Willkommen zurück zum zweiten Teil unserer Workshopreihe zum Thema Tapping für E-Bass! Ging es in Teil 1 um lineares Tapping im Stile von Eddie Van Halen oder Billy Sheehan, kommt heute die zweite Hand ins Spiel: Two Hand Tapping. Mit dieser Spieltechnik lassen sich auf dem Bass wunderbar ganze Akkorde umsetzen – ähnlich wie beim Spiel von Akkordbrechungen auf dem Klavier. Two Hand Tapping ist heutzutage eine populäre Bass-Spieltechnik, und YouTube ist voll von beeindruckenden Videos zu diesem Thema. Das Prinzip dahinter ist aber relativ simpel und mit wenig Mitteln lassen sich hier schon hörenswerte Ergebnisse erzielen!
Geschichte/History
Relativ schnell, nachdem Eddie Van Halen im Jahr 1978 die Musikwelt mit seinen Tapping-Fähigkeiten erschüttert hatte, stellten sich viele Gitarrist:innen und Bassist:innen die Frage: „Wenn ich schon zwei Hände habe, wieso soll ich dann nicht mit beiden tappen?“ Gesagt, getan: Und tatsächlich erweiterte Two Hand Tapping die melodischen und harmonischen Möglichkeiten dieser Technik enorm!
Gerade für den E-Bass bringt das Two Hand Tapping eine ganz andere Sinnhaftigkeit mit sich. Dient das lineare Tapping des letzten Workshops in erster Linie solistischen Zwecken und kann in der musikalischen Rolle des E-Basses nicht so gewinnbringend eingesetzt werden wie das Two Hand Tapping.
Ob der neuen Möglichkeiten sprangen viele Bassist:innen Mitte der 80er-Jahre auf den Tapping-Zug auf. Bekannte Vertreter in dieser Zeit waren zum Beispiel Stu Hamm und Kjell Benner, die diese Spieltechnik mit ihren Lehrvideos – damals noch als VHS-Videokassette, die man für teueres Geld KAUFEN musste – in die Wohnzimmer der wissbegierigen Bassist:innen brachten. Gerade klassische Werke wie die Cello-Suiten von Johann Sebastian Bach waren damals der Renner.
Viele andere Künstler, darunter Victor Wooten, Michael Manring, John Myung (Dream Theater) oder Marcus Miller trugen ebenfalls zur wachsenden Popularität des Two Hand Tapping bei, so dass es heute schon fast als Standardtechnik auf dem E-Bass gilt. Wer gerne auf YouTube recherchiert, kann mal bei Charles Berthoud oder Zander Zon vorbeisurfen. Diese beiden Musiker zeigen auf sehr beeindruckende Weise, was heutzutage alles mit dieser Technik möglich ist!
Für dich ausgesucht
Übrigens erfreut sich Two Hand Tapping schon seit langer Zeit auch in der Metalszene großer Beliebtheit. Hier stößt man auf Namen wie Evan Brewer, Nolly Getgood etc. Auch vermischen sich gerne unterschiedliche Anschlagstechniken wie Fingerstyle, Pick, Slap und Tapping in einem Song – je nachdem, welcher Sound gerade bevorzugt wird!
Spieltechnik
Anstelle eines oder zweier Finger der Anschlagshand nutzen wir beim Two Hand Tapping rein theoretisch alle Finger beider Hände (meist allerdings keine Daumen!), um Töne durch das Aufhämmern in den gewünschten Bund auf dem Griffbrett zu erzeugen. Die Greifhand ändert sich in ihrer Haltung eigentlich nicht im Vergleich zur „normalen“ Spielweise.
Die Anschlagshand steht jedoch je nach Situation fast parallel oder in einem flachen Winkel zum Griffbrett. Der Daumen darf dabei ruhig an der Kante des Griffbretts Halt finden, um die Hand zu stabilisieren. Welcher Finger wann auf welcher Saite welchen Ton spielt, hängt ausschließlich vom musikalischen Kontext ab, also der Harmonik und/oder Melodik. In den Videos wird dies sehr schnell deutlich.
