Die PLAY Engine gestaltet sich erfreulich übersichtlich. Es gibt keine überflüssigen Regler mit kryptischen Bezeichnungen, und fast alle relevanten Parameter lassen sich in der Hauptansicht steuern. Die abgekürzten Bezeichnungen der Presets können anfangs etwas undurchsichtig wirken, aber in einer so umfangreichen Library kann man von vornherein mit einer gewissen Einarbeitungszeit rechnen. Ansonsten hat man, ohne sich durch komplizierte Menüstrukturen klicken zu müssen, unter anderem direkten Zugriff auf die üblichen MIDI Einstellungen, wie den Kanal oder die Velocity Curve, eine AHDSR Hüllkurve und den integrierten Faltungshall. Einige Features dieser Ansicht werden wir später noch genauer unter die Lupe nehmen. Für den Moment wechseln wir aber in die Browseransicht und sehen uns die Struktur der Library einmal genauer an.
Instrumentengattungen
Wie schon angedeutet, gliedert sich der Content grob in die vier Instrumentengattungen der Streicher, Holzbläser, Blechbläser und des Schlagzeugs. Innerhalb der Gattungen finden sich die einzelnen Instrumente, die entweder in der Gruppe (z.B. 18 Violinen, 6 Hörner) oder einzeln (z.B. Solo Fagott oder Harfe) gesampelt wurden. Prinzipiell liegen alle Gruppeninstrumente auch als Solo-Versionen vor, und nebenbei gibt es auch einige Exoten, wie beispielsweise eine Sammlung von Large String Ensembles oder einen unter den Holzschlaginstrumenten eingeordneten Steinway Konzertflügel. Erstere verteilen das gesamte Streichorchester über das Masterkeyboard, Letzterer ist wohl eher als Aperitif für die Quantum Leap Pianos gedacht, kann aber mit der Detailfülle aktueller Softwarepianos bei weitem nicht mithalten. Im Großen und Ganzen wird der Klangkosmos eines Orchesters vollständig abgedeckt.
Die einzelnen Instrumente unterteilen sich nun wieder in ihre Spielweisen. Diese unterscheiden sich von Gruppe zu Gruppe, denn natürlich kann ein Horn nicht Pizzicato (an der Saite gezupft) spielen, und ein Geiger, der versucht die Bläsertechnik „Flatterzunge“ anzuwenden, würde bestenfalls ein irritiertes Stirnrunzeln im Publikum verursachen. Bei den Schlaginstrumenten hält sich die Vielfalt der Artikulationen naturgemäß noch in Grenzen. Für Pauken oder Snaredrums gibt es beispielsweise nur den einfachen Anschlag und einige Wirbel. Die restlichen Instrumente bieten im Durchschnitt etwa 20 bis 30 Spielweisen, und die unangefochtene Königin des Orchesters, nämlich die Violine, erreicht im Programm „11 Violins“ imposante 56 verschiedene Möglichkeiten, ihre Saiten zum Schwingen zu bringen. Zwischen langen Sustain-Samples und kurzem Staccato bietet sich ein breites Spektrum, und zum Teil sind auch sehr spezielle Effekte zu finden. In den meisten Fällen liegt all dies in bis zu drei Velocity Layers vor. Wer die ein oder andere aktuelle Sample Library kennt, der weiß, dass diese zum Teil mit etwa 20 oder manchmal sogar weit mehr Lautstärkeabstufungen arbeiten (v.a. Drum-Libraries). Eine kleine Kopfrechenaufgabe zwischendurch führt mir aber vor Augen, wie sehr die Datenmenge dadurch anwachsen würde, und ich entscheide mich spontan, sämtliche Forderungen beizulegen. Eine Kostprobe des Programms „11 Violins“ findet ihr im Player. Jeder Track stellt drei Spielweisen aus den Kategorien „Long“, „Short“ und „FX“ vor.
