Tapping auf dem E-Bass ist nicht gerade eine Spieltechnik, die man zwingend beherrschen sollte, wenn man als Bassist:in Arbeit finden möchte. Nach dem inflationären Einsatz im 80er-Jahre-Shredding gibt es gegenwärtig viele tolle Beispiele dafür, wie man mit Tapping am E-Bass großartige Musik machen kann – seien es Grooves, Akkordbegleitungen oder Solo-Arrangements. Tapping ist aber auch eine tolle Koordinationsübung für beide Hände und verbessert nicht nur unsere Spieltechnik, sondern auch unser Timing, die Griffbrettübersicht, das harmonische Verständnis etc. Es gibt also wirklich vielerlei Gründe, sich dieses spannenden Themas einmal anzunehmen!
Lineares Tapping auf dem E-Bass – History
Die Tapping-Technik hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich. Begonnen hat es bereits in den 60er-Jahren, um dann in den 70ern langsam an Popularität zu gewinnen. Seinen wirklichen Urknall erlebte das Tapping dank eines Gitarristen mit niederländischen Wurzeln: Eddie Van Halen!
Das Debütalbum seiner Band Van Halen enthielt unter anderem den Song „Eruption“, in dem er vor allem im Intro Tapping exzessiv einsetzte. Die Gitarrenwelt wusste nicht, wie ihnen geschehen war, und Eddie Van Halen wurde zum neuen Superstar der Szene. Unzählige Gitarrist:innen eiferten Eddie nach und trieben die Technik weiter.
Ein Aspekt der Tapping-Technik ist, dass man dadurch mit vergleichsweise wenig Aufwand sehr schnell spielen kann. Das ist in den falschen Händen leider nicht immer ein Vorteil! Daher wurde im Laufe der 80er-Jahre Tapping zu seinem eigenen Klischee und ein Synonym für das sogenannte “Shredding”. Dies lässt sich etwa so übersetzten, dass man eine Technik um ihrer selbst willen ausübt, um das Publikum zu beeindrucken. Die Musik geriet dabei leider häufig in den Hintergrund!
Neben vielen anderen Bassisten, etwa z. B. Stu Hamm, war und ist in Sachen Tapping Billy Sheehan der bis heute bekannteste Bassist. Billy adaptierte die Technik sehr schnell für den E-Bass und nutzt sie bis heute ausgiebig. Wenn er auch nach eigenen Aussagen in den 80er-Jahren das eine oder andere Mal über das Ziel hinausgeschossen ist, verwendet er Tapping größtenteils sehr musikalisch, um tolle Highlights zu setzen, wie wir auch später in einem Beispiel sehen können.
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Schon bald erkannten sowohl Gitarrist:innen und Bassist:innen, dass man auch mit beiden Händen tappen und damit nicht nur Soli spielen kann, sondern auch Akkordbegleitungen oder ganze Solo-Arrangements. Dazu kommen wir aber im nächsten Teil dieser Reihe.
Lineares Tapping – Spieltechnik
Tappen wir einen Ton nach dem anderen und spielen damit Melodien (im Gegensatz zu Akkorden), spricht man auch von “Linearen Tapping”. Im Prinzip bedeutet dies, dass wir nicht mit der Anschlagshand den Ton erzeugen, indem wir die Saite anschlagen, sondern durch das Aufhämmern eines Fingers auf den gewünschten Bund auf dem Griffbrett.
Rein theoretisch kann dies mit jedem Finger geschehen. Für uns soll heute allerdings der Mittelfinger der Anschlagshand (“TP” in den PDFs) reichen. Mit ihm hat man in der Regel die meiste Kraft zur Verfügung. Zu seiner Unterstützung kann man auch noch den Zeigefinger darüber legen und/oder den Daumen für besseren Halt auf der Griffbrettkante positionieren.
Um nach dem Aufhämmern den nächsten Ton zu erzeugen, geben wir der Saite einen Impuls, indem wir den tappenden Finger nach oben (zu uns hin) ziehen. Zum Tapping gesellen sich meist noch Spielarten wie Hammer-On (“HO” in den PDFs) und Pull-Off (“PO” in den PDFs). Aus diesen Komponenten kann man dann verschiedene Abläufe basteln. Drei der wichtigsten findest du in der ersten PDF-Datei und dem zugehörigem Video. Als Beispiel dient uns ein E-Moll-Dreiklang mit den Tönen E, G und B. Letzteres tappen wir im 16. Bund.
Je nach Lust und Laune kann man diese Abfolgen verwenden, erweitern, vermischen etc. Das Basisprinzip bleibt dabei aber immer das Gleiche.
Arpeggios spielen mit Tapping
Natürlich werden meist harmonisch sinnvolle Töne getappt. Häufig sind dies Arpeggios, also Akkordbrechungen (wie gerade gesehen). Ein cooler Sound entsteht dann bereits dadurch, dass sich eine Hand bewegt und die andere statisch bleibt. Im folgenden Beispiel bewegt sich die tappende Hand chromatisch hoch und zurück. Auf diese Weise entstehen jedes Mal neue Akkorde: E-Moll, C-Dur (erste Umkehrung) und E vermindert.
Als nächsten Schritt bewegen wir nun die Greifhand um einen Halbton hin und her, die tappende Hand bleibt an Ort und Stelle. So wechseln wir zwischen den Akkorden E-Moll und B-Dur hin und her. Zur Abwechslung habe ich dieses Mal ein anderes Anschlagspattern gewählt:
Natürlich können sich auch die Anschlagpatterns über verschiedene Saiten bewegen. Im folgenden Beispiel spiele ich eine Akkordverbindung aus C-Moll (auf der D-Saite), F-Moll (auf der G-Saite) und G-Moll (auf der A-Saite).
Skalen/Tonleitern spielen mit Tapping
Nicht nur Akkorde, sondern auch anderes Tonmaterial kann man tappen – Tonleitern zum Beispiel. Für dieses Beispiel einer G-Dur-Tonleiter kommt noch ein Slide ins Spiel, um das Pattern zu komplettieren:
Lineares Tapping im Stile von Billy Sheehan
Zum Schluss noch ein Beispiel des Bass-Großmeisters Billy Sheehan. Mit seiner aktuellen Band Winery Dogs integriert Billy die Tapping-Technik sehr geschmackvoll in einen Rock-Kontext, zum Teil mit Ausflügen in den Pop. Ein gutes Beispiel ist das Intro zu „Elevate“, dem Opener des Debütalbums der Gruppe. Wer den Song noch nicht kennt – hier ist das Video:
Das Ende des Intro-Riffs bildet eine getappte Unisono-Linie. Als kleines “Special” ist jeweils die dritte Note des Patterns ein Pull-Off auf die Leersaite.
Dies war der erste Teil meines Workshops “Tapping für E-Bass”. Nächstes Mal kommt die Greifhand vermehrt ins Spiel, was uns zum sogenannten “Two Hand Tapping” führt. Viel Spaß beim Üben und bis zum nächsten Mal,
euer Thomas Meinlschmidt