Praxis
Der bewegliche Bügel des LSM ermöglicht es, das Mikrofon ohne weiteres Stativ sicher auf einen Tisch zu stellen. Hier wird dann auch deutlich, warum sich die Anschlüsse des Mikrofons auf dessen Rückseite befinden – wären sie im unteren Teil des Mikrofon-Bodies eingelassen, wäre die Desktop-Verwendung des Gerätes auf jeden Fall stark eingeschränkt. So aber stören weder Kabel noch Stecker. Da hat mal jemand bei der Produktentwicklung richtig mitgedacht. Das integrierte Stativ des Mikrofons (nämlich den Metallbügel) testen wir dann auch gleich als erstes: Das LSM kommt auf dem Tisch meines Regieplatzes zum Einsatz, um zu sehen, wie sich das Mikrofon in freier Wildbahn bei einer Jazz-Aufnahme behauptet. Also flugs die 48 V-Phantomspeisung des Preamps eingeschaltet und noch einen letzten Blick in die Mikrofondaten geworfen…
Der Blick in die Spezifikationen weist für das LSM eine beeindruckende Empfindlichkeit von 32 dB aus, das entspricht in etwa einem Übertragungsfaktor von 25 mV/Pa. Ein Wert, der in dieser Preisklasse nur von wenigen Mikrofonen erreicht wird. Außerdem wird der Signalrauschabstand vom Hersteller mit 78 dB angegeben. Damit ist er laut Hersteller in einem Bereich angesiedelt, der für viele Mikrofone desselben Preissegments unerreichbar bleibt. Das alles liest sich auf dem Papier gut – in der Praxis fällt aber auf, dass der Preamp ordentlich aufgedreht werden muss, um dem LSM bei leisen Signalen einen arbeitsfähigen Pegel zu entlocken. An diesem Punkt wird auch klar, warum das Mikrofon über keinen Pad-Schalter verfügt, der den Pegel noch weiter absenkt.
Der Zusammenhang von Empfindlichkeit und Signalrauschabstand lassen mich deshalb zunächst auch die in den Spezifikationen angegebenen 16 dB(A) für das Eigenrauschen skeptisch sehen. Na, aber Hallo, das wäre ein durchaus guter Wert für ein Mikrofon dieser Preisklasse. Da sind wir doch gespannt, ob das LSM dieses Versprechen im schwierigen Zusammenspiel von leisen Signalen und aufgerissenem Preamp auch praktisch halten kann.
Und tatsächlich: Verblüffenderweise hat man selbst bei recht verhaltenen Jazz-Vocals nicht den Eindruck, das Grundrauschen des Mikrofons wahrzunehmen. Und selbst dann, wenn der Preamp so weit aufgedreht wird, dass das Eigenrauschen des LSM dezent aber deutlich zu hören ist, stören geringere Rauschanteile kaum. Vielmehr hatte ich bei der Aufnahme meines Jazz-Audiosnippets den Eindruck, dass sich das Grundrauschen geradezu in den klanglichen Grundcharakter des LSM einbettet und ihm so eine Art Vintage-Touch verpasst. Wie leicht wäre es, an dieser Stelle über die in der Praxis als gering empfundene Ausgangsleistung des Mikrofons zu schimpfen. Aber die bei »aufgerissenem« Preamp vorhandenen Rauschanteile des LSM klingen im XLR-Betrieb einfach viel zu sexy, als dass man ihm dafür böse sein könnte.
Klanglich bietet das LSM genau das, was man von einem Großmembran-Mikrofon mit Nierencharakteristik erwartet: Es verfügt über einen entsprechend ausgeprägten Nahbesprechungseffekt, und seine Nierencharakteristik bietet einen entsprechend weiten »Fächer«. Die Bassanteile sind satt, ohne allzu übertrieben dominant zu wirken. Für Klangfülle bei Vocal-Aufnahmen ist damit gesorgt. Dennoch wäre es hilfreich, wenn das LSM ein LoCut-/HiPass-Filter hätte, um bei Bedarf dem Nahbesprechungseffekt und/oder Trittschall entgegenwirken zu können.
