Die Taylor K14ce Builder’s Edition 2018 zählt zu den Westerngitarren-Flaggschiffen des amerikanischen Gitarrenbauers. Taylor Guitars hat sich über die Jahre einen Namen gemacht als Hersteller exzellenter Gitarren in der amerikanischen Gitarrenbautradition. Aber die Marke steht auch für einen äußerst innovativen Betrieb, der immer versucht, dicht am Puls der Zeit zu sein und nicht selten auch als Vorreiter die Branche aufhorchen lässt. Seit einigen Jahren zeichnet für diverse markante Entwicklungen ein junger Gitarrenbauer namens Andy Powers verantwortlich, den Bob Taylor ins Boot holte, letztlich auch, um seine Nachfolge und damit den Fortbestand von Taylor Guitars frühzeitig zu sichern.
Andy Powers hat eine Menge in Bewegung gesetzt, aber mit seinem neuen Design rüttelt er an den Grundfesten dessen, was bislang als Eckpfeiler einer Steelstring galt: dem X-Bracing. Damit ist das Leistensystem unter der Decke gemeint, das seit dem 19. Jahrhundert die Form eines “X” besitzt. Zwar gab es immer wieder Versuche, diese Konstruktion zu ändern und zu optimieren, aber durchsetzen konnte sich keine.
Neue Denkweise
Sein Vorschlag für eine neue Denkweise nannte Powers “V-Class”. Grob gesagt basiert sie auf der sogenannten Fächerbeleistung der Klassikgitarre. Allerdings drehte er diese “Fächer” um. Zudem benutzt er lediglich zwei Hauptleisten, die dafür eine entsprechende Stärke aufweisen. Diese beiden Leisten bilden zusammen den Buchstaben “V”.
Die Idee dafür, so erzählt der begeisterte Surfer, sei ihm im Meer auf dem Brett gekommen. Die Art und Weise, wie sich die Wellen brechen und am Strand ineinander laufen, könnte in ganz ähnlicher Form auch auf einer Gitarrendecke passieren, so seine Idee. Auch hier sind es Wellen, nur eben mit einer anderen Frequenz.
Im Herbst 2017 schließlich stellte Taylor die Ergebnisse seiner Entwicklung der staunenden Gitarrenwelt vor. Der Sound einer solchen Gitarre soll harmonischer und lauter tönen, sogar die Intonation der einzelnen Noten soll sauberer sein. Wir bekamen zum Test die preisgekrönte Builder’s Edition K14ce – sie ist auf der Frankfurter Musikmesse 2018 prompt mit dem begehrten MIPA (Musikmesse International Press Award) ausgezeichnet worden.
Details
Die erste Überraschung wartet direkt nach dem Öffnen des Koffers auf mich. Mit der Information, dass es sich bei dem Korpusholz um Koa handelt, habe ich ein opulent ausgestattetes Instrument in Hochglanz erwartet. Tatsächlich hat Taylor ein eher schlichtes Holz ausgewählt und das auch noch matt, aber in einem attraktiven “Kona Burst” lackiert. Unter dem Aspekt der Klangmaximierung ergibt dies durchaus Sinn, denn ein mattes Finish ist in der Regel dünner und erlaubt ein freieres Schwingen der verwendeten Hölzer. Außerdem gibt Taylor an, dass dieser Mattlack die Nebengeräusche beispielsweise von Textilien vermindert, was speziell im Studio interessant ist. Dennoch finden sich etliche aufwändige, aber angenehm dezente Einlagen aus Muschelmaterial (Paua) um die Decke und im Griffbrett. Das alles verleiht der K14ce eine dezente, aber edle Eleganz.
Ein Blick in die Gitarre zeigt, dass Andy Powers nicht nur beim Deckenbracing Hand angelegt hat. Auch die Leisten auf dem Gitarrenboden sehen anders aus als gewohnt. Zum einen sind sie schräg angeordnet, zum anderen reichen sie nicht bis in die sogenannten Reifchen – das sind die geschlitzten Leisten, die Boden und Zargen verbinden -, sondern enden schon vorher. Dadurch ist der Boden weniger starr mit den Zargen verbunden, was ihm eine tiefere Resonanzfrequenz verschaffen sollte.
Zwei weitere Konstruktionsdetail müssen erwähnt werden, weil sie den Spielkomfort dramatisch erhöhen. Das ist zum einen die Form des Cutaways, zum anderen die Auflage für den Anschlagarm am Deckenrand. Speziell letzterer ist einfach klasse, und wenn man mal eine Gitarre mit diesem Feature gespielt hat, will man es nicht mehr missen. Und erst dann merkt man, wie unangenehm sich eine scharfe Deckenkante in den Unterarm drücken kann, sei es beim Fingerpicking, speziell aber beim Strumming, und wie angenehm dieses sogenannte “Bevel”, also die abgefaste Kante, ist.
Dazu kommt, dass die Korpuskanten generell weit großzügiger abgerundet wurden, als man das von anderen Gitarren kennt. Auch die Ausformung des Cutaways ist genial, denn sie erlaubt einen praktisch ungehinderten Zugang auch zu den höchsten Lagen. Dieses Feature ist natürlich speziell für Gitarristen interessant, die diese Höhen auch nutzen. Diese werden sich auch über den bei Taylor traditionell schlanken Hals freuen, der schon immer den hauptamtlichen E-Gitarristen entgegenkommt. Apropos E-Gitarre: Natürlich ist die Taylor mit einem Tonabnehmer ausgestattet, und zwar mit dem hauseigenen Expression 2 System.
Die Decke besteht aus Sitka-Fichte, die einem Wärmeprozess unterworfen wurde – “torrefied” nennt sich das. Es soll die Holzstruktur soweit verändern, dass es sich verhält wie gealtertes, lange eingeschwungenes Holz. Unsichtbar unter der Decke findet sich dann die eigentliche Neuigkeit: das V-Class Bracing. Die Erwartungen sind hoch, denn es soll nicht nur die Lautstärke erhöhen und das Sustain verlängern, sondern auch dafür sorgen, dass das Instrument in sich harmonischer tönt.
Das alles scheint unmöglich zu sein, denn man führt diesem System “Gitarre” durch den Anschlag der Saite nur eine begrenzte Menge an Energie zu, und die kann entweder in Sustain oder in Lautstärke umgewandelt werden – das Produkt aus diesen beiden Faktoren sollte immer gleich sein. Dabei vergisst man jedoch, dass es auch Verluste durch Phasenauslöschungen und stehende Wellen gibt, die dem System schnell und ohne weitere Vorteile die Energie entziehen. Es bleibt also noch Luft nach oben.
Ein Effekt des V-Bracings soll sein, dass eben diese Verluste minimiert werden, sodass mehr Energie für Sustain und Lautstärke übrig bleibt – und die Gitarre nebenbei auch noch sauberer klingt. Das soll ein ähnlicher Effekt sein wie bei einer Strat, die an Stratitis leidet (Beeinflussung der Saitenschwingung durch das Magnetfeld eines zu hoch eingestellten Pickups), und man die entsprechenden Pickups niedriger schraubt. Hört sich plausibel an.