“Wenn man eine analoge Aufnahme digitalisiert, geht Wärme verloren.” –
So ein weit verbreiteter Glaube. Wie das genau vonstatten gehe, darüber kursieren vielerlei Gerüchte. Manche haben mit der Vorstellung zu tun, dass die Rasterung einer Schallwelle diese eckig macht und diese Ecken würden dann irgendwie hart klingen. Das ist eingängig, weil es so bildhaft ist. Wir sehen am Bildschirm diese Ecken und Kanten, das sieht hart aus, muss also auch hart klingen. Dabei wird übersehen, dass nicht das Bild auf dem Bildschirm von unseren Ohren wahrgenommen wird, sondern eine Schallwelle im Raum, die von der Membran eines Lautsprechers erzeugt wird. Dass diese Membran überhaupt in der Lage sein soll, dieses Bild ebenso eckig und kantig in die Luft zu übertragen ist indes kaum vorstellbar. Eine Membran kann ihren Zustand ja nicht abrupt ändern, sondern muss bewegt werden.
Natürlich passieren ein paar heikle Dinge bei einer Wandlung von analog nach digital.Ein umfassender Überblick über Digitalwandlung würde an dieser Stelle zu weit führen, ich zähle hier nur die wichtigsten Aspekte auf, die den Klang beeinflussen können. Die zeitliche Rasterung bewirkt zum Beispiel, dass sich Fehler in der Abtastung einschleichen können, und zwar dann, wenn die Abtastrate nicht um ein Vielfaches höher ist als die Frequenz, die abgetastet wird. Taste ich eine Schwingung, die sich alle 0,008 Sekunden wiederholt, nur einmal alle 0,007 Sekunden ab, erhalte ich willkürliche Werte, die eine viel tiefere Wellenform suggerieren, die so gar nicht stattgefunden hat. Auch wenn wir mit Abtastraten arbeiten, die weit über der höchsten hörbaren Frequenz liegen, heißt das ja nicht, dass die Wandlung nicht durch noch höhere, ebenfalls unhörbare Frequenzen gestört werden kann. Diese Störung betrifft dann unter Umständen den hörbaren Bereich, also muss vor Abtastung alles, was oberhalb der kritischen Frequenz liegt, herausgefiltert werden. Damit lässt sich das Problem dann aber sehr effektiv in den Griff bekommen. Eine Kleinigkeit betrifft noch die zeitliche Dimension: Das menschliche Gehör ist in der Lage, Laufzeitunterschiede wahrzunehmen, die weitaus feiner aufgelöst sind als die höchste Frequenz, die wir hören können. Das ist in der Natur wichtig für die Orientierung und bedeutet in der Digitaltechnik, dass sich die räumliche Wirkung einer Aufnahme verschieben kann, auch wenn wir sie mit einer relativ hohen Abtastrate digitalisieren. Wir müssen die Abtastrate also hoch wählen. In der Praxis reichen moderne Abtastraten dafür locker aus.
Ein grundlegendes Problem bei der Wandlung ist das Quantisierungsrauschen.
Durch die Einteilung der Amplitude in gerasterte Werte entstehen sozusagen Phantomhöhen, die als Rauschen hörbar werden können. Die Wortbreite ist das, was wir als Bit-Wert eines Audiosignals kennen und bezeichnet im Unterschied zur Abtastrate nicht die zeitliche Dimension, sondern die Amplitude des Signals. Bei der Rasterung der Amplitude entsteht tatsächlich ein gewisses Kratzen, was vermutlich die Vorstellung der Kälte, die die Rasterung hervorruft wesentlich geprägt hat und zum Beispiel bei 8bit-Dateien gut zu erkennen ist. Die Kanten, die durch die Rasterung entstehen, werden von den Wandlern, die für die Wiedergabe zuständig sind, wie Höhen gelesen. Höhen sind sehr schnelle Änderungen in der Amplitude, Ecken auch. Akustisches Ergebnis ist eine Art Rauschen, das man durch ein künstliches zugemischtes Rauschen verdecken kann, so dass es weniger unangenehm auffällt. Das nennt sich Dithering und hat auch bei den heutigen großen Wortbreiten, die eigentlich kaum noch wahrnehmbares Quantisierungsrauschen produzieren, einen positiven Effekt auf den Klang der Wandlung.
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Dann wäre da noch die Sache mit dem Jitter
Bei jeder Übertragung digitaler Echtzeitinformationen von Gerät zu Gerät, und das geschieht in der Audiotechnik ständig, müssen Sender und Empfänger im gleichen Takt laufen. Dieser Takt ist innerhalb des Wandlers üblicherweise sehr hoch angesetzt, nämlich mit dem 256-fachen der Abtastrate, sodass er nur schwer störungsfrei über Kabel übertragen werden kann. Deswegen wird er auf eine Wordclock heruntergebrochen, die der einfachen Abtastrate entspricht und muss dann wieder im Ausgangswandler mit dem Faktor 256 multipliziert werden. Dabei schleichen sich leicht Schwankungen im Takt ein, die die Qualität des ausgegebenen Signals verringern können.
