Praxis
Bevor ich mit dem Praxistest beginne, nehme ich euch noch kurz mit in die Vergangenheit …
Nachdem ich jahrelang im heimischen Studio an einem Alesis-Mixer werkelte, bot sich mir die Möglichkeit nebenbei in einem Recording-Studio zu arbeiten. Hier arbeitete ich dann mehre Jahre an einem analogen Tascam M3500 bzw. 3700 (mit Mute-Automation) in Verbindung mit einem Ensoniq-Paris-System. Dieses Setup war Fluch und Segen zugleich und wurde im Anschluss durch zwei digitale Tascam-TMD8000-Pulte in Verbindung mit Motu-Interface ersetzt. Diese Kombi war absolut zuverlässig und leistete mir mehrere Jahre treue Dienste, um dann durch einen digitalen Tascam-DM3200-Mixer upgegradet zu werden.
Im Gegensatz zur aktuellen Digital-Mischpult Generation war die Bedienung relativ umständlich, aber wir waren trotz allem ein sehr gutes Team, und es war ein Leichtes, externe Preamps und analoge Studiogeräte einzuschleifen und ich vermisse auch heute noch gelegentlich die Arbeitsweise mit einem Mixer (vor allem wenn es an den Kopfhörer-Mix mehrerer Musiker geht). Ein Controller und eine Maus sind einfach nicht das Gleiche wie echte AUX-Sends inkl. Potis. Deshalb habe ich ein persönliches Interesse am neuen Tascam-Mixer und bin mehr als gespannt, was die Entwickler seit dem DM3200 alles geleistet haben.
Den vollen Funktionsumfang des Sonicview 24 in diesem Test vorzustellen, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen, weshalb ich mich auf die grundlegende Bedienung sowie ein paar Funktionshighlights konzentriert habe. Weitere umfangreiche Informationen sowie einen umfangreiche Tutorial-Library findet ihr auf der Tascam-Website.
Setup the console
Nachdem ich das Tascam Sonicview ans Netz angeschlossen habe, schalte ich das Gerät ein. Sofort startet der Mixer mit dem Booten, was mit einer kleinen Startanimation verbunden ist. Der gesamte Bootvorgang dauert ca. 30 Sekunden. Ist der Mixer gebootet, zeigen die drei großen Touchdisplays jeweils acht Kanäle im Homescreen an. Mit Farben hat Tascam beim Design des Mixers nicht gespart. Im ersten Moment empfinde ich die Mixeroberfläche durch die bunte Beleuchtung ein wenig unübersichtlich, finde mich aber nach einem kurzen Überblick schnell zurecht.
Für dich ausgesucht
Im Wesentlichen dienen die drei Displays zur Bedienung des Sonicview 24. Die acht Dreh-Encoder mit farbigen LEDs regeln die im Touchpanel ausgewählten Parameter. Durch die farbigen LEDs der Encoder erkennt man sehr gut, welche Sektion gerade gesteuert wird. Ein wenig erinnert das ganze an DiGiCo-Konsolen und ist ein gelungenes Feature. Den jeweiligen Kanal wähle ich entweder über den Select Button oberhalb des Faders oder aber ich navigiere im oberen Bereich des Displays mit Hilfe der Richtungstasten durch die Kanäle. Den jeweiligen Fader Layer wähle ich mit den farbigen Layer Keys auf der rechten Seite. Da sich diese Layer individuell konfigurieren lassen, kommen die einzelnen Buttons ohne feste Namen aus, an denen man erkennen könnte, welche Oberfläche den sieben Buttons zugewiesen ist. Dies ist erstmal gewöhnungsbedürftig und führt in der Praxis zu häufigem Layer-Wechseln.
Workflow und Signalfluss
Der Signalfluss des Sonicview 24 ist ganz klassisch aufgebaut. Zu Beginn wähle ich aus, welches Eingangssignal dem Kanal zugewiesen werden soll. Hier stehen mir neben den 24 lokalen analogen Preamps noch zahlreiche Inputs wie Dante oder USB zur Auswahl. Letzteres dient dazu bis zu 32 Audiotracks aus der DAW an den Sonicview 24 zu schicken und somit das letzte Recording zu mischen oder im Eventbereich einen virtuellen Soundcheck durchzuführen.
Möchte ich mehrere Kanäle chronologisch anordnen, bietet der Mixer mir die Möglichkeit in Blöcken von 8 oder 24 Kanälen zu arbeiten. Dies beschleunigt die Erstellung von Standardkonfigurationen wie 24-Kanal-analog-IN auf Kanal 1 bis 24. Im Input kann ich beim gewählten Kanal 48 V Phantomspeisung aktivieren und den Lowcut sowie den analogen bzw. digitalen Gain justieren. Außerdem lassen sich hier ebenfalls ein PAD sowie eine Phase-Reverse aktivieren.
