AUSSTATTUNG UND BEDIENBARKEIT
Auch wenn das TC Voice Live für einen sehr speziellen Einsatzzweck konzipiert wurde, ist es trotzdem kein Nischenprodukt, sondern deckt das gesamte Spektrum an Vocal-Bearbeitungen ab. Auch für Musiker, die keine Tonhöhenkorrektur oder Chorstimmen-Generierung benötigen, kann der Bodentreter interessant sein. Eine komplette Effektkette behandelt das Mikrofonsignal mit allem, was man sich im Live-Betrieb wünschen kann. Das fängt beim hochwertigen Preamp des Voice Live an: Er verfügt über eine stabile 48V-Phantomspeisung, so dass auch hochwertige Bühnenmikrofone verwendet werden können, die nach dem Kondensator-Wandlerprinzip arbeiten.
Neben dem üblichen Pad (hier mit 20dB Absenkung) für Schreihälse kann zur Sicherheit ein Limiter vor den A/D-Wandler gesetzt werden, der eine Übersteuerung und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten verhindern kann. Die nachfolgende digitale Bearbeitung geschieht mittels Hochpassfilter (würde auch auf analoger Ebene durchaus Sinn machen), dreibandigem Equalizer (Hi-/Lo-Shelf, parametrische Mitten), Thickener und einer Dynamiksektion, die mit Kompressor und Gate aufwarten kann. Wünschenswert wäre natürlich ein flexibleres Routing gewesen – auch ein De-Esser, Expander oder weitere Gate-Parameter wie Hysterese, Hold und dergleichen hätten sicher niemanden gestört.
Schön ist, dass TC dem Gerät noch ein vernünftiges Delay spendiert hat, welches in einfacher Form auch im Live-Betrieb gerne als Alternative zum Reverb mit seiner “verschmierenden” Fahne genutzt wird. Dennoch: Auf ein ordentliches Reverb sollte nicht verzichtet werden, und so kommt ein – zwar nicht bis in die kleinsten Kleinigkeiten editierbares – aber dennoch hochwertiges TC-Reverb zum Einsatz. Wer dänische Hallprozessoren wie das M3000 kennt, wird sich freuen und erstaunt darüber sein, wie gut die oft etwas “klinisch” wirkenden Algorithmen sich bei Live-Gesang behaupten.
Zu den “modernen” Ausstattungsmerkmalen zählt die Tonhöhenkorrektur, welche sich nach voreingestellten oder vom Nutzer einstellbaren Skalen richtet. Die für eine natürliche Performance notwendigen Parameter Attack, Window (Tonhöhenfenster, in dem die Korrektur angewendet wird), Portamento, Vibrato und Korrektur-Intensität lassen sich hier regeln. Das Bühnengerät ist in der Lage, insgesamt vier Chorstimmen hinzuzufügen. Dafür liefert TC Helicon allerhand Einstellmöglichkeiten: Gender etwa legt für jede Stimme fest, ob sie weiblich oder männlich ist. Darüber hinaus lässt sich bestimmen, welche Stimme in welchem Intervall generiert, oder auf welche Skala sie gerastert wird. Selbst die chromatische Skala wird angeboten und – das wird einige Nutzer sehr freuen – reine Stimmungen! Vor allem in A-Capella-Gruppen wird diese Option ihre Freunde finden.
Auch per MIDI eingehende Note-Numbers (erstes Datenbyte eines Note-On-Befehls) können zur Tonhöhenbestimmung verwendet werden. Diese Option ist sehr interessant für Keyboarder, die per MIDI-In und MIDI-Thru den Ausgang ihres Instruments durch den kleinen Dänen durchschleifen können. Mit einem MIDI-Gitarrenpickup ließe sich auch die Tonhöhe der Gitarre für diesen Zweck gebrauchen. Da natürlich nicht jeder Song durchgehend die gleiche Tonart nutzen muss, lassen sich im Gerät so genannte Songs erstellen, deren einzelne Parts sich mitsamt den jeweiligen Einstellungen umschalten lassen.
Die Rückseite des Voice Live lässt Freude aufkommen. Ein Signalsplitter gibt das Mikrofonsignal ohne Zeitverzögerung weiter, damit es anderweitig genutzt werden kann. Schön, dass das auch noch bei Stromausfall geschieht. Aber bei derartigen Splittern ist Vorsicht geboten: Ist die Phantompower sowohl am TC als auch am dahinter angeschlossenen Pult aktiviert, kann es sein, dass man sein Gesangs-Mikrofon wegen zu hoher Spannung über den Mikrofon-Jordan schickt. Alles andere ist ungefährlich: Symmetrische (!) Stereo-Ein- und Ausgänge, um Instrumente in den Genuss von Delay und Reverb zu bringen, fehlen genauso wenig wie ein elektrischer S/PDIF-I/O. Wer mag, kann ein zusätzliches Schwellerpedal anschließen, um damit Parameter zu steuern. Auch das gute, alte MIDI-Trio für allerlei Steuerungsfunktionen und Festlegung der Harmonien ist vorhanden. Man wundert sich jedoch ein wenig, dass es darüber hinaus keine Datenschnittstelle gibt. USB kostet heute kaum noch etwas, und für Editierungen, OS-Updates und Remotes ist es weitaus einfacher zu handhaben als MIDI. Bei einem System mit etwas höherer Leitungslänge wäre es denkbar, dass der Engineer vom FOH-Pult aus Korrektur-, Effekt- und Chorstimmen-Parameter regelt.
