Praxis
Sound
Genug der vielen Worte – wie klingt der SE-3X denn nun? Die gute Nachricht für alle Fans der Vorgängermodelle: Am fetten, direkten Analogsound des Synthesizers hat sich überhaupt nichts geändert. Ein erstes Blättern durch die Presets, von denen die meisten bereits aus dem SE-1X 2019 bekannt sind, bringt die Gewissheit: Auch der SE-3X ist ein überaus gut klingender und kraftvoller Synthesizer. Vor allem im Tieftonbereich macht er richtig Druck, was die zahlreichen, in der Preset-Liste eindeutig dominierenden Bass-Sounds eindrucksvoll unter Beweis stellen.
Aber auch das übrige Spektrum monophoner Sounds – Leads, Sequenzen und Effekte – vermag der SE-3X mehr als überzeugend abzudecken. Dabei kommen ihm die drei Oszillatoren zugute, mit denen man doch einfach noch etwas mehr anstellen kann als mit zweien – erst Recht, wenn sie sich paraphon spielen lassen. Auch die vier Hüllkurven sind für kreatives Sounddesign sehr willkommen und mittlerweile auch schnell genug für perkussive Sounds und Drums. Kurzum – der Sound ist großartig, klassisch und im richtigen Moment auch mal herrlich ungezügelt. Ginge es nur um den Sound, würde ich dem SE-3X ohne zu zögern 5 Sterne verleihen.
Neue Filter
Die neuen Filtervarianten erweitern die Möglichkeiten zusätzlich. Bei vielen Sounds passt das klassische Moog-Filter hervorragend. Dennoch ist es toll, dass mit den Arp- und Roland-Filtern nun noch mehr klangliche Facetten zur Verfügung stehen. Hier hört ihr das Moog-Filter und die Arp-Variante im Vergleich – jeweils mit verschiedenen Resonanzeinstellungen.
Auch die drei verschiedenen Roland-Charakteristiken sind eine tolle Ergänzung. In der Praxis habe ich von diesen die flache Variante mit 6 dB Flankensteilheit am häufigsten genutzt, weil sie einfach am weitesten entfernt von den anderen Filtern ist und Klänge ermöglicht, die die 24-dB-Filter nicht liefern können. Auch die kombinierte Variante R3 ist spannend. Sie klingt geringfügig dünner, raut den Sound aber interessant auf, was gerade bei Leads und aggressiven Sequenzen von Vorteil ist.
Allein durch Umschalten der Filtervarianten lassen sich vielen Sounds neue Facetten entlocken. Hier ein Preset, bei dem ich die fünf Charakteristiken der Resonant Filter Collection der Reihe nach durchschalte (Moog, Arp, Roland 24 dB, Roland 6 dB, Roland Mix):
Für dich ausgesucht
Das Stichwort „Umschalten“ bringt mich aber auch zum entscheidenden Problem mit der neuen Filtererweiterung. Ich hatte ja bereits erwähnt, dass sie wie eine nachträglich hinzugefügte Modifikation wirkt – was sie ja letztlich auch ist. Das hat zur Folge, dass die Stellung des Filter-Wahlschalters nicht mit den Sounds abgespeichert wird. Der SE-3X merkt sich lediglich, ob das 12-dB-SEM-Filter oder die Resonant Filter Collection (RFC) aktiviert sind. Welches RFC-Filter gewählt ist, wird jedoch nicht gespeichert. Gerade bei Sounds, bei denen eine ganz bestimmte Variante entscheidend für die Wirkung ist, ist das ein großer Nachteil, der die Freude über die neuen Filter etwas trübt.
Distortion / Fuzz
Auch die beiden Distortion- bzw. Fuzz-Schaltungen sind eine willkommene Ergänzung und verleihen dem SE-3X eine Extraportion Biss und Druck. Als „70s Fuzz“ ist D1 die zahmere Variante und eignet sich sehr gut, um Sounds etwas zusätzliches Durchsetzungsvermögen zu spendieren. D2 („90s Fuzz“) geht deutlich aggressiver zu Werke. Besonders in Kombination mit hoher Filterresonanz lässt das Klänge entstehen, bei denen man eher ein Fuzz-Pedal als eine interne Schaltung vermuten würde. Beide Varianten finde ich klanglich sehr gut gelungen.
Auch hier gilt allerdings: Die Stellung des Schalters wird nicht gespeichert. Wenn man die Distortion beim Sounddesign kreativ einsetzt und sie ein wesentlicher Bestandteil des Sounds ist, muss man sich das also anderweitig merken. Auch wäre es natürlich schön, den Grad der Verzerrung regeln zu können.
Hier der gleiche Sound zunächst ohne Distortion, dann mit D1 und schließlich mit D2.