Eine deutliche Präsenzanhebung ist im Bereich von etwa 5 kHz festzustellen. Die Anhebung der Mitten wirkt dabei recht diffus, weshalb ich nicht unbedingt von einer Konturierung im eigentlichen Sinne sprechen möchte. Zudem habe ich den Eindruck, dass obere Mitten und Höhen eine gewisse »Schroffheit« und »Härte« aufweisen. Der Klang wirkt hier rau und ein wenig »zerfasert«. Wenngleich sich das in Worten wie ein Verriss liest, steht es aber in der Praxis eher für einen ganz bestimmten Charakter, der den Klang des Mikrofons prägt. Meiner Meinung nach kann das LSM deshalb – wie schon bei den Rauschanteilen – auch hinsichtlich seines Frequenzgangs punkten. Nicht nur obwohl, sondern gerade weil dieser alles andere als linear daherkommt.
Bei genauerem Blick auf die Beschreibung des Kapseltyps wird klar, woher der ausgeprägte Vintage-Charakter des Mikrofons rührt. Die Bauweise ist an diejenige der legendären Microtech-Gefell M7-Kapsel angelehnt, die in den 30er Jahren entwickelt wurde und auch in Klassikern wie dem Neumann U67 zum Einsatz kam. Bei diesem speziellen Kapseltyp wird die Nierencharakteristik durch eine mit Bohrungen durchlöcherte Metallscheibe bewirkt, die hinter der Membran angebracht ist. Wie bei den modernen Nachbauten üblich, wird im LSM jedoch anstelle der weniger beständigen PVC-Version des Originals eine goldbeschichte Polyester-Membran aus Mylarfolie (einem PET-Kunststoff) verwendet.
Auch mit Vergrößerung des Mikrofonabstands zur Schallquelle bleiben die beschriebenen Klangeigenschaften erhalten. (Selbstverständlich mit Ausnahme des Nahbesprechungseffekts.) Der Klang des Mikrofons wirkt bei größerem Abstand wie erwartet deutlich »offener« und kann wiederum durchaus gefallen. Aufgrund der großen Membran verlieren auch Signale, die von jenseits der Haupteinsprechrichtung auf das Mikrofon treffen (also „Off-Axis“ sind), nicht so schnell an Höhen. Was aber auffällt ist, dass das Mikrofon – wie zu erwarten – geringfügig »nasaler« klingt, je größer der Winkel wird. Alles in allem kann das LSM in diesem Punkt deshalb überzeugen. Sänger oder Sprecher, die im Umgang mit Mikrofonen noch ungeübt sind, können getrost von der Hauptachse abweichen – das LSM wird es ihnen nicht verübeln und sie dennoch gut aussehen … pardon … klingen lassen.
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Die Abbildungsqualität im XLR-Betrieb lässt sich ganz sicher nicht als »rasiermesserscharf« bezeichnen … und auch das ist im besten Sinne gemeint. Denn wie der Praxistest zeigt, werden d- und t-Konsonanten zwar deutlich, aber ausgesprochen »weich« abgebildet. Das spricht für ein Impulsverhalten, das schnell genug ist, um das aufgegriffene Signal nicht matt erscheinen zu lassen, und zugleich träge genug ist, um Konsonanten nicht »scharf« wirken zu lassen. Das trifft auch auf die Auflösung von Popplauten zu, wie „b“ und „p“. Überhaupt werden Transienten vom LSM gut erfasst. Im Ausgangssignal wirken sie angenehm »rund«. Der Praxistest zeigt auch eine gute Auflösung in höheren Gefilden. Die Übertragung von s- und sch-Lauten kann ich nur ebenfalls als angenehm »weich« bezeichnen.
