tadellos funktionierende Stimme kann man sich nicht mehr spontan ausdrücken, weder beim Sprechen noch beim Singen.

(Bild © Shutterstock, Foto von ToskanaINC)
(Bild © Shutterstock, Foto von ToskanaINC)

Wer in einer Stimmkrise steckt, fühlt sich oft machtlos. Man weiß nicht, wo man anfangen soll, nach der Ursache zu suchen. Ist die letzte Erkältung der Auslöser? Oder waren es die letzten zehn Gigs, die wegen des schlechten Sounds und der miserablen Rahmenbedingungen der Konzerte echt hart waren?

Wenn die Stimme auf einmal weg ist, kann es auch daran liegen, dass Stress die Seele belastet. Man sollte sich auf jeden Fall die Frage stellen, welchen Kummer man in der letzten Zeit regelrecht versucht hat herunterzuschlucken. Unausgesprochene Konflikte mit Bandmitgliedern, Produzenten, Agenturen, Plattenfirma können eine große Rolle spielen. Oder sind es Existenzängste: Ganz grundlegende Ängste oder Unsicherheiten, die die Zukunft betreffen?
Was auch immer der Grund dahinter ist, seelische Probleme lösen häufig physische Probleme aus. Und wenn man ein besonders sensibles Organ oder eine empfindliche Stelle im Körper hat, dann meldet die sich zu allererst. Bei manchen ist es der Magen, bei anderen sind es die Halswirbel und bei wiederum anderen ist es die Stimme.
Ich selbst habe es erlebt, dass ich nach einem heftigen Streit mit meinem Partner eine schlimme Halsentzündung bekommen habe. Darauf hin sagte mir eine Freundin: “Ja ist doch klar, wenn du immer so einen Hals hast”. In der Tat war mir bei dem Streit regelrecht “der Kragen geplatzt”. Wenn man dann auch noch alles herunterschluckt, um weiterhin im Alltag zu funktionieren dann bahnt sich der Ärger seinen Weg durch den Körper. In meinem Fall war es genau da, wo ich “zugeschnürt” hatte: im Hals.

Die kurzfristige Lösung, die schnell auf die Beine hilft

Stimmprobleme tauchen üblicherweise nicht gerade dann auf, wenn man nichts zu tun hat. Ganz im Gegenteil! Die Tour oder das Konzert steht an und es gibt keine Chance sich krankschreiben zu lassen. Die Stimme ist aber heiser und du hast das Gefühl, es geht gar nichts mehr. Was tun?

Ganz klar: Ab zum Hals-Nasen-Ohrenarzt und um ein Mittel bitten, das die Stimmlippen abschwellen lässt! Meistens ist es Kortison. Nicht schön, aber notwendig.
Solange das nicht ständig vorkommt, ist es die einfachste Lösung und die hat schon so manchen Sänger kurzfristig fit für die Bühne gemacht.
Achtung: Medikamente sind keine Dauerlösung. Man sollte sich keinesfalls abhängig von ihnen machen. Das hält die Stimme und der Körper nicht lange aus!
Anschließend ist natürlich absolute Ruhe für die Stimme angesagt, denn das hilft ihr am besten wieder fit zu werden. Die Stimmlippen brauchen einfach Zeit und Ruhe, um sich wieder vollkommen zu erholen.
 Wer Schlimmeres verhindern will, der sollte sich diese Zeit des Schweigens und des Schlafes gönnen. Abwarten und Tee trinken ist hier tatsächlich die Devise.
Falls die Probleme jedoch länger andauern, sollte man noch mal einen Stimmtechnik-Check machen. Mit der Zeit schleichen sich Nachlässigkeiten beim Singen ein. Gerade auf dem Gebiet der Unterhaltungsmusik kann es passieren, dass durch die oft anstrengenden Umstände bei den Gigs die bewusste Kontrolle über das Instrument Stimme abhandenkommt. Meistens fehlt dann die Kraft im Körper, die notwendige Muskelspannung aufrechtzuhalten. Mitunter kommen dazu noch verkrampfte Körperbereiche, die letztlich dazu führen, dass das Singen immer anstrengender wird, weil man gegen Verkrampfungen ankämpft und die Müdigkeit der Muskeln, die arbeiten sollten, mit der Anspannung falscher Muskeln kompensiert. Welch ein Teufelskreis! Kein Wunder, dass der “Druck” am Ende auf den Stimmlippen landet.
Liegt die Ursache in psychologischen Problemen, muss man anders rangehen. Hier wäre eine offene Kommunikation der erste Schritt: Rede mit jemandem! Es hilft festzustellen, dass man damit nicht allein ist.
Langfristig ist eine Psychotherapie eine gute Unterstützung. Aber auch ein Coaching kann wieder Ordnung in den eigenen Lebensplan bringen.
Man sollte als Künstler alle paar Jahre einen Scan von sich und seinem Leben machen, eine Art Zwischenfazit ziehen.
Denke ganz bewusst über dein Leben nach und stelle dir die entsprechenden Fragen: Ist es noch das, was ich will? Habe ich meine Ziele erreicht? Oder bin ich zumindest auf einem guten Weg? Die Jahre ziehen so schnell vorüber, dass man gar nicht merkt, wenn man vom eigentlichen Weg abkommt.