Mikrofonierung
Das Material der Platinum und Platinum Plus Bundles liegt in drei Mikrofonpositionen vor. Die Stage-Mikrofonierung der günstigeren Versionen wird dabei um eine Close- und eine Surround-Variante ergänzt. Die Mikros rücken also einmal ganz nahe an die Instrumente heran und einmal weiter in den Raum, was unter anderem natürlich eine entsprechende Beeinflussung des natürlichen Nachhalls zur Folge hat. Für eine realistische Abklingphase sorgen intelligente Release Samples, die nach dem Loslassen einer Taste auf dem Masterkeyboard (Note-Off) abgespielt werden. Die Bezeichnung „Surround“ suggeriert zwar eine Verwendung in einem 5.1-Mix, lässt sich aber auch in Stereo sehr gut einsetzen. Sehr erfreulich ist, dass die verschiedenen Rauminformationen (genauso wie jedes Instrument) über einen der neun Stereoausgänge der PLAY Engine getrennt in den Mixer der DAW geschickt werden können.
Schreiten wir nach dem kleinen Vorgeschmack der verschiedenen Spielweisen jetzt gleich weiter zu einer musikalischen Anwendung der Library. Passend zu unserer 8500 km weiten Reise nach Amerika hören wir die Einleitung zum zweiten Satz aus der „Sinfonie aus der neuen Welt“ von Antonin Dvořák. In diesem Beispiel wird pro Instrument nur eine Artikulation verwendet. Den Programmieraufwand für diese und alle folgenden Klangbeispiele habe ich innerhalb gewisser Grenzen gehalten. Equalizer oder Kompressoren kommen nicht zum Einsatz.
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Klangbearbeitung
Für die dynamische Entwicklung der Liegetöne von Blechbläsern, Klarinette und Fagott habe ich die Dynamic Crossfade Programme (DXF) verwendet, bei denen die Klangfarbe der Instrumente über das Modulationsrad gesteuert wird. Die tatsächliche Lautstärke wird dabei nur gering beeinflusst und hat mit Expression und Main Volume ihre eigenen MIDI-Controller. Die Anschlagstärke ist bei den Dynamic Crossfade-Programmen, anders als bei den Standard-Instrumenten, nicht von Bedeutung. Das Konzept ist stimmig und sorgt für eine geschmeidig anpassbare Klangbearbeitung. Der beigefügte Screencast zeigt wie es geht und klingt.
Die DXF-Programme sind nur eine der Kategorien, die das EWQLSO an Crossfades anbietet. Alternativ zur Dynamik kann man über das Modulationsrad beispielsweise auch zwischen Vibrato und Non-Vibrato überblenden oder die Lautstärke des Akzents am Anfang eines Tons beeinflussen. Genial wäre natürlich, wenn all diese Möglichkeiten in einem Preset zusammengefasst wären, aber dem ist leider nicht so. Man muss sich also immer zuerst die passenden Bausteine aus dem Werkzeugkasten suchen.
Die Instrumentenpresets des Platinum Plus Bundle liegen nur in 24-Bit vor. Die Folge ist, dass man bei der Arbeit in 16-Bit nach dem Laden eines Patches immer zuerst umschalten und noch einmal laden muss, und das ist natürlich etwas umständlich. Abhilfe schafft man sich am besten, indem man seine eigenen Presets in der niedrigeren Auflösung abspeichert. Auch geht bei der Arbeit mit vielen Artikulationen schnell der Überblick verloren, da die Einstellungen immer nur für ein Preset gelten. Dementsprechend schaltet man immer wieder durch die geladenen Instrumente und kontrolliert, ob auch wirklich alles in der gewünschten Auflösung ist. Eine Möglichkeit, die Bit-Tiefe global umzustellen, wäre schon sehr hilfreich. Möglicherweise wird hier die PLAY Pro Engine Abhilfe schaffen, die von EastWest schon vor einer ganzen Weile angekündigt wurde.
