Das Thema Tapping ist eine Art Dauerbrenner in der Welt der gitarristischen Spieltechniken. Entstanden in den 50er Jahren, wurde die Technik primär durch Eddie Van Halen Ende der 70er und 80er Jahre populär und beeinflusste im Nachgang eine ganze Dekade und Generationen von jungen E-Gitarristen.
Zwar wurde diese Spielweise in den 90er Jahren durch das Aufkommen der Grunge-Welle und den zunehmend unpopulär werdenden Gitarrensoli gemieden und galt sogar als stilistisch antiquiertes Relikt der 80er, doch seit etwa 2010 scheint das Tapping durch Player wie Guthrie Govan
oder Greg Howe eine Art Renaissance zu erfahren.
Das ist für uns Grund genug, den zahlreichen Facetten dieser Technik mal auf den Zahn zu fühlen und auch zu ergründen, wie sie sich organisch in das Spielgefüge einbetten lässt.
Geschichte
Die Tapping-Technik gibt es im Prinzip schon seit den Anfängen der E-Gitarre und findet ihre Wurzeln bei dem Jazzgitarristen Jimmy Webster, der 1952 sein Buch “Illustrated Touch‐System” veröffentlichte, in dem es darum geht, im Jazzkontext Akkorde und Melodien gleichzeitig unter Zuhilfenahme der Pickhand zu spielen. Jimmy wiederum beruft sich bei dieser Idee auf Harry DeArmond, der ab Mitte der 1930er Jahre Gitarrentonabnehmer entwarf und eine spezielle Klopftechnik entwickelte, allerdings nicht zu Spielzwecken, sondern um die Empfindlichkeit der Tonabnehmer zu demonstrieren.
Später, in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, wurde das Tapping zwar von diversen Jazz- und Rockgitarristen wie z. B. Barney Kessel und Harvey Mandel vereinzelt eingesetzt, fand jedoch eher eingeschränkte Anwendung und wurde nie zu einem zentralen Teil des persönlichen Stils. Erst Ende der Siebzigerjahre, nach fast vierzigjähriger Vorgeschichte, war es schließlich Eddie Van Halen, der die Technik mit dem Stück “Eruption” von Van Halens Debut-Album fest in der Rockmusik etablierte. Diesmal war diese Spielweise jedoch nicht nur als ein kleines Gimmick oder als Effekt zu verstehen, sondern wurde zu einem ganz integralen Bestandteil im Spielstil Van Halens, und in der Nachfolge natürlich auch vieler anderer Gitarristen wie z. B. Stanley Jordan, Steve Lynch oder TJ Helmrich, die teilweise sogar alle Finger der Pickinghand zum Tappen einsetzten.
Im Zuge des Anbruchs eines neuen technischen Zeitalters in der Equipment-Welt wurden auch die Instrumente‐ und Verstärker verfeinert und weiterentwickelt. Dünnere Hälse, flachere Griffbrettradien, niedrigere Saitenlagen, leichtere Saitenstärken, schwebende Tremolosysteme und eine Erhöhung des verfügbaren Gains führten zu neuen stilistischen und technischen Möglichkeiten des Gitarrenspiels, an deren Entwicklung Eddie Van Halen ebenfalls ganz maßgeblich beteiligt war. So dauerte es auch nicht lange, bis eine neue Generation aufstrebender moderner Rockspieler wie Randy Rhoads, George Lynch und Steve Vai, die stark von Eddie beeinflusst waren, die Tappingtechnik in ihr Spiel integrierten und bis heute als festen Bestandteil des Rockvokabulars verankerten.
Technik:
Auch wenn Eddie van Halen den Zeigefinger zum Tapping nutzte, empfehle ich im Hinblick auf die Weiterführung der Technik, das Plektrum wie gewohnt zu halten und mit dem Mittelfinger zu tappen. Grund dafür ist, dass moderne Rockplayer Tapping‐Ideen mit anderen Spieltechniken wie Sweeping oder Legato kombinieren, was durch das Umgreifen und Manövrieren mit dem Pick stark beeinträchtigt werden kann. Abgesehen davon muss man sich beim Zeigefinger-Tapping auch gut überlegen, wie man das Plektrum in seiner Hand sicher unterbringt. Eddie Van Halen oder Nuno Bettencourt gelingt dieser Wechselprozess dadurch ganz gut, dass sie das Pick blitzschnell in die Fingerglieder des Mittelfingers klemmen und von dort auch wieder zurückholen können.