Langfristige Lösungen, um die Stimme zu reparieren

Ganz egal, was die Gründe für eine Stimmkrise sind: Wenn sich Probleme auf die Stimme legen, dann liegen hier Muskelverspannungen zugrunde.
Um muskuläre Spannungen wieder in Balance zu bringen, gibt es diverse Bewegungs- und Therapieformen, die Körper und Geist entspannen bzw. in ein gutes Spannungsverhältnis zurückbringen.
Das Ziel sollte sein, dass alle an der Stimme beteiligten Funktionen wieder in ein harmonisches Zusammenspiel zurückgeführt werden. Folgende Maßnahmen können dazu beitragen, dass ein Spannungsausgleich von Atemdruck, Stimmbandtätigkeit und Artikulation herbeigeführt wird.

Die folgenden Praktiken können deiner Stimme helfen:

  • Stimm- und Sprachtherapie / Logopädie
  • Stimm-, Sprech- und Atemtherapie nach Schlaffhorst und Andersen
  • Atemlehre nach Ilse Middendorf
  • Yoga
  • Tai Chi
  • Qi Gong
  • Physiotherapie
  • Osteopathie
  • Feldenkrais
  • Alexander Technik

Es gibt mittlerweile Unmengen an neuen Therapieformen, die ganzheitlich ansetzen und diverse Methoden integrieren. Es lohnt sich, sich im Internet danach umzuschauen.

Was macht man, wenn die Stimme während eines Konzertes versagt?

Da lässt sich nicht viel machen, irgendwie muss man da durch. Bei Unterhaltungsgigs, bei denen das Repertoire nicht veränderbar ist und vor allem das Publikum angeheizt werden soll, ist es in der Tat sehr schwierig. Aber selbst da sollte man als Sänger klug handeln und nicht mit voller Wucht gegen die Stimmblockade ansingen.
Nimm dich lieber etwas zurück und bleib ganz bei dir. Nimm das Mikro dicht an den Mund und bitte den Techniker, dich noch etwas lauter zu drehen.
Auch mit Stimmtechniktricks lässt sich der Abend retten. Ich benutze zum Beispiel in solchen Fällen lieber meine “getwangte” Kopfstimme und benutze sie quasi als Bruststimmenersatz. Das schont meine Stimme und erfordert weniger Muskelkraft.
Das Ergebnis ist dann vielleicht nicht ganz so kraftvoll wie es normalerweise wäre, aber das heißt nicht, dass es weniger ausdrucksstark sein muss.

Einfacher ist es jedoch, wenn du dein eigenes Konzert mit deinem Repertoire gibst.
Mit Kreativität und Improvisationstalent kannst du deinen stimmlichen Möglichkeiten entsprechend die eigenen Songs spontan neuinterpretieren. Überlege, was du alles tun kannst, damit am Ende das Publikum ebenso berührt ist, als hättest du deine komplette Stimme zur Verfügung. Hier ist deine Offenheit für Spontanität gefragt.

Gibt es andere Mittel, die dir helfen deine Songs zu transportieren?

Eine Sängerin aus Tel Aviv gab mir mal den Tipp: USE WHAT YOU HAVE.
Nach einer Erkältung hatte sie ihre Stimme verloren, doch am Abend stand ihr großer Auftritt bevor. Das Konzert war ausverkauft, über tausend Menschen vor ihr und sie konnte nur noch flüstern. Sie erzählte mir, wie sie mit Flüsterstimme das gesamte Konzert gegeben hatte. Das Publikum war begeistert. Sie musste eben andere Mittel für den Ausdruck benutzen und schaffte es, mit Mimik, Gestik, Artikulation und Bewegung auf der Bühne eine wunderbar funktionierende Show zu liefern. Und genau so hat es funktioniert. Sie hat mir damit beigebracht, dass wir Sänger nicht nur unsere Stimme zur Verfügung haben, sondern auch unsere gesamte Persönlichkeit, mit der wir uns präsentieren können. Die Stimme ist nur ein Teil dessen.

Zum Schluss noch ein persönlicher Tipp von mir

Wenn die Stimme versagt, ist das ein Weckruf. Zeit, sich intensiver um sich selbst zu kümmern. Nimm das ernst! Die Stimme ist unsere beste Freundin, die einfach nur ehrlich zu uns ist und uns darauf aufmerksam machen möchte, dass wir im Begriff sind uns selbst aus dem Blick zu verlieren. Also, bitte hingucken und schön ‘ay ay ay’ machen. Deine Stimme wird es dir danken.

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(Bild © Shutterstock, Foto von ToskanaINC)

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J. Keller sagt:

#1 - 17.04.2023 um 16:00 Uhr

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Hey. Ich danke Dir für diesen Text. Tatsächlich hänge ich selber auch in einer Stimmkrise, aus der meine Stimme sich jetzt ganz langsam erholt. Mein Arzt konnte mir nicht wirklich behilflich sein und Kortison wollte er mir nicht verschreiben... nunja, selber versucht, sie wieder hervorzulocken... Inhalieren, Honig (mit und ohne Milch), Emser Salzpastillen, viel Sprech- und vor allem Singruhe tun nun langsam ihre Wirkung. Normal sprechen kann ich wieder und singen... mit großer Vorsicht... auch langsam wieder. Nur in die hohen Töne wage ich mich noch nicht rein. Ich weiß immer noch nicht, was der Auslöser für die Krise war, aber ich freue mich dafür umso mehr, dass sie wohl langsam ihr Ende findet. Ich werde mir Deinen Text in die Lesezeichen speichern. Danke nochmal, Du hast mir wirklich Mut gemacht, da ich wirklich zeitweise Angst hatte, dass mit meinen Stimmlippen irgendwas sein könnte.

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