Moderne Wandler sind all diesen Herausforderungen gewachsen
Wie eben ausgeführt, gibt es ein paar Dinge, die bei einer Wandlung von analog nach digital schief laufen können. Nun hatten zwar die Wandler der ersten Stunde noch mit all diesen Problemen praktisch zu kämpfen, moderne Wandler sind aber auch in der Einsteigerklasse von Audio-Interfaces so ausgereift, dass der Unterschied zwischen Original und gewandeltem Signal wirklich marginal ist. In der Praxis ist es, und das kann ich kaum genug betonen, meist der Fall, dass der Unterschied überhaupt nicht hörbar in Erscheinung tritt.
Was passiert nun bei einer analogen Aufnahme?
Ein analoges Signal durchläuft während einer Produktion eine ganze Reihe von Verstärkungs- und Abschwächungsvorgängen, die Phasenlage, Frequenzgang und Obertongehalt stark verändern. Bei der Aufnahme auf Tonband gibt der Korridor zwischen dem Eigenrauschen des Bandes und der Übersteuerungsgrenze gerade mal leidlich genug Platz für die Dynamik einer halbwegs natürlichen Aufnahme. Es kommt also bei lauten Passagen zu Verzerrungen im Obertonbereich, bei denen dem Signal Obertöne hinzugefügt werden, die es zuvor nicht gab und zu einer Begrenzung der Dynamik durch die Sättigung des Trägermaterials. Sehr hohe und sehr tiefe Frequenzen können überhaupt nur begrenzt aufgezeichnet werden, so dass sich eine Einengung des Frequenzgangs ergibt. Jede weitere analoge Bearbeitung, besonders durch Röhrengeräte, fügt dem Signal zusätzliche Verzerrungen, Dynamikbegrenzung, Änderungen des Frequenzganges und Phasenverschiebungen zu. Pressen wir das Ganze auf Vinyl, wiederholen sich all diese Vorgänge sogar noch einmal im Wohnzimmer, auch wenn die Nadel frisch ist und die Platten gut aufbewahrt werden. Das Ergebnis hat verständlicherweise sehr, sehr wenig mit dem Original zu tun.
Die Veränderung geschieht nicht durch Digitalisierung, sondern sie bleibt aus.
Und das ist nun der wesentliche Punkt:Diese Dinge, die bei einer analogen Produktion geschehen, verändern den Charakter des Ausgangsmaterial zwar sehr stark, aber gerade das empfinden wir als angenehm. Viele dieser technisch eigentlich unerwünschten Nebeneffekte der Analogtechnik werden heutzutage absichtlich während des Masterings erzeugt. Es ist mitnichten so, dass eine Digitalisierung einem Signal einen nennenswerten Schaden zufügt, im Gegensatz zu einer anlogen Kette ist eine moderne Wandlung geradezu vorbildlich nebenwirkungsfrei. Aber das klingt dann eben auch sehr neutral. Es ist keine Färbung durch Wandlung, sondern eben die unterlassene Färbung, die so kalt klingt.Es ist ein bisschen so als meinte man, diese Dinger unter unseren Fenstern seien Kühlschränke, weil sie für Kälte sorgen. Wenn man sie ausmacht.
Amos sagt:
#1 - 07.05.2022 um 11:44 Uhr
Ja das leidige Thema, analog oder digital. Ich war relativ früh von Digital begeistert. In Bezug auf Livemusik sowieso. Wenn ich heute meine Anlage aufgebaut habe und einschalte funktioniert, in der Regel alles sofort, kein Brummen, kein Rauschen, keine Störung. Das war bei meiner alten guten, recht teuren Analoganlage eher selten der Fall. Irgendwelche Masseprobleme oder sonstige Störungen waren doch immer erstmal zu beseitigen. Ganz abgesehen vom Gewichtsproblem. Aber hier ging es ja um Klang. Da waren vielleicht am Anfang Mängel in der Digitalumwandlung. Heute jedoch erkenne ich dieses Problem in keinster Weise mehr. Kurz und gut, ich möchte nicht unbedingt zur guten, alten Technik zurück. Aber das ist wohl auch mehr eine Kopfsache. Ich finde meinen 80er Jahre alten Luxman HIFI Verstärker auch immer noch hervorragend zum Musik hören und sehe keine Notwendigkeit für ein neues Modell.