Nach dem Input ist jeder Eingangskanal mit einem Gate, einem parametrischen Equalizer und einem Kompressor ausgestattet. Die Auswahl treffe ich mit Hilfe des Touchscreens. Die ausgewählte Sektion wird auf dem Display geöffnet, auf dem meine Auswahl erfolgte. Die beiden anderen zeigen mir automatisch weitere Sektionen des ausgewählten Kanals. Über den Home-Taster gelange ich wieder in den Homescreen des Mixers. Mit dem im Lieferumfang enthaltenen Stift lässt sich das Display sehr gut bedienen. Mit den Fingern erwische ich dann doch das ein oder andere Mal im Home-Screen die falsche Sektion und ich finde mich im Noise Gate anstelle des gewählten Equalizers wieder.
Effekt Sends
Nach der EQ- und Dynamic-Sektion werden im Homescreen die vier Effekt Sends angezeigt. Hier kann ich die einzelnen Kanäle mit den acht Drehbuttons super easy den einzelnen Effekten zuweisen. An Effekten bietet der Mixer alle Standardeffekte wie zum Beispiel Reverb und Delay. Im Vergleich zu anderen Mixern ist das Angebot aber recht überschaubar. Nach den Effekt-Sends sitzt dann noch die Panorama-Sektion. Um dem Kanal einen Namen zu geben und die Kanalfarbe zu ändern, wähle ich den einzelnen Kanal im unteren Bereich des Homescreens an.
Damit ihr einen kleinen Einblick vom Workflow des Sonicview24 bekommt habe ich euch einmal den Aufbau des Kanalzugs in einem kleinen Video erstellt.
Tascam Sonicview 24: Fix it
Eine besondere Funktion, die der Tascam Sonicview zu bieten hat, ist das neue VIEW-Konzept (Visual Interactive Ergonomic Workflow). An dieser Stelle kann ich die drei Touchscreens in drei verschiedenen Modi betreiben. Im Home Screen habe ich die Übersicht über acht Kanäle pro Display. In der Modulansicht kann ich mir drei beliebige Parameter eines einzelnen Kanals anzeigen lassen. Beispielsweise Screen1 – EQ, Screen2 – Compressor, Screen3 – Noise Gate.
In der individuellen Ansicht habe ich die Möglichkeit einzelne Screens zu fixieren. So kann ich beispielweise den EQ des Sängers permanent anzeigen lassen, während ich auf den anderen Displays die Home-Screen-Ansicht dargestellt bekomme. Zusätzlich kann ich mit dem Button FIX LAYER einen achten Faderblock fixieren. Als Beispiel ließe sich die DCA-Group oder die Effekt-Return-Fader-Oberfläche fixieren und würde beim Umschalten der Fader-Layer nicht wechseln. Welche Oberfläche fixiert ist, wird durch ein Blinken des jeweiligen Layer-Keys angezeigt.
Klang des Tascam Sonicview 24
Um mir einen Eindruck der Audioqualität des Tascam Sonicview 24 machen zu können, baue ich ein paar Mikros an eines unserer Drumsets. Als Abhörquelle dient mir zunächst ein Kopfhörer. Apropos – ein wirklich praktisches Detail sind die beiden Kopfhörerbuchsen in Form einer 6,3- und einer 3,5-mm-Klinkenbuchse. So bleibt einem das lästige Adaptersuchen erspart.
Bereits beim ersten Erklingen der Kick und Snare bin ich begeistert. Selbst ohne EQ klingen die hauseigenen HDIA-Preamps (High Definition Instrumentation Architecture) wirklich ausgezeichnet. Auch die Overheads klingen unglaublich klar und transparent und alle Details werden wunderbar dargestellt. Hier hat Tascams Entwicklungsstube auf jeden Fall einen erstklassigen Job hingelegt.
Auch der Kompressor klingt gut und bietet eine Bandbreite von subtil bis ordentlich pumpend. Ein Klangfärber ist er aber natürlich nicht. Einzig die internen Effekte können mich nicht zu hundert Prozent überzeugen. Im Studiosetup ist dies allerdings zu vernachlässigen, da sicherlich diverse VSTs oder gar 19-Zoll-Effekte zur Verfügung stehen. Im Eventbereich sind die internen Effekte aber immer noch besser als bei so manchem Mitstreiter.
Dante
Damit der Sonicview 24 auch in bestehende Dante-Setups zu integrieren ist, wurde dem Pult eine Dante-Schnittstelle spendiert. Auf diese Art erfolgt auch die Verbindung mit der hauseigenen Stagebox SB-16D. Diese Stagebox haben wir in einem separaten Kurztest ebenfalls für euch im Detail gecheckt.
Die Einrichtung erfolgt ohne Probleme. Ich gehe über den Menü-Button ins Hauptmenü und wähle im Anschluss den Reiter Rear-Panel-Setup. Unter dem Punkt Dante Setup kann ich unter I/O Device die Kanäle der SB-16D den einzelnen Kanälen zuweisen (mounting). Ist das Mounting abgeschlossen, wähle ich Pre Amp Control. Hier lege ich fest, welches Device die Preamps steuert. Das ist wichtig, wenn man das Pult beispielweise als Monitorkonsole nutzt. Die IP-Adresse kann entweder manuell oder automatisch vergeben werden, was vor allem bei komplexeren Dante-Setups von Vorteil ist.