Und noch ein weiteres Beispiel – zunächst ohne Fuzz, dann mit D1 und schließlich mit D2.
Bedienung
Durch die neuen Software-Funktionen wurden beim SE-3X einige Schwächen der Vorgänger beseitigt. Zwar gibt es nach wie vor keine dedizierten Mix-Regler, aber immerhin muss man zur Einstellung der Lautstärken der drei VCOs nicht mehr das Menü bemühen. Die Kombination aus Shift-Button und PW-Regler ist in meinen Augen ein akzeptabler Kompromiss, führt aber dazu, dass man den Regler verstellt und er dann nicht mehr mit der eingestellten Pulsbreite übereinstimmt.
Auch einige weitere Shortcuts via Shift-Button erleichtern die Bedienung, indem die entsprechenden Menüseiten direkt aufgerufen werden. Zum Beispiel kommt man mit Shift und dem 12/24-dB-Knopf in der Filtersektion direkt zu der Menüseite, auf der man den Modus des SEM-Filters einstellen kann. Mit Shift + Frequency erreicht man nun die Feinstimmung der Oszillatoren 2 und 3; auch dafür musste man beim Vorgänger ins Menü. Das sind Kleinigkeiten, die in der Praxis aber sehr hilfreich sind.
Trotzdem zeigen sich einige Punkte, die bei anderen Synthesizern inzwischen einfach besser gelöst sind. Dass man selten benötigte Einstellungen nur im Menü findet, ist zu erwarten und auch nicht schlimm. Leider sind jedoch auch einige sehr wichtige Dinge nur auf diese Weise zugänglich. Besonders betrifft das die LFOs, die auf dem Panel nur dürftig mit Bedienelementen versorgt sind. Zumindest einen Taster oder Schalter zur schnellen Wahl der Schwingungsform hätte ich mir hier gewünscht. Auch LEDs zur Anzeige der LFO-Frequenzen wären sehr hilfreich – und dafür wäre sogar noch Platz auf dem Bedienfeld gewesen. Weitere Features, die unbedingt Hardware-Regler verdient hätten, sind der Rauschgenerator und der Ringmodulator.
Auch die Zuweisung von Modulationen ist umständlich und die zugewiesenen Routings sind nicht auf einen Blick zu erkennen. Um sich einen Überblick zu verschaffen, was wodurch moduliert wird, muss man sich immer durch mehrere Displayseiten klicken. Zumindest für die wichtigsten Ziele wie Pitch, Cutoff und Pulsbreite wäre ein einfacheres Verfahren wünschenswert. Aber das hätte wohl ein grundlegendes Re-Design des Synthesizers erfordert, und das ist der SE-3X eben (leider) nicht.
Zu den praktischen Dingen, die man heute bei den meisten vergleichbaren Synthesizern findet, aber nicht beim SE-3X, gehört auch das „Abholen“ von Werten mit den Reglern. Nach dem Laden eines Presets stimmen die Reglerstellungen meist nicht mit den gespeicherten Werten überein. Das Drehen der Potis äußert sich dann unweigerlich in unschönen Sprüngen. Und leider ist es daraufhin auch praktisch unmöglich, den gespeicherten Wert mit dem Regler wiederzufinden. Denn die Punkte im Display, die auf ein verändertes Patch hinweisen, sind leider nicht zu Ende gedacht. Sie zeigen nur an, wenn ein Parameter verändert wurde. Besser wäre es, wenn die Punkte auch wieder erlöschen würden, wenn man mit dem Regler den gespeicherten Wert „wiedergefunden“ hat. Man verstellt wegen der fehlenden Abholfunktion also zwangsläufig den Sound, wenn man nach dem Laden einen Regler berührt, und muss sich daraufhin nur auf seine Ohren verlassen, um den Originalzustand wiederherzustellen. Das hätte man besser lösen können.
Unter dem Strich gibt es also einige Punkte, an denen das Bedienkonzept des SE-3X einfach nicht mehr ganz zeitgemäß wirkt. Vielleicht wäre es doch an der Zeit gewesen, die (zweifelsohne hervorragend klingenden) analogen Schaltungen zu nehmen, ggf. in ein Desktop-Gehäuse zu stecken und mit einer von Grund auf neu entwickelten Benutzeroberfläche zu kombinieren. Wer die Vorgängermodelle schätzt, wird keine Schwierigkeiten haben. Hat man sich jedoch einmal an Vorzüge wie eine übersichtliche Modulationsmatrix, ein konfigurierbares Reglerverhalten oder eine (wie auch immer geartete) Visualisierung von Modulationen gewöhnt, muss einem der SE-3X wie ein Relikt aus einer vergangenen Zeit vorkommen.
Studio Electronics SE-3X Sound Demo (no talking)
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