Platziert nun den Handballen der Tap-Hand über dem Hals und klopft mit dem Mittelfinger wie bei einer Hammer-On-Bewegung auf die entsprechende Saite kurz vor dem Bundstäbchen. Der Tapping-Finger übernimmt nun einerseits die Aufgabe des Tappens, aber auch des Zupfens der gegriffenen Note, was über einen Pull-Off erfolgt. Grundsätzlich gilt es dabei zu überdenken, ob man die Pull‐Off-Bewegung des Tap‐Fingers tendenziell eher nach unten oder nach oben in die Hand macht, wobei beide Bewegungen bei bekannten Spielern beobachtet werden können und auch durchaus ausprobiert werden sollten. Zu Beginn werdet ihr merken, dass euer Tap-Finger an diese Spielweise noch nicht gewohnt ist und ihr ihm Zeit geben müsst, eine ähnliche Hornhaut an der Fingerkuppe zu entwickeln wie eure Greifhand, als deren Erweiterung er nun in Erscheinung tritt.
Ein weiteres Hauptproblem für Tapping-Einsteiger ist sicherlich das Timing, denn gerade der Übergang von der Greif- zur Tapping-Hand sollte flüssig und “ruckelfrei” über die Bühne gehen. Versucht hier, die Genauigkeit zunächst im langsamen Tempo zu perfektionieren, bevor ihr die Geschwindigkeit erhöht, und achtet auf eine homogene Klangqualität zwischen rechter und linker Hand. Fokussiert euch auf die Downbeats und stellt sicher, dass vor allem diese Noten exakt auf dem Klick sitzen. Das Dämpfen der nichtgespielten Saiten müssen sich beim Tapping die linke und die rechte Hand aufteilen. Grundsätzlich gilt:
a) der Zeigefinger dämpft sowohl die Saite unmittelbar unter der gegriffenen Note als auch die höheren Saiten darüber.
b) der Handballen der Tapping-Hand dämpft alle anderen tiefen Saiten.
Um möglichst viel improvisatorischen Wert aus den Übungsbeispielen zu ziehen, sollte man langfristig ein besonderes Augenmerk auf die “Exit”- bzw. Endnoten legen, die dann den Übergang in den weiteren Soloverlauf bilden. Versucht z.B. am Ende einer der vorgestellten Tapping-Phrasen in ein normal gespieltes Blueslick oder in eine andere, kurze melodische Phrase überzugehen. Die Tapping-Technik eignet sich nämlich hervorragend für Kurzsequenzen oder Effekt-Gimmicks, hat aber wenig improvisatorischen Wert, wenn man nicht effektiv überleitet und lernt, die Technik mit anderen Komponenten des Spiels zu mischen. Genau das machte Eddie Van Halen zu einem so beeindruckenden Gitarristen: Nicht die isolierte Technik selbst, sondern die Art und Weise, wie er sie so natürlich und organisch in seinen eher Blues- bzw. Rock‐basierten Stil integrierte.
Player
Hier findet ihr eine Liste von Gitarristen, die das Tapping zum festen Bestandteil ihres Spielstils gemacht haben und übrigens auch vollkommen unterschiedlich damit umgehen und klingen:
Für dich ausgesucht
- Eddie Van Halen
- Steve Lynch
- Randy Rhoads
- Steve Vai
- Joe Satriani
- Tony McAlpine
- Reb Beach
- Richie Kotzen
- Greg Howe
- Stanley Jordan
- TJ Helmrich
1. Dreiklangsarpeggios
Am Anfang hört ihr die klassische Van Halen-Triole, wie man sie in ähnlicher Form bei “Eruption” findet. Prinzipiell handelt es sich dabei um Dreiklangsbrechungen in diversen Umkehrungen. Das Folgebeispiel ist ein grundstelliges Am-Arpeggio:
Diese Idee lässt sich natürlich noch weiterspinnen, indem man sich eine Akkordfolge ausdenkt, die man mit Tappings aus-arpeggiert. Gerade hier führt das Spielen von Umkehrungen dazu, dass man manchmal nur ein oder zwei Töne verändern muss, um zu einem neuen Akkord zu gelangen. Im folgenden Lick denke ich mir z.B. die Akkordfolge Am – F – G – E7 und ersetze den E7 durch ein G#0-Arpeggio:
Eine Variation der Ur-Van Halen-Triole wäre das Erweitern des Arpeggios mit Leersaiten. Dieses Prinzip bildet in ähnlicher Form z.B. das Introriff des Van Halen Klassikers “Hot for teacher”:
Mit einer kleinen Abwandlung der Van Halen-Triole kam der Zeitgenosse Randy Rhoads, damals Gitarrist bei Ozzy Osbourne, im Solo von “Crazy Train” um die Ecke, wählte jedoch eine 16tel Rhythmisierung. Das Prinzip des Spielens von Dreiklangsarpeggios bzw. deren Umkehrungen bleibt jedoch identisch:
Ebenfalls bei Randy Rhoads hören wir eine weitere Variation der Van Halen-Triole, die mit einer Verdopplung des Tapping-Tons daherkommt:
2. Pentatonik
Manche Pentatonik-Pattern bieten aufgrund ihres optisch sehr symmetrischen Aufbaus und der starken Verwandtschaft zum Dreiklangtriolen-Shape tolle Vorlagen für Tapping-Läufe. Hier würde ich euch empfehlen, jedes einzelne der fünf Pentatonik Pattern nach diesem Schema abzugrasen. Die erste Sequenz findet in einer triolischen Rhythmisierung statt.