Aufnahme läuft
Da ein paar Aufnahmen mit einer befreundeten Band anstanden und diese Session im Probenraum der Combo stattfinden sollte, habe ich mein eigentliches mobiles Setup im Studio gelassen und lud stattdessen das Sonicview 24 ins Auto. Da mir die 16 Kanäle der SB-16D ausreichten, stellte ich die Stagebox in den Aufnahmeraum und baute das Pult in einem Vorraum auf. Die Verbindung erfolgte problemlos und es ging ans Verkabeln. Die eigentliche Aufnahme erfolgte mit Cubase 13 auf einem Macbook Pro via USB-Schnittstelle. Auch hier wurde das Tascam sofort erkannt, und nachdem ich den passenden Audio-Treiber ausgewählt hatte, standen mir die Ein- und Ausgänge des Pultes zur Verfügung.
Ein wenig frickelig war dann der Abgriff der Direct Outs, da ich erst ein paar Einstellungen vornehmen musste, damit die einzelnen Kanäle auch in der DAW ankamen. Die einzelnen Signale klingen durch die Bank hervorragend und alle Beteiligten waren von der Audioqualität des Pultes begeistert. Einen kleinen Eindruck könnt ihr durch die beiden Audiofiles gewinnen. An dieser Stelle vielen Dank an die Band Kaozzz Konzzzept, die mir ihre Progfreakstonerrock-Aufnahmen für diesen Test zur Verfügung gestellt haben.
Tascam Sonicview 24 Remote Control
Selbstverständlich lässt sich das Sonicview 24 auch fernbedienen und Tascam bietet dafür die kostenlose Steuerungssoftware Sonicview Control für Windows, macOS und iPadOS an. Für den Test lade ich also zunächst die App aus dem Appstore und schließe einen Wi-Fi-Router an den Ethernet-Anschluss des Sonicview 24 an. Die IP-Adresse lasse ich wieder automatisch vergeben und sobald das iPad im selben Netzwerk eingewählt ist, kann ich die App mit dem Mixer verbinden – lediglich ein Passwort ist noch vonnöten. Das vom Werk vergebene ist aber klar und deutlich zu erkennen und lässt sich durch ein eigenes Passwort ersetzen. Die Verbindung ist stabil und die App ist übersichtlich und klar strukturiert. Auch hier gibt es nichts zu meckern.
Menüs, Menüs, Menüs …
Die Bedienung des Tascam ist im Allgemeinen easy und ich finde mich relativ schnell zurecht – allerdings nur solange ich nicht ins Menü des Sonicview 24 muss. Zwar hat Tascam das Menü in Front, Rear, Mixer und System unterteilt und noch ein separates Menü für die Recorder-Funktion hinzugefügt, doch wird man von sämtlichen Untermenüs beinahe erschlagen. Hier muss man sich auf jeden Fall mit den Details des Mixers genauer auseinandersetzen, bis man alle Punkte auf Anhieb findet.
Zielgruppe
Mit der neuen Sonicview-Serie wendet sich Tascam vor allem an etwas erfahrenere User, die Wert auf einen hervorragenden Klang und einen großen Funktionsumfang legen. Absolute Neulinge, die in ihrem Leben noch nie an einem digitalen Mixer standen, sollten sich auf ein wenig Einarbeitungszeit vorbereiten. Das Pult bietet unzählige Routing-Möglichkeiten und durch die üppige Ausstattung an Ein- und Ausgängen lässt sich das Sonicview 24 daher ungemein flexibel einsetzen.
Im Eventbereich ist das Pult durchaus brauchbar, allerdings ist das Pult zumindest zum jetzigen Zeitpunkt eher ein Exot und wahrscheinlich selten auf Ridern gewünscht. Das ist besonders für professionelle Verleiher nicht interessant. Im Studiobereich spielt das Pult dann aber seine Stärken aus und hier bieten sowohl das 16-Kanal-Modell als auch das Sonicview 24 allerhand Nützliches, um den Workflow zu beschleunigen. Optisch macht das Pult im modernen Gewand auch heute noch was her und wie heißt es doch so schön: „Das Auge mischt mit“.
Aufgrund der beiden Cardslots bietet das Tascam Sonicview 24 optional weitere Schnittstellen wie Madi oder mit der Tascam MTR32 Karte einen vollwertigen 32-Spur-Recorder. In Verbindung mit der USB-Schnittstelle lassen sich auf diese Weise voll redundate Recordings realisieren. Dies ist vor allem beim mobilen Recording oder bei Live-Mittschnitten mehr als nur von Vorteil.
Tascam Sonicview 24 – mögliche Alternativen
Tascam Sonicview 24 | Allen Heath SQ6 | |
AD/DA Wandlung | 32 Bit, 96 kHz | 24 Bit, 96 kHz |
Mikrofon Preamps | 24 | 24 |
Dante | ja | optional |
Multitrack Recorder | ja | ja |
Line Outputs | 16 | 16 |
Remote App | ja | ja |
Preis | 6.386,99 € UVP | 4.799 € UVP |