Nun ja, im Inneren von Tonstudios kommen Gewitter glücklicherweise relativ selten vor, wenn man mal vom Wolkenbruch am Ende des spektakulären Titels „On the Run“ absieht, den Pink Floyd 1973 in Abbey Road für das „Dark Side of the Moon“-Album produzierten.
Ausserhalb des Studios sind derlei Ereignisse indes weitaus häufiger und bergen einiges an Gefahren für euer Equipment. Welche dies sind, und wie ihr euch schützen könnt, darum soll es im Folgenden gehen.
Im Jahr 2018 schlugen bei unzähligen Gewittern mehr als 400 000 (!) Blitze in Deutschland ein, die allermeisten davon erfreulicherweise ohne Sach- oder Personenschäden. Wenn man sich jedoch einmal vor Augen führt, welche ungeheueren Energien bei einem Blitzschlag freigesetzt werden, so wird klar, dass man den Blitzschutz nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte!
Soforthilfe bei Gewitter
- FI-Sicherung des betreffenden Stromkreises ziehen oder Geräte-Netzstecker physikalisch ziehen
- Alle weiteren Verbindungen kappen, also Telefonkabel, Antennenanschlüsse, Kabelanschlüsse, Netzwerkkabel und dergleichen
Physikalische Phänomene bei Gewitter
Ein Gewitter entsteht bei schwülen Wetterlagen, wenn feuchte Luft aufsteigt und zu kilometerhohen Cumuluswolken kondensiert. Die Wasserteilchen der obersten Schichten gefrieren dabei zu Eiskristallen und es kommt zu einer elektrischen Aufladung zwischen diesen und den Wasserteilchen der tieferen Schichten, deren Spannung mehrere Millionen Volt betragen kann. Übersteigt die Feldstärke dabei einen Wert von etwa 170 000 Volt pro Meter, so entsteht ein Kurzschluss, der sich in Form eines Blitzes entlädt. Dabei werden Stromstärken von bis zu 100 000 Ampere erreicht. Wenn man sich diese Leistung einmal anhand unserer haushaltsüblichen Stromverbraucher verdeutlicht, so wird klar, von welchen gigantischen Energiemengen wir hier sprechen: Elektrische Leistung ist bekanntlich Spannung mal Stromstärke. Eine Schuko-Steckdose, wie sie als Wandanschluss in deutschen Hausinstallationen üblich ist, liefert nach Norm maximal 16 Ampere bei 230 Volt (das macht ca. 3600 Watt Maximalbelastbarkeit, danach fliegt die Sicherung…).
Gefahren für Studiotechnik
Die Gefahren, die von Gewittern für euer geliebtes Equipment ausgehen, lassen sich grob in zwei Kategorien unterteilen:
Zum Einen geht es natürlich um den Blitzschutz des Hauses, in dem euer Studio untergebracht ist, und der verhindern soll, dass euch sprichwörtliche bei einem Blitzeinschlag die Hütte abbrennt. Auch wenn diesem Blitzschutz bei modernen Immobilien bereits baulicherseits genügend Beachtung geschenkt worden sein sollte, wollen wir darauf eingehen – schliesslich liegt nicht jeder Proberaum in einem modernen Gebäude.
Zum Anderen sind aber auch Schäden an euren Geräten ein Thema, die durch Überspannungen im Netz entstehen, welche unter anderem über die Netzanschlussleitung zu euren Geräten gelangen. Dies kann in ungünstigen Fällen auch passieren, wenn ein genügend starker Blitz in einigen Kilometern Entfernung von eurem Studio einschlägt – und: Der Blitzableiter eures Hauses hilft in diesem Fall nichts! Das letzte Thema, das wir behandeln wollen, sind Versicherungen, die im Falle eines Falles Euren Schaden ersetzen – oder eben nicht.