Die leichte Anhebung der oberen Mitten sorgt dabei für ausreichend Präsenz, um das LSM-Vocalsignal gut in einem Mix platzieren zu können. Die Sprachverständlichkeit ist deshalb ebenfalls als gut zu bezeichnen. Wenngleich stimmlose Sprachanteile nur hier und da zur Geltung kommen. Auch als wirklich »luftig« lässt sich der Klang des LSM bei Stimmsignalen nicht bezeichnen. Beim Testen gefiel mir persönlich der Klang des Mikrofons dann am besten, wenn das Signal nicht ganz so nah aufgegriffen wurde. Das LSM liefert dann ein Signal, das ohne Nahbesprechungseffekt natürlich deutlich ausgewogener klingt und für meinen Geschmack brillante Signalanteile einfach besser zur Geltung bringt.
Zwar scheint das Little Square Mic mit seinem Frequenzgang für Sprache und Gesang ausgelegt zu sein, doch wird es von Studio Projects auch als Allrounder beworben. Deshalb wollen wir mal schauen, wie es sich bei der Aufnahme einer Westerngitarre macht…
Der schon bei den Vocals aufgefallene Klangeindruck wird hier nochmals bestätigt. »Warm« und doch »präsent« klingt die Westerngitarre bei recht naher Mikrofonierung (etwa 15 cm). Für meine Ohren werden die Höhenanteile dabei durch das Mikrofon »leicht entschärft«. Mehr Räumlichkeit kommt mit etwas größerer Entfernung zur Schallquelle ins Spiel. Das LSM macht auch hier eine gute Figur. Der Klang der entfernteren Mikrofonierung steht der Westerngitarre in meinen Ohren gut zu Gesicht – dem fehlenden Nahbesprechungseffekt sei Dank. Anschlagstransienten werden relativ »weich« übertragen, die Mittenpräsenz des Frequenzgangs sorgt für ein äußerst tragfähiges Gitarrensignal, das sich in einem Mix sicherlich gut durchsetzen kann, ohne allzu vordergründig zu sein. Auch Off-Axis wird der gute Eindruck, den die Vocalaufnahmen bereits hinterließen, beim Einsatz mit einer Westerngitarre bestärkt. Aufnahmen im Singer-Songwriter-Style dürften deshalb mit dem LSM wahre Freude bereiten.
Am meisten war ich im Vorfeld auf den USB-Betrieb des rechteckigen Rackers gespannt. Leider zeigten sich zumindest in meiner Testumgebung ausgerechnet hier Schwächen. Anschluss und Installation sind zwar kinderleicht und das Mikrofon ist mit nur wenigen Plug&Play-Handgriffen bereit, um direkt am Rechner betrieben zu werden, das Ergebnis des USB-Betriebs ist allerdings ernüchternd. Während das LSM für mich mit XLR-Speisung einen überraschend charaktervollen Klang lieferte, wirkten bei USB-Aufnahmen die durch die geringe Ausgangsleistung des Mikrofons entstehenden Rauschanteile störend. Für Podcasts auf die Schnelle mag das ausreichen, Homerecording-Enthusiasten sind aber mittlerweile schon eine ganz andere Klangqualität gewohnt.
Der Fairness halber muss an dieser Stelle aber angemerkt werden, dass der Hersteller für den USB-Betrieb des LSM die Nutzung des Freeware-Audiotreibers ASIO4All empfiehlt. Dieser ließ sich leider in der Testumgebung auf Teufel komm raus nicht installieren. Eventuell kann die Audioqualität mit diesem Treiber deshalb noch verbessert werden. Beim hier durchgeführten USB-Test kamen dagegen mit dem MME-Treiber und dem Windows Direct Sound-Treiber lediglich sehr »einfache« Audiotreiber zum Einsatz.
Positiv anzumerken ist noch, dass sich während des Tests der Eindruck entwickelte, dass das Mikrofon sicher auch mit einem recht ordentlichen Schalldruck umgehen kann. Und in der Tat sollte der vom Hersteller angegebene Grenzschalldruck von 132 dB(SPL) locker ausreichen, um das Mikrofon nicht nur – wie hier geschehen – für Jazzgesang, Country-Gitarre und Sprachaufnahmen, sondern auch für Rock- und Metal-Vocals einzusetzen.