PRAXIS
Wie bei allen TC Helicon Voicetones ist es ein Kinderspiel, das R1 betriebsbereit zu machen und zu benutzen. Es werden die beiden Audiokabel und das Netzteil eingesteckt, das Gain des Vorverstärkers eingestellt, der Effekt aktiviert, das Preset gewählt und das gewünschte Mischungsverhältnis eingestellt – mehr kann man ja schließlich auch nicht tun. TC rühmen sich jedoch, dem kleinen Backstein einen Mikrofon-Vorverstärker spendiert zu haben, der den Vergleich mit hochwertigen Preamps nicht zu scheuen braucht. Derartige Aussagen schreien geradezu nach einer Überprüfung, genau dieser musste sich der R1 stellen. Kontrahent im Rennen war kein Preamp eines Live-Pults, sondern ein UA 710 –also ein vergleichsweise teures und erwiesenermaßen hochwertiges Studiogerät. Dagegen anzustinken ist für den Voicetone sicher nicht leicht.
Das Ergebnis des “unfairen” Tests: Der TC-Vorverstärker klingt wirklich ordentlich. Mit der Transparenz und der Höhendarstellung des UA kann der Voicetone-Preamp zwar nicht ganz mithalten, doch muss niemand befürchten, durch Verwendung des R1 Einbußen in der Klangqualität hinnehmen zu müssen. Deutlich besser als die Preamps im Großteil der preiswerteren Pulte ist der Vorverstärker des Voicetones allemal. Da wurde vom dänischen Hersteller also nicht so kräftig die Werbetrommel gerührt, dass dabei der berüchtigte Schaum der Übertreibung entstanden wäre.
Die Aufgabe Nummer Eins – die Vorverstärkung – ist also bestanden. Aufgabe Zwei ist der eigentliche Daseinszweck des Kistchens: Nachhall generieren. TC Helicon bedienen sich für diese Aufgaben gerne beim Schwesterunternehmen tc electronic, welches nicht zuletzt für seine klaren und natürlich wirkenden Räume bekannt ist. Das Stepping durch die acht Presets offenbart die hohe Qualität des Reverbs. Offensichtlich wurde für den Bodentreter nicht zu sehr an Rechenkapazitäten gespart, denn sonst wären derart hochwertige Reverbs wohl kaum möglich. Einerseits ist das R1 in der Lage, sehr dichte und unstatische Nachhallfahnen zu generieren. Qualitativ fühle ich mich wirklich an die Studiogeräte von tc electronic erinnert. Hut ab!
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Die schwere Aufgabe, hochwertige Erstreflektionen zu erstellen, meistert das Gerät mit der rot-schwarzen Farbgebung ebenfalls erstaunlich gut. Besonders Ambience-Programme, bei denen in kurzer Zeit komplexe Antworten eines Raumes simuliert werden müssen, enthüllen oft Schwächen. Im 100%-Wet-Betrieb erkennt man sehr gut, was dort geschieht. Ehrlich: Das ist gut und hochwertig, meine Verneigung! Doch habe ich hier noch ein “Aber” in der Tasche: Die Tatsache, dass man selbst die rudimentärsten Parameter nicht verändern kann, schränken den praktischen Nutzen des R1 doch hier und da etwas ein. Es ist zwar schön, dass es TC Helicon der Sängerschaft ermöglichen wollen, ohne viel Aufhebens an ihren Hall zu kommen, doch ist es mitunter unabdingbar, die ein oder andere Anpassung an Stimme, Einsatz, Musik und die akustischen Gegebenheiten vor Ort machen zu können. Es kommt nicht von ungefähr, dass man bei einigen Reverbs über hundert Parameter kontrollieren kann – manche von ihnen als “Makro”. Der Laie mag denken, dass Hall gleich Hall ist, doch gibt es vieles, was notwendig ist, damit Hall auch wirklich dem Gesamtbild zuträglich ist. Wer Hall einsetzen möchte, muss sich zwangsläufig damit auseinandersetzen, was Pre-Delay und Early-Reflection-Level, High-Damp und Density wirklich sind. Das R1 erlaubt den Zugriff auf diese Parameter nicht, auch nicht per USB. Dies geschieht zwar aus dem ehrenhaften Grund der Vereinfachung, schränkt den Einsatznutzen des kleinen Tool aber leider auch unnötig ein. Und das ist Schade, denn die qualitative Basis stimmt hier definitiv. Hätten TC Helicon ihre “Voicetone-Doktrin” etwas offener verfasst, hätten sie sich und den Usern sicher einen Gefallen getan. Sinnvoll – nein, notwendig(!) –wäre es gewesen, zumindest Early-Reflection-Level, Pre-Delay und vor allem High-Damp einstellen zu können. Ja, auch High-Damp muss vor der Zusammenmischung von Wet und Dry liegen, im Falle des R1 also im Gerät, da hilft kein EQ. Einige Hersteller haben es vor vielen Jahren schon vorgemacht und ihren einfacheren Effektgeräten einen nicht näher benannten “Edit”-Regler spendiert, der je nach Programm eine der genannten Eigenschaften oder auch Density, RT60, Bass-Roll-Off regelt. Nicht, dass ich hier für kleinlich gehalten werde: Die Notwendigkeit, einige Parameter kontrollieren zu können, besteht auch deshalb, weil mit dem Einsatz eines Reverbs schnell die Sprachverständlichkeit stark zurückgeht. Besonders die Unterscheidbarkeit von S, F, TH und G, K, T, D leidet unter unpassenden Erstreflektionen – bei Kneipenauftritten wie auf großen Venues. Wenn ihr das nicht schlimm findet, solltet ihr euch natürlich mal ernsthafte Gedanken um eure Texte machen.