Mit der Taylor Builder’s Edition 652ce erweitert der amerikanische Gitarrenbauer seine Builder’s Edition auch um eine 12-saitige Steel-String. Der 1974 von Bob Taylor ins Leben gerufenen Marke gelang es recht früh, die Platzhirsche Gibson und Martin auf dem amerikanischen Markt einzuholen und sich inzwischen als einer der weltweit führenden Gitarrenhersteller im Premiumsegment zu etablieren. Die absolut professionellen Akustikgitarren werden mit computergestützten Fertigungstechniken in El Cajon, Kalifornien produziert. Immer wieder überrascht die Firma die Branche mit Innovationen wie dem V-Class Bracing oder dem Expression II Tonabnehmersystem.
Der schwebende Sound von zwölfsaitigen Gitarren ging seit den 60ern mit Songs wie Hotel California, Wish You Were Here, Ticket To Ride, Free Fallin’, More Than A Feelin’ u.v.a. um die Welt. Obwohl diese Gitarren sehr inspirieren, wollte sich der “Normalverbraucher” dieses Instrument in der Vergangenheit meistens nur dann leisten, wenn das Equipment im Großen und Ganzen schon reichlich mit unterschiedlichen 6-Saitern gespickt war. Nicht selten liefen in letzter Minute dann doch neuartige Effektgeräte oder Verstärker dem eigentlich geschätzten Instrument den Rang ab, wenn sich eine Kaufentscheidung anbahnte. Und hier spreche ich durchaus auch aus eigener Erfahrung.
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Korpus
Der Body der 652ce hat die Dimension einer Grand Concert. Diese Korpusgröße, (auch Größe 00) stammt direkt von der klassischen Konzertgitarre ab und gehört eigentlich zu den kleineren, aber weit verbreiteten Bauformen. Allerdings können sich die Größenordnungen unterschiedlicher Hersteller durchaus voneinander unterscheiden, da sich eine Norm nicht durchsetzen lässt. Auch wenn sie zu den Kleinkalibern der Spezies Gitarre gehört, ist sie unter bestimmten Voraussetzungen durchaus in der Lage, einen satten, tragfähigen Ton zu generieren. Der 652ce hat man dazu einen Cutaway geschenkt, der naturgemäß das Luftvolumen dieser ohnehin schon kleinen Vertreterin vermindert. Das bedeutet aber nicht, dass unserer Testkandidatin das Durchsetzungsvermögen fehlt.
Den oberen Deckenrand entschärft ein weich geformte Armauflage aus Ebenholz. Diese Maßnahme bewährt sich im Handling schnell, weil sich die rechtwinklige Kante am Deckenrand bei handelsüblichen Gitarren ansonsten vor allem bei langem Spielen unangenehm in den Arm drückt. Im Übrigen wurden alle Kanten an den Übergängen zu den Zargen rundherum sanft abgerundet.
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Elegant sieht sie aus und mit ausgewählten Hölzern spielt die 652ce materiell betrachtet weit oben in der Königsklasse. Die zweiteilige, attraktiv gemaserte Sitkafichtendecke ist ein echter Hingucker. Die Nahtstelle in der Mitte wurde gekonnt kaschiert.
Schokoladenbraune Farbtöne dominieren das Erscheinungsbild und zwei transparente, durchscheinende Farbschichten sind in Sunburst-Manier kunstvoll übereinandergelegt. Dunklen Nuancen säumen den Deckenrand, während sich am Übergang zum Zentrum allmählich die helleren einblenden.
Die Decke wurde abschließend meisterlich seidenmatt versiegelt. Dabei lässt eine Mattlackierung der Decke im Allgemeinen mehr Raum zum Atmen, weil sie meist dünner aufgetragen wird. Darüber hinaus soll die Mattlackierung Geräusche, die durch den Kontakt mit Textilien entstehen können, reduzieren. Bei einer Mikrofonabnahme im Studio wäre dies auf jeden Fall kein Nachteil. Die wärmebehandelte (torrified) Decke soll so klingen wie ein natürlich gealtertes Instrument mit eingespielten Hölzern. Einen schmucken Schlagschutz hat man der fabelhaften Decke am Ende aber dann doch nicht spendiert.
Und überhaupt blendet die Taylor 652ce nicht mit Schmuckwerk. Das Schallloch wird von einem bescheidenen Ring aus Ahornholz umgeben, den Deckenrand säumt diskret eine helle, schlichte Holzeinlage. Ansonsten hat der Hersteller auf preistreibende Intarsien weitgehend verzichtet.