Bei Steve Vai hört man eine leichte Variation davon, bei der jeweils der Tapping-Ton den Startton oktaviert. Dadurch lassen sich furiose und ziemlich verrückt klingende Effekte erzielen:
Hier hört ihr eine kleine Permutation des obigen Licks, die diesmal in 16teln rhythmisiert ist:
3. Durscale Tapping
Nach Eddie erschienen zig Gitarristen auf der Bildfläche, die den Tapping- Gedanken nun auch auf Durscale-Pattern ausweiteten und neben dem Arpeggio- und Pentatonik-basierten Spiel zunehmend skalarer dachten. Allen voran wäre hier natürlich Steve Vai, Greg Howe oder auch Reb Beach zu nennen. Dabei werden Durscale-Shapes ganz einfach um eine Tapping-Note erweitert, die eine Skalenstufe über dem letzten gehammerten Ton liegt. Dadurch lassen sich lange Skalenläufe gut umsetzen und auch die Integration in das damals etwas modernere skalenbasierte Spiel geht leichter von der Hand.
Als Vorübung bleiben wir zunächst auf einer Saite und fügen zu einem dreitönigen Shape einfach die nächste Note hinzu:
Nun sind sowohl fallende als auch steigende Sequenzierungen möglich, wie ihr nachfolgend am Beispiel der A-Dur bzw. B-dorischen Skala seht. Auch hier rate ich, alle sieben Three-Note-per-String-Pattern mit der erweiterten Tapping-Note in verschiedenen Tonarten durchzuexerzieren.
4. Three-Note-per String Scales mit Tapping
Eine soundmäßig interessante Variation, die zwar auch als gewöhnliche Legatotechnik umsetzbar wäre, ist das Spiel von Three-Note-per-String Scales, bei denen die dritte Note jedoch nicht, wie sonst üblich, mit dem kleinen Finger gespielt, sondern mit einem Tap realisiert wird. Hört euch hierzu insbesondere Greg Howes Soloaufnahmen an, der diese Spielweise häufig einsetzt:
So sähe das ionische Pattern der C-Dur Scale in schrittweise steigender und fallender Form aus:
Nun lassen sich nach dem obigen Prinzip diverse Skalensequenzen bilden:
5. Tapping und String-Skipping
Führt man den Gedanken weiter, lassen sich auch Vierklang-Arpeggios und Pentatonikpattern mit einer Kombination aus Tapping und der String-Skipping-Technik realisieren. An dieser Stelle möchte ich auf unseren String-Skipping-Workshop hinweisen, wo wir diese Technik unter Punkt 4 sehr genau beleuchten:
Nichtsdestotrotz möchte ich zur Ergänzung zwei Licks präsentieren, die dieses Thema gut beackern. Hier ist ein Arpeggio-Lick, das ein Gmaj7 Arpeggio mit der Bm-Pentatonik verknüpft. Achtet bei diesen Übungen insbesondere auf den “Hammer-On from Nowhere”, den der Zeigefinger der Greifhand ausführen muss. Da wir diesen Finger selten für Aufschlagsbindungen einsetzen, muss dieser noch etwas Kraft entwickeln und sich an die neue Bewegung gewöhnen.
Zum Abschluss kommt eine Pentatonik-Sequenz im Reb-Beach-Style, die neben Tapping und String-Skipping auch ein paar fiese Stretches beinhaltet:
Weitere Tapping-Licks könnt ihr in diesem Kurzworkshop finden:
Übrigens findet ihr in unserer Rubrik “Die besten Gitarren-Soli” eine große Anzahl, die sich der Tappingtechnik bedienen:
Und nun viel Erfolg beim Tappen!
Oliver Meyer sagt:
#1 - 03.06.2021 um 07:04 Uhr
Das ist ja super. Vielen Dank für diese sehr hilfreiche und systematische Zusammenstellung und die tollen Übungsbeispiele.
Christian sagt:
#2 - 16.02.2024 um 17:28 Uhr
Das hat mich sehr weitergebracht. Vielen Dank für diesen tollen Workshop!