Blitzschutz an Gebäuden – Blitzableiter
Der Blitzschutz an Gebäuden umfasst traditionell zunächst einmal den äußeren Blitzschutz, also den klassischen Blitzableiter: Über einen oder mehrere Drähte auf dem Dach wird der Blitz „eingefangen“ und über einen meist außen am Haus geführten Leiter in den Boden geführt, wo er über einen Erdspieß bzw. einen Fundamenterder abgeleitet wird. Fundamenterder werden hauptsächlich in neuen Gebäuden vorgesehen und können nicht nachträglich angebracht werden. Erdspieße sind lange Eisenstangen, die maschinell möglichst tief in die Erde verbracht werden. Dieser äußere Blitzschutz schützt vor allem das Gebäude vor Brandschäden bei einem direkten Blitzeinschlag. Für Elektronik sind aber vor allem auch Überspannungen gefährlich, die über das Stromnetz induziert werden. Hierfür sind über den Blitzableiter hinaus weitere Schutzmaßnahmen erforderlich.
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Überspannungsschutz und Fehlerstromschutzschalter
Möchte man seine elektronischen Geräte wie zum Beispiel Studioequipment vor zu hohen Spannungen schützen, so ist ein Überspannungsschutz notwendig, der direkt im Sicherungskasten montiert wird. Zur Vermeidung von Stromschlägen oder Folgeschäden durch eventuell bereits defekte Geräte ist zudem ein Fehlerstromschutzschalter (FI) unverzichtbar. Im Gegensatz zur herkömmlichen Sicherung, die nur bei zu hohen Strömen beziehungsweise Kurzschluss auslöst, überwacht ein Fehlerstromschutzschalter permanent alle drei Leiter des Stromnetzes, also Phase, Null-Leiter und Erdungsleiter, und schaltet den entsprechenden Stromkreis ab, sobald der Stromfluss zwischen Phase und Null nicht identisch ist oder der Widerstand einer dieser beiden Leiter zur Erde kleiner als unendlich wird. Waren FI-Schutzschalter in früheren Zeiten nur für Feuchträume wie Bäder Pflicht, so ist ihr Einsatz bei Neuinstallationen seit 2009 für alle Stromkreise obligatorisch. In der Regel wird jedes Stockwerk eines Hauses mit einem eigenen FI versehen. Wenn ihr ein größeres Studio betreibt, so kann es sinnvoll sein, das Studio zusätzlich mit einem eigenen Fehlerstromschutzschalter abzusichern.
Potentialausgleich
Das elektrische Potential verschiedener Stromkreise kann durchaus unterscheidlich sein, auch wenn die jeweilige Spannung identisch ist. Vor diesem Hintergrund ist es übrigens auch sinnvoll, euer komplettes Studio über den gleichen Stromkreis zu betreiben. Das vermindert ganz nebenbei eventuelle Brummstörungen im Studio erheblich. Im Idealfall wird das ganze Studio über eine einzige Steckdose versorgt. Allerdings darf der gesamte Strombedarf Eures Systems dabei 16 Ampere (bei 230 Volt Netzspannung also 3.600 Watt) nicht überschreiten. Sofern ihr nicht tonnenweise Röhrenequipment am Start habt, sollte das kein Problem sein.
Besonders wichtig für eine diesbezüglich „saubere“ Studioverkabelung ist eine sternförmige Masseverbindung, die gewährleistet, dass alle Geräte einen gemeinsamen Massepunkt haben, der solide geerdet ist. Profis legen einen eigenen Erdspieß für die Studioverkabelung.
In Bezug auf wirksamen Überspannungsschutz ist es besonders wichtig, dass sich eventuelle Potentialunterschiede, die durch Gewitter ausgelöst wurden, ausgleichen können. Idealerweise sind hierfür Potentialausgleichsschienen eures Sicherungskastens mit dem eingebauten Überspannungsschutz, der Erdungsleitung eures Studios und dem Blitzableiter mit ausreichend dicken Kabeln auf direktem Wege verkoppelt.