Das Gehäuse ist ein waschechtes “Live-Gehäuse”. Auf die furchtbaren Steckernetzteile verzichtet TC freundlicherweise: Das Voice Live wird über ein übliches Kaltgerätekabel mit Spannung versorgt. Die hinteren Anschlüsse sind mit Bügeln geschützt, das Gerät ist standfest und durch die hohe Materialstärke des Stahlblechgehäuses sehr schwer. Außerdem machen die acht Fußtaster nicht gerade einen schwächlichen Eindruck. Zur Ergonomie lässt sich natürlich auch einiges bemerken: Die zweireihigen Taster lassen sich sehr gut bedienen, da die obere Reihe ein wenig höher und stärker gewinkelt ist. Das LED-Display links lässt sich im Stehen sehr gut lesen, mit den Beschriftungen und dem LC-Display sieht das hingegen ganz anders aus, vor allem unter eher suboptimalen Lichtbedingungen, wie sie auf der Bühne nun mal meist vorherrschen. Sicher wird man mit einem vorbereiteten Set auf der Bühne stehen, aber sich beim Einrichten jedes mal auf den Boden knien zu müssen, um dort an Reglerchen durch das kleine Display navigieren zu müssen, ist nicht wirklich ideal. Das Voice Live ist nun mal kein Verzerrer mit drei Potis, sondern ein komplexes Gerät. Natürlich stellt sich die Frage, wie man es alternativ lösen könnte. Eine (optionale?) Fernbedienungseinheiten, die man an Mikroständer oder Keyboard fixieren kann kostet viel Geld, aber es sollte doch wenigstens die Möglichkeit geben, mit den acht Fußtastern zu editieren. Bei Gitarren-Preamps geht das ja schließlich auch, und eine Mehrfachbelegung konnte beim TC-Gerät ohnehin nicht verhindert werden.
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Die Menü-Struktur ist erfreulich einfach, so dass man nicht in mehrere Ebenen hinunter klettern muss, um einen Parameter zu ändern. Die Taster Edit und Store sprechen für sich. Allerdings bedarf es ohne Handbuch doch einiger Sekunden, bis man herausgefunden hat, wo sich etwa die globalen Einstellungen verstecken. Im Endeffekt ist es dann aber doch einfacher als gedacht, und so muss ich zugeben, dass sie sich nicht verstecken: Vielmehr hat man über Edit auch Zugriff auf die Utility-Funktionen. Dies wird mit einer kleinen LED angezeigt. Es kommt zwar eher selten vor (und ist auch etwas gewöhnungsbedürftig), dass Geräte- und Programmeinstellungen im selben Menü erledigt werden – erwies sich aber unterm Strich als durchaus praktisch!
Zu dem Gerät werden ein mehrsprachiges Handbuch und eine Tutorial-DVD geliefert. Die DVD ist von vernünftiger Qualität, allerdings sollte man bei derartigen Dreingaben auch keine aufwändigen Spielfilmproduktionen mit teuren Schauspielern, Regisseuren und Technikern verlangen. Auch ein auf neue Lehrmedien spezialisierter Pädagoge war bei der Erstellung des Videos wahrscheinlich nicht vor Ort. Trotzdem: Die DVD “funktioniert” und gibt den meisten Nutzern einen schnellen Überblick über das Pedal und seine Funktionen. Das Handbuch ist ebenfalls gut formuliert und üppig bebildert, hat vielleicht auf den ersten Blick eine etwas ungewöhnliche Struktur, welche sich stark an der Gerätestruktur orientiert. Nach einer kurzen Phase der Verwunderung findet man es aber sehr sinnvoll. Erstaunlich ist jedoch, dass TC in diesem Manual auf die übliche Formatierung der MIDI-Implementation-Chart pfeift. Diese Art Tabelle gibt im Normalfall Auskunft über die MIDI-Fähigkeiten des jeweiligen Gerätes und ist in ihrer Form normiert. Dadurch ist es möglich, selbst bei einem unbekannten Gerät mit einem kurzen Blick festzustellen, welche MIDI-Nachrichten verschickt und welche verstanden werden. Warum der Hersteller meint, sich von dieser, seit einem Vierteljahrhundert erfolgreich genutzten Praxis absetzen zu müssen, ist mir mehr als schleierhaft. Vier Minus, Leute! Der MIDI-unbedarfte Nutzer hätte sich darüber hinaus über eine kurze Erklärung zu “CC#” und “MSB” gefreut sowie darüber, was er damit eigentlich anstellen kann. Dabei hat TC Helicon nichts zu verheimlichen: Das System lässt sich dadurch editieren, fernsteuern und automatisieren – wichtig bei Shows, die zu einem Mastersystem laufen! Auch die Art und Weise, wie die MIDI-Anbindung funktioniert, ist nicht immer zufrieden stellend.
Hier ein Beispiel: Die Songs lassen sich per Program Change umschalten, was in manchen Situationen durchaus praktisch sein kann. Allerdings möchte man doch vielleicht automatisiert oder ferngesteuert auch die Songparts umschalten. Und außerdem gibt es nicht umsonst einen Song Select-Befehl. Dieser bleibt hier ungenutzt. Sinnvoll wäre es, wie in vielen Geräten auswählen zu können, ob man Presets oder Songs per Program Change, Song Select, Bank Select oder sogar Control Change umschaltet.
Meine Erklärung für das Schlamassel: Bei TC scheint man davon auszugehen, dass das sowieso kaum jemand machen möchte, weil es im Zeitalter der Computer-internen Produktionen fast niemand mehr versteht. Sollte das so sein: Diese Ansicht teile ich nicht.