Hier noch die Legende zur Erklärung der Anschlagstechniken in den PDF-Dateien:
G 1,2,3,4: Tappen mit ersten, zweiten, dritten oder vierten Finger der Greifhand
A 1,2,3,4: Tappen mit ersten, zweiten, dritten oder vierten Finger der Anschlagshand
HO: Hammer-On
PO: Pull-Off
SL: Slide
Mitschwingende Leersaiten beim Two Hand Tapping
Wer sich an dieser Technik schon einmal versucht hat, ist vielleicht auch auf das unangenehme Problem mitschwingender Leersaiten beim Two Hand Tapping gestoßen. Zudem gibt es das Phänomen, dass auch der Teil der Saite unterhalb des gedrückten Bundes mitschwingt und mitunter zu Dissonanzen führt.
Um dem vorzubeugen, kann man in der Nähe des Sattels eine Art Band anbringen, um die Saiten zu dämpfen. Es gibt hierfür professionelle Lösungen, es kann aber auch eine D.I.Y.-Lösung sein, wie etwa ein Haargummi, Klettband etc. Ich habe hierfür einfach eine Schlaufe verwendet, die einem Instrumentenkabel beigelegt war. Die Luxusvariante ist zweifellos das „Fret Wrap“ der Firma Gruv Gear. Diese gibt es unterschiedlichen Größen für 4-, 5- oder 6-Saiter:
Dur- und Moll-Akkorde spielen mit Two Hand Tapping
Two Hand Tapping wird häufig verwendet, um ganze Akkorde auf dem Bass umzusetzen. Damit diese transparent klingen und kein „Mulm“ entsteht, muss man die einzelnen Töne weiter voneinander trennen und sogenannte „Voicings“ verwenden. Dies meint eine bestimmte Interpretation eines Akkords, auf Deutsch: WIE ich die Töne des Akkords auf dem Griffbrett verteile.
Die wichtigsten Voicings für Dur- und Moll-Dreiklänge schauen wir uns nachfolgend näher an. Bei diesen Griffbildern liegt der Grundton auf der A-Saite, die Quinte auf der D-Saite und die Terz auf der G-Saite. Als Grundton dient uns der Ton G:
Befindet sich der Grundton auf der E-Saite, so haben wir bei einem 4-Saiter einen zusätzlichen Ton für unsere Voicings. Die Aufteilung ist wie folgt: Grundton auf E-Saite, Quinte auf A-Saite, Oktave auf D-Saite und Terz auf G-Saite. Wieder gibt es zwei Griffbilder – eines für Dur- und eines für Moll-Dreiklänge. Als Grundton dient uns diesmal der Ton C:
Natürlich sind auch andere Voicings möglich und es gibt auch nicht nur Dreiklänge. Das Prinzipder Aufteilung auf beide Hände wurde aber sicher deutlich und lässt sich leicht auf andere Akkorde übertragen.
Two Hand Tapping auf dem E-Bass mit Slides, Pull-Offs, Hammer-Ons
Artikulationen wie Slides, Pull-Off und Hammer-On bringen noch deutlich mehr Würze in die Sache und erweitern die Möglichkeiten nahezu ins Endlose. Hier sind ein paar Beispiele, welche als Ausgangspunkt für eigene Experimente dienen können:
Two Hand Tapping auf dem E-Bass – Beispielsongs
Für dieses Beispiel habe ich die Akkordfolge von Metallicas “Nothing Else Matters“ genommen und sie auf zwei Hände aufgeteilt. Die Tapping-Technik in Kombination mit dem Pull-Off erzeugen dabei den 6/8-Rhythmus:
Die Akkorde von „Purple Rain“ von Prince waren beim nächsten Beispiel Vorbild. Hier habe ich bewusst Slides und Pull-Offs gefeatured:
Wie ihr sicher bereits ahnt, sind die Möglichkeiten mit Two Hand Tapping plus Artikulationen endlos. Hier lohnt es sich, eigene Ideen oder die Akkorde der Lieblingslieder mit verschiedenen Optionen auszuprobieren.
Viel Spaß damit und bis zum dritten und letzten Teil meiner Workshopreihe „Tapping für E-Bass“,
euer Thomas Meinlschmidt