Am 13. Juni 1995 erschien ein Album, das Rock- und Pop-Fans gleichermaßen begeisterte. Mit “Jagged Little Pill” schaffte die kanadische Sängerin Alanis Morissette ihren Durchbruch.
Zuvor hatte sie in ihrem Geburtsland Kanada mit Bubblegum-Pop für einen nationalen Hit gesorgt und zwei mäßig erfolgreiche Alben veröffentlicht. Und auch Produzent Glen Ballard ist kein unbeschriebenes Blatt. Er hat in seiner Karriere an etlichen Hit-Alben mitgewirkt. Dazu zählen beispielsweise das Debüt von Anastacia, Alben von Katy Perry, Christina Aguilera und Wilson Phillips. Außerdem war er als Tontechniker am “Thriller”-Album von Michael Jackson beteiligt.
Writing & First Takes
Producer Glen Ballard beschreibt in einem Interview für die Kollegen von Professional Sound, wie unspektakulär das Schreiben des Hit-Albums “Jagged Little Pill” war. Keine A&R-Vorgaben, keine Hintergedanken zu Number 1-Chartstürmern. Alanis und er trafen sich schlicht mittags im Studio, Ballard schnappte sich eine Akustikgitarre und beide trugen Zeile für Zeile und Akkord für Akkord zusammen, um daraus pro Tag einen Song zu machen. Dazu zählten auch Demo-Recordings, für die Ballard nur etwa eine Stunde pro Song investieren musste.
Diese Demo-Aufnahmen machte die damals 19-jährige Morissette zusammen mit dem Produzenten Ballard in dessen Homestudio. Allerdings war das zur Verfügung stehende Equipment dennoch nicht von schlechten Eltern. Für die Vocals kam ein AKG C12 Vintage-Mikrofon aus den 50er Jahren zum Einsatz. Die weitere Signalkette bestand aus einem Demeter-Preamp und einem LA-2A Röhren-Limiter. Statt seine Euphonix-Konsole zu nutzen, zeichnete Ballard direkt auf Band oder auf ADAT auf.
Das Duo hatte es sich zum Ziel gemacht, die Rohheit der Demo-Vocals bis in die Schlussproduktion zu übernehmen. Deshalb wurden die Gesangsaufnahmen der Vorproduktion tatsächlich auch im abschließenden Mix genutzt. Das Besondere daran ist, dass es sich ausschließlich um First und Second Takes handelt, die den Aufnahmen ihre gewisse Authentizität und Unmittelbarkeit geben. Und wie Albumverkäufe und Rezeption unter den Hörern gezeigt haben, ist diese “Strategie” auch hervorragend aufgegangen. Und das alles in nur 13 Aufnahmetagen.
Glücks- und Pech-Momente
Der Legende nach entstanden also einige der Songs auf dem Hit-Album “wie aus dem Nichts”. Songs wie “Perfect” und “Hand In A Pocket” schrieb Morissette angeblich sogar innerhalb von nur einer Stunde. Andere der auf dem Album enthaltenen Songs hatte Morissette schon im Vorfeld der Vorproduktion geschrieben. Auch hierzu gibt es eine Anekdote, die es in sich hat: als die junge Songwriterin eines Tages unterwegs war, wurde ihr tatsächlich ihre Tasche mitsamt aller gesammelter Song-Notizen gestohlen! Nicht auszumalen, wie das Album klingen würde, hätte die Sängerin ihre Tasche nicht wieder erhalten. Alles was fehlte war ihr Portemonnaie. Schwein gehabt!
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It’s Studio Time
Weitere Anekdoten zum Recording des Albums gibt Schlagzeuger Matt Laug auf seiner Internetseite preis. Bereits einen Tag nach seiner Audition bekam er den Zuschlag als Studio-Drummer für das Album. Doch zu “Head Over Feet” konnte er nur kurze Schlagzeug-Loops beisteuern, die den programmierten und vorgefertigten Drum-Loops hinzugemischt wurden. Auch in “Wake Up” geben sich Drum-Loops und Laugs Schlagzeugspiel die Klinke in die Hand. Der Song “Mary Jane” enthält dagegen neben seinem Drumming lediglich eine programmierte Marching-Snare, die für ihn einfach nicht zeitgleich zum Haupt-Groove spielbar war. Umso erstaunlicher ist es da, dass der Alanis Morissettes Tour-Schlagzeuger Taylor Hawkins (der später Drummer der Foo Fighters wurde) stets versuchte, beide Parts zugleich Live zu spielen.
Verstärkung gesucht
Im Demo-Stadium hatte Produzent Glen Ballard neben den Vocals von Alanis Morissette zu einigen Tracks lediglich eine Akustikgitarre eingespielt. Um die Albumversionen voller klingen zu lassen und ihnen mehr Drive zu geben, entschied er sich dazu, einige bekannte Musiker mit ins Boot zu nehmen. Der Song “You Oughta Know” sollte mit einem Post-Grunge-Flair rüberkommen, der die Rocknummer fraglos nach vorne bringen würde. Daher wurden zwei Musikern mit Alternative-Wurzeln eingeladen, den Track mit einem aggressiveren Spielstil nach vorn zu treiben. Das war zum einen kein Geringerer als der Bassist der Red Hot Chili Peppers, Flea. Zum anderen wurde das Solo von Dave Navarro gespielt, Gitarrist der damals angesagten Grunge-Band Jane’s Addiction und zur Zeit der Aufnahmen von “Jagged Little Pill” ebenfalls Mitglied der Red Hot Chili Peppers.
Es ist niemals ganz zuende…
Ja, richtig gelesen: So richtig “zuende” ist “Jagged Little Pill” niemals so richtig. Denn gleich zwei Secret Hidden Tracks verlängern das Album. Nicht viele Fans wissen, dass sich auf dem CD-Album von “Jagged Little Pill” gleich zwei Bonus-Tracks verstecken. Denn sie sind nur dann zu hören, wenn die CD auf “Repeat” gehört wird. Neben einer weiteren Version des Hits “You Oughta Know” ist mit “Your House” auch ein Acappella-Song zu hören.
Wer von den Songs auf dem Album nicht genug bekommen kann, kann sich auch die zum 20-jährigen Jubiläum erschienene Neuauflage mit Akustik-Versionen zu Gemüte führen. Die Kritiken hierzu fielen jedoch eher gemischt aus. Denn die Aggressivität, die das Original auszeichnete, fehlt diesen Interpretationen nahezu vollständig. Doch auch wer nichtsdestotrotz nach dem Hören dieser Akustik-Versionen noch immer nicht genug von “Jagged Little Pill” hat, kann sich einen Eintrag im Kalender machen und sich auf weitere Neu-Interpretationen freuen. Denn im November 2019 startet das Broadway-Musical “Jagged Little Pill”, das bereits seit 2013 in der Planung ist. Eine Vor-Premiere fand bereits im Mai 2018 in Cambridge, Massachussetts (USA) statt. Seit 2013 war das Musical in der Planung, das letztlich nicht nur Songs aus den gleichnamigen Album enthält. Vielmehr sind auch Stücke wie “Thank U” und “Uninvited” mit an Bord, die von Soundtracks und späteren Alben Morissettes stammen.