Keyswitch-Presets (KS)
Alternativ zu den einzelnen Artikulationen, die immer über unterschiedliche MIDI-Kanäle angesprochen werden, gibt es Keyswitch-Presets (KS), die mehrere Spielweisen zusammenfassen und es möglich machen, diese über Steuertasten außerhalb des Tonumfangs des geladenen Instruments anzuwählen. So bringt beispielsweise bei dem Programm „10 Violas“ ein Tastendruck auf das F#0 des Masterkeyboards die Software dazu, fortan Ganztontriller zu spielen. Das ist ein vergleichsweise sehr komfortabler Weg, denn gerade bei komplexeren Arrangements wächst die Anzahl der MIDI-Tracks sonst schnell ins Uferlose. Die Belegung dieser Steuertasten kann innerhalb eines KS-Programms angepasst werden, und es gibt die Möglichkeit, nicht benötigte Samplebänke zu entfernen und so wieder RAM freizugeben. Sehr schade ist aber, dass man keine eigenen Presets dieser Art zusammenstellen kann, vor allem da im KS-Angebot der EWQLSO nicht alle Artikulationen enthalten sind. In diesem Punkt ist die PLAY Engine trotz jüngstem Update tatsächlich noch etwas unflexibel, denn entsprechende Eingriffsmöglichkeiten sind bei anderen virtuellen Instrumenten heutzutage Teil der Grundausstattung. Auch hier lässt die angekündigte PLAY Pro Engine Besserung erwarten, aber natürlich kommt man auch mit diesem kleinen Manko zurecht.
Für das folgende Hörbeispiel setzen wir am letzten Punkt unserer Reise an. Nicht weit entfernt vom Houston Airport befindet sich nämlich das Johnson Space Center, wo wir uns kurzer Hand ein Space Shuttle greifen, um unsere Reise durch den Klangkosmos der Orchestermusik fortzusetzen. Passend dazu kommen wir zurück auf Wolfgang Amadeus Mozart und hören einen kurzen Auszug aus dem ersten Satz seiner 41. Sinfonie, auch bekannt als „Jupiter-Sinfonie“. An dieser Stelle nehmen nur die Streicher in unserem virtuellen Orchestergraben Platz. Für den melodietragenden Part der ersten Violinen finden Marcato, Ganztontriller und mehrere Legato-Artikulationen aus dem Keyswitch-Programm Anwendung. Ganz genau hört man das in der Solo-Version der ersten Violinen.
Mit dem Ziel, das Spiel der einzelnen Instrumente noch realistischer zu machen, bietet die PLAY Engine drei Performance Scripts, die jeweils über einen entsprechenden MIDI-Controller aktiviert werden. Mit dem „Portamento“ Script wird eine Art Slide-Effekt in die Tonhöhenübergänge eingebaut. „Repetition“ wechselt, um einen Machinegun-Effekt zu vermeiden, durch alternative Samples, und „Legato“ nimmt sich vor, den Übergang zwischen den Tönen weicher zu machen. Der gute Vorsatz ist zwar lobenswert, aber über diesen kommt die Software leider kaum hinaus. Während „Portamento“ und „Repetition“ im Hintergrund eines Arrangements vielleicht noch ihren Dienst tun können, hat das „Legato“ Script einen eher gegenteiligen Effekt. Alles was hier passiert, ist offenbar, dass die eigentlich sehr schönen Release-Samples durch den internen Faltungshall ersetzt werden, was zur Folge hat, dass der Klangverlauf wesentlich holpriger wirkt als im Original. Diese Funktionen sehen wir uns in einem weiteren Video an.
Zum Abschluss unserer Reise in die unendlichen Weiten des Orchesters hören wir eine komplette Besetzung in der alle Instrumentengattungen vertreten sind. Dazu lassen wir das Sonnensystem hinter uns und begeben uns in eine Welt, die man mit der Einleitung „A long time ago in a galaxy far, far away….“ versehen könnte. Ähnlichkeiten mit real existierenden Filmkompositionen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.