Überspannungschutz in Steckdosenleisten und USVs
Auch wenn ihr alle bis hierhin besprochenen Massnahmen durchgeführt habt, können zusätzlich Mehrfachsteckdosenleisten sinnvoll sein, die mit einem eigenen Überspannungsschutz ausgestattet sind. Denn auch wenn eure Elektroinstallation im Sicherungskasten des Hauses optimal abgesichert ist, kann es vorkommen, dass bei einem Gewitter eletromagnetische Felder entstehen, die in die Leitungen, die vom Sicherungskasten in das Studio führen, einstreuen und Schäden verursachen. Dagegen helfen tatsächlich nur zusätzliche Schutzeinrichtungen, die direkt vor den Endgeräten plaziert sind. So genannte unterbrechungsfreie Stromversorgungen – kurz USVs, die es von Herstellern wie APC gibt, gewährleisten darüber hinaus über Batteriepuffer einen störungsfreien Weiterbetrieb auch bei einem Stromausfall. Allerdings geht unsere Empfehlung dahin, das Studio auch bei Einhaltung aller Empfehlungen für Überspannungsschutz bei starkem Gewitter abzuschalten. Benutzt dafür den Fehlerstromschutzschalter im Sicherungskasten, denn nur dadurch wird sichergestellt, dass auch wirklich Phase und Null-Leiter gleichzeitig getrennt werden. Herkömmliche Schalter trennen dagegen in der Regel nur einen der beiden Leiter und gewährleisten dadurch keinen vollumfänglichen Schutz vor Überspannungen.
Wichtig: Auch Telefon-, Antennen und Netzwerkkabel absichern!
Überspannungen, die in Leitungen einstreuen unterscheiden nicht zwischen Strom- und sonstigen Kabeln. Auch in meinem Bekanntenkreis sind schon komplette Studioeinrichtungen durch Überspannungen in der Telefonleitung zerstört worden. Daher ist es essentiell, dass Ihr auch eure Netzwerk- Antennen und Telefonverbindungen, die von außen ins Haus kommen, via Überspannungsschutz absichert. Professionelle Überspannungsschutzeinrichtungen bieten diese Möglichkeit. Spart hier nicht am falschen Fleck und investiert in diese etwas teureren Geräte, denn nichts ist ärgerlicher, als wenn ein Studio mit perfekt ausgelegter Netzabsicherung bei Gewitter durch Spannungsspitzen aus der Netzwerkleitung Schaden nimmt.
Ein wirksamer Blitzschutz besteht aus drei Stufen
- Blitzableiter
- Überspannungsschutz in der Stromverteilung
- Endgeräteschutz durch spezielle Steckdosenleisten
Blitzeinschlag und Versicherungen
Eine Brandschutzversicherung ist heutzutage für jedes Haus gesetzlich vorgeschrieben. Allerdings haftet diese in der Regel nur für Hausrat in üblichem Umfang – teures Studioequipment ist in vielen Fällen auch im Brandfall nicht mitversichert. Und für Geräteschäden durch Überspannungen kommt eine Brandversicherung ohnehin nicht auf, schließlich hat es in so einem Fall in der Regel nicht gebrannt. Auch eine übliche Hausratversicherung steht normalerweise nicht für Schäden an hochwertigem Musikequipment gerade. Wenn Ihr teures Equipment am Start habt, hilft eine Musikinstrumentenversicherung, die Brand, Wasserschäden, Einbruch, Vandalismus und auch Überspannungsschäden abdeckt. Teilweise ist auch der Transport eures Equipments mitversichert, falls Ihr viel live unterwegs seid. Allerdings lohnt sich der Vergleich der unterschiedlichen Anbieter, denn Versichungsumfang und Preise sind äusserst unterschiedlich. Und: Lest das Kleingedruckte! Ich hatte schon einen Anbieter, der die Haftung für in der Transportversicherung nur von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr gewährleisten wollte. Für einen Live-Musiker mehr als ein schlechter Witz…
Zusammenfassung – Elektronik im Studio vor Blitzschlag schützen
- Blitzeinschläge können auch aus der Entfernung Equipment beschädigen.
- Beschädigungen entstehen nicht nur über die Netzverbindung, sondern auch über alle anderen Kabelverbindungen.
- Ein gutes Schutzkonzept mit Blitzableiter, Sicherungen und Überspannungsschutz ist wichtig.
- Im akuten Fall ist es am Sichersten, alle physikalischen Kabelverbindungen zu kappen.
- Es ist sinnvoll, die Versicherungen nach ihren genauen Leistungen zu überprüfen.
Achtung: Lasst Elektroinstallationen “vor der Steckdose” in jedem Fall einen Fachmann machen und haltet euch auch bei Steckdosen und Verteilern immer an die Gebrauchsanweisungen! Und bitte bedenkt, dass das befolgen unserer Tipps hier nicht bedeutet, dass wir Haftung für eventuell doch auftretende Schäden übernehmen.