Während ‘Highway to Hell’ läuft soll sich die Präzision und das Feingefühl von Chirurgen verbessern. Wie aussagekräftig ist die Studie der Universität Heidelberg wirklich?
Bei einer Operation denkt man an Anspannung, Verantwortung und vollen Fokus. Ein falscher Schnitt oder eine stümperhafte Handbewegung und die Gesundheit des Patienten ist in Gefahr. In so einer Situation sollten Chirurgen mitsamt Team Höchstleistungen abrufen. Doch wird die Leistung verbessert, wenn man laute Rockmusik nebenbei hört? Eine Studie aus Heidelberg kommt genau zu diesem Schluss.
Die Studie wurde in der medizinischen Fachzeitschrift Langenbeck’s Archives of Surgery veröffentlicht. Dabei sollte die Auswirkung von Musik auf die Leistungsfähigkeit während chirurgischer Eingriffe erforscht werden. Die Operationsübungen wurden aus Sicherheitsgründen nicht an lebenden Objekten durchgeführt. Zuerst wurden Hard Rock-Lieder von AC/DC (T.N.T. und Highway to Hell) gespielt, danach ruhigere Songs von The Beatles (Hey Jude und Let It Be).
Leistungssteigerung sowohl bei Hard- als auch Soft-Rock
Dabei kam heraus, dass Chirurgen “schnell und präzise” agieren wenn sie AC/DC hören. Der Präzisionsschnitt dauerte nur 139 statt 236 Sekunden und die Präzision nahm um 5 Prozent zu. Außerdem stieg das Wohlbefinden der Chirurgen. “Bei harter Rockmusik war der positive Effekt besonders deutlich, wenn die Musik in hoher Lautstärke gespielt wurde. Es ist möglich, dass Musik mit hoher Rhythmik ein Tempo vorgibt, um die Geschwindigkeit der Leistung aufrechtzuerhalten und so die Aufgabenleistung zu verbessern”, analysierten die Forscher.
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Auch bei den Beatles-Songs kam es zu einer höheren Schnittgeschwindigkeit. Bei einer höheren Lautstärke ließ der positive Effekt allerdings nach. “Unsere Ergebnisse zeigen, dass sowohl Soft Rock als auch Hard Rock die chirurgische Leistung verbessern können“, resümiert der leitende Forscherin Cui Yang.
Weshalb die Studie Mängel aufweist
Methodisch hat die Studie letztlich nicht viel zu bieten: Es wurden bei einer Fake-OP die Leistung der Chirurgen bei vier Songs aus dem gleichen Genre mit der Leistung ohne Musik verglichen. Letztlich kann vieles die Leistung von Menschen kurzfristig erhöhen. Eine Massage vor dem Eingriff, ein Kaffee, eine Runde Salsa-Tanzen oder eben Musik. Bei Musik ist die Reaktion je nach persönlicher Vorliebe allerdings verschieden. Bei der eigenen Lieblingsmusik ist die Wirkung eine andere als bei einem Song den man nicht ausstehen kann.
Entsprechend groß war die Kritik an einer ähnlichen Studie von der University of California Irvine (UCI). Bei der “Mozart-Studie” wurde der Schluss gefasst, dass die Klassik-Kompositionen die Leistungsfähigkeit beim Lernen erhöhen soll. Bei der Studie wurde allerdings nur die Mozart-Musik mit Stille verglichen. Stattdessen hätte man für aussagekräftigere Ergebnisse verschiedene Stimuli miteinander vergleichen sollen. Wie wäre das Ergebnis gewesen bei einem Hintergrundrauschen? Bei Techno-Musik? Oder wenn man den Probanden alle drei Minuten Wasser ins Gesicht spritzt?
Kommen wir noch einmal auf die OP-Situation zurück. Dort stellt sich natürlich auch die Frage, wie gerne die Chirurgen mitsamt Team überhaupt beschallt werden möchten. Und zu welcher Zeit, wie oft und in welcher Lautstärke? Und was wenn ein OP-Gehilfe überhaupt nichts mit Rockmusik am Hut hat und sich eher irritiert fühlt? Die magere Musikauswahl und die fehlenden Vergleiche mit anderen Stimuli lassen schließlich keine allgemeinen Schlüsse zu.
Letztlich bleibt also nicht viel mehr über als die Erkenntnis, dass (Rock-)Musik kurzfristig die mentale und physische Leistung steigern kann. Ob das jetzt zwingend etwas mit AC/DC oder den Beatles zutun haben muss? Wohl kaum.