Die Saiten werden konventionell mit den Ball-Ends und schwarzen Pins am Saitenhalter aus Ebenholz arretiert und dann über eine längenkompensierte Stegeinlage aus dem Kunststoff Micarta geführt. Die Saitenhalterkonstruktion kommt im Übrigen mit 6 Pins sehr gut klar, denn ein Saitenpärchen wird immer mit einem Pin fixiert.
Bodenhälften und Zargen bestehen aus geflammtem Ahorn, das einen hochwertigen Eindruck macht, Materialfehler sind nirgendwo zu sehen. Den Verlauf der Nahtstelle am Boden kann man aber recht deutlich nachvollziehen, denn ein Zierspan wurde hier nicht eingearbeitet. Auch ist die Lackierung im Two-Tone-Sunburst dort nicht besonders ausgeprägt. Der gesamte Body wurde jedenfalls mattglänzend versiegelt und poliert, eine meisterliche Arbeit und ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann.
Interieur
Dass die Decke einer 12-saitigen Gitarre einer viel größeren Zugkraft widerstehen muss, versteht sich von selbst. Stabilisiert wird die der 652ce mit einem neuartigen V-Class-Bracing. Zwei Leisten werden bei diesem System, links und rechts vom Saitenhalter ausgehend, am Schallloch vorbei diagonal bis weit in den Oberbug hineingeführt, sodass sie zusammen ein großes “V” bilden. Zusätzlich werden noch weitere kleinere Hilfsleisten verleimt, die man aber nicht sehen oder ertasten kann. Damit hat sich Taylor von einem traditionellen System verabschiedet, das seit den 30er Jahren als Glaubensbekenntnis bei der Fertigung einer Flat-Top-Gitarre galt, dem X-Bracing. Taylor Guitars überraschte die Fachwelt mit dem V-Class Bracing schon im Jahr 2018 auf der NAMM. Der Ton soll damit lauter, dynamischer und offener rüberkommen, so der Hersteller. Mehr dazu weiter unten.
Ein ungewohntes Bild bietet sich, wenn man die Bodenleisten ins Visier nimmt. Im Prinzip erwartet man ein Leiterbracing mit vier vertikal angeordneten Leisten, aber hier wurden die vier Querbalken leicht diagonal versetzt angeordnet.
Ein leichter Bodenmittelstreifen sorgt dafür, dass sich die beiden Bodenhälften nicht voneinander ablösen können. Auch die Reifchen am Boden/Zargen-Übergang wurden gleichmäßig nebeneinander platziert und soweit das Auge reicht sauber verleimt.
Tonabnehmersystem
Mit dem eingebauten Expression 2 (ES2) Tonabnehmersystem macht unsere Kandidatin auch ein elektroakustisches Soundangebot. Taylor hat sich schon vor geraumer Zeit vom klassischen Untersatteltonabnehmer verabschiedet und hält seitdem erfolgreich mit einem neuartigen System dagegen. Das elektromagnetische Signal wird mit drei Sensoren generiert, die aber nicht mehr unter der Stegeinlage parken, sondern direkt dahinter. Da die Stegeinlage, angeregt durch die Saitenschwingungen, nicht nur horizontal vibriert, sondern vor allem auch vertikal, soll das auf diese Weise generierte Signal mit wesentlich mehr Dynamik reagieren. Mit drei Inbus-Stellschrauben, die auf dem Saitenhalter hinter der Stegeinlage platziert wurden, kann der Druck der Sensoren auf die Stegeinlage verstärkt oder vermindert werden, sodass das Timbre wechseln kann. Jeweils ein Sensor wurde einem Doppelsaitenpärchen zugeordnet, sodass von einer Korrektur gleich zwei Doppelsaiten profitieren.
Der ES2 leitet seine elektroakustischen Informationen an einen von Taylor selbst entwickelten Preamp, der im Innenraum befestigt ist. Einen Teil der Platine sieht man, wenn man durch das Schallloch blickt. Der aktive Preamp wird von einem handelsüblichen 9V-Block gespeist, der sich in einer Schublade direkt am unteren Gurtpin befindet. Beide Einheiten sind in einem Bauteil vereint.
