Praxis
Nun, ein Vergleich eines Mikros, das so viel kostet wie zwei Kästen Bier, mit etwa einem Microtech Gefell UM 92.1S, für das man ziemlich genau das Hundertfache hinlegen muss, ist schon ziemlich ungerecht, so viel steht fest. Aber auch im Vergleich gegen mittelpreisige Mikrofone ist es nicht so, als würde man nach dem Hörtest von plötzlicher Übelkeit überfallen. Nein: Das t.bone produziert ein Signal, das definitiv brauchbar ist, ja sogar mehr als das:
Ein kaputtes Signal klingt anders. Es ist sogar deutlich herauszuhören, welche oft vorteilhaften Klangeigenschaften ein Kondensatormikrofon gegenüber dynamischen Tauchspulenmikros hat. Besonders die Höhen sind deutlich differenzierter als bei den meisten anderen dynamischen Mikros unter 100 Euro. Ich halte ordentliche Tauchspulenmikrofone zwar im unteren Preissegment für vernünftige Alternativen, doch muss man für diese auch nicht wenig Geld auf den Tisch legen (z.B.: Shure SM 7B: 400 Euro, EV RE-20: 500 Euro). Darüber hinaus benötigen diese deutlich bessere Preamps als Kondensatormikros. Wenn die Aufnahmekette nicht “zu gut” ist, als dass nicht so gute Eigenschaften eines ihrer Glieder auffallen könnten, ist das t.bone SC 300 ein Mikrofon, mit dem sich durchaus arbeiten lässt.
Es ist gut, wenn man Möglichkeiten und Limitierungen eines Werkzeugs kennt. So lassen sich zweifelsohne Aufnahmen machen, die eben nicht nach Homerecording 1992 klingen, sondern modernen Ansprüchen gerecht werden. So ist das Signal nicht sofort als “billig” auszumachen. Hochwertige Mikrofone zeigen ihre Größe vor allem dann, wenn das mit ihnen aufgezeichnete Signal bearbeitet wird. Ein Equalizer beispielsweise verstärkt den doch etwas rauen Charakter des Mikrofons in den Höhen, der bei hohen Pegeln (wo hochwertigere Werkzeuge meist noch genügend Headroom haben) ins Kratzige umspringt. Ähnliches kann man bei intensiver Kompression beobachten.
Mit den Bässen wird man ausser bei typisch basslastigen Instrumenten keine Probleme bekommen, für Vocals und Gitarre etwa sollte die Übertragung ausreichen. Wenn nicht, muss man eben einfach ein wenig näher dran, sofern es die Zerrgrenze des t.bone zulässt. Die absoluten Höhen, das sogenannte Air-Band, sind bei diesem Mikrofon eher schwach ausgeprägt. Kein Witz: Für genau diesen Frequenzbereich zahlt man oft viel Geld. Neben dem Frequenzgang, der zuerst auffällt, gibt es viele weitere Eigenschaften eines Mikrofons, an welchen man die klangliche Qualität festmachen kann – eine davon ist das Dynamikverhalten. Und wer sich die Files aufmerksam anhört, wird feststellen, dass das SC-Signal im Vergleich “dicht”, ja geradezu eng klingt. Dass es weniger sauber und offen klingt, ist ebenfalls keine Verwunderung – aber mit Blick auf die Preisauszeichnung immer noch ok. Weitere Merkmale, an denen man die qualitative Klasse des SC-300 erkennt, ist die Art und Weise, wie Impulse übertragen werden und wie das Mikrofon Schall von abseits der Hauptaufsprechrichtung überträgt.
Es bleibt eine einfache Erkenntnis: Nicht umsonst sind eigentlich alle Kondensatormikrofone auf dem Markt teurer als das t.bone SC-300. Und dass manche für ihren Mikrofonpark mehrere zehntausend Euro ausgeben, hat ebenfalls seine Berechtigung und ist keine Verrücktheit. Allerdings ist das SC-300 das beste Beispiel dafür, wie weit herunter der Preis bei einem Kondensatormikrofon heutzutage geschraubt werden kann, ohne dass man auf die grundlegende Funktionalität und eine angemessene Klangqualität verzichten muss.