Der Sound wird mit drei Soft-Touch-Controllern (1x Treble, 1x Bass und 1x Volume) eigestellt. Diese befinden sich in der oberen Zarge am Halsfuß, wo man sie jederzeit im Blick hat und eine Markierung am jeweiligen Controller die Stellung anzeigt. Eine 360 Grad-Skala fehlt aber, sodass man seine besten Einstellungen nur ungefähr reproduzieren kann – ein Foto mit dem Smartphone hilft hier der Erinnerung auf die Sprünge. Dafür fügen sich die Controller homogen in das Erscheinungsbild der Akustikgitarre ein. Ob der Sound dann auch tatsächlich dem einer Akustikgitarre nahekommt, wie der Hersteller verkündet, werden wir noch prüfen.
Hals, Kopfplatte und Halsfuß
Diese Komponenten bestehen aus drei separaten und miteinander verleimten Einheiten. Die Stöße bleiben sichtbar, wurden aber gekonnt kaschiert.
Griffbrett
Feines Ebenholz wertet das Instrument erheblich auf. Das Holz stammt aus einer Plantage in Kamerun, wo Taylor (als Mitbesitzer) im größerem Stil Ebenholzbäume hauptsächlich für den Eigenbedarf anpflanzt. Die Pflanzung ist Teil des “Ebony Project”. Damit möchte Taylor auch die Zukunft der Spezies sichern. Darüber hinaus werden auch Obst- und Medizinbäume für die heimische Bevölkerung gepflanzt.
18 Bünde – korrekt abgerichtet und sauber poliert – haben sich auf dem unbehandelten Griffbrett niedergelassen. Eine sanfte Wölbung erleichtert das Spiel mit Barrégriffen und die großen Zepter-Griffbretteinlagen aus Perlmutt sind auch bei ungünstigen Lichtverhältnissen kaum zu übersehen. Auch die entsprechenden weißen Punkteinlagen auf der Sichtkante heben sich gut vom schwarzen Untergrund ab.
Der Sattel einer 12-saitigen Gitarre ist naturgemäß etwas breiter (hier: 47,6 mm), denn schließlich benötigen 12 Saiten mehr Raum, um sich entfalten zu können. Jedenfalls wurde der Sattel aus Tusq sehr sorgfältig bearbeitet und akkurat eingesetzt. Der Werkstoff wird von der Firma Graph Tech produziert, die ihren Sitz in den Vereinigten Staaten hat. Das Material ist dicht und hart, sodass der obligatorische Knochen nicht vermisst wird. Der Hals-Korpusübergang befindet sich am 12. Bund.
Hals
Das Griffbrett ist ohne Ecken und Kanten auf dem Hals aus Mahagoni verleimt. Dass 12 Saiten (hier: Elixir Phosphor Bronze Light) den Hals mächtig unter Spannung setzen können, kann man sich sicherlich vorstellen. Es überrascht aber dann doch, dass die Konstruktion mit einem vergleichsweise recht schlanken Halsumfang von 12 cm überlebensfähig ist. Ein eingelegter Halsstab verleiht dem Ganzen noch mehr Stabilität. Die glockenförmige Abdeckung am Kopf/Hals-Übergang ist mit drei kleinen Schrauben befestigt.
Halsfuß
Der Halsfuß wird bei Taylor-Gitarren generell mit dem Halsblock verschraubt. Dies hat Vorteile, wenn man bei einer in die Jahre gekommenen Gitarre den Halswinkel korrigieren müsste, um z.B. die Saitenlage wieder auf das Niveau des Neukaufs zu bringen. Mit einer konventionellen Schwalbenschwanzverbindung wäre ein sogenannter “Neck Reset” viel aufwendiger, da auch die Verleimung zwischen Halsfuß und Halsblock gelöst werden müsste. Diese kostspielige Korrektur würde sich dann auch nur bei einer High-End-Gitarre lohnen.
Kopfplatte
Die zwölf Saiten werden mit goldenen Mechaniken und Stimmflügeln der Firma Gotoh auf Stimmung gebracht. 18 Umdrehungen benötigt ein Stimmflügel, damit sich die Winkelachse einmal um sich selbst dreht. Obwohl die Kopfplatte mit 12 Stimmflügeln relativ lang wird, liegt die Gitarre trotzdem ausbalanciert auf dem Oberschenkel. An der Oberseite der matt schwarz lackierten Kopfplatte befindet sich eine sehr schöne Einlage aus Perlmutt, das bekannte Logo der Firma Taylor.