Der neue Technics SL-1200 GAE ist da. Er ist limitiert auf 1200 Exemplare, er ist edel, er ist teuer und er ist der beste „Zwölfzehner“, den es jemals gab.Aber warum kostet er so viel? Wie fühlt er sich an? Und was verrät das limitierte Sondermodell über das noch für dieses Jahr angekündigte Serienmodell? Wir haben den SL-1200 GAE getestet und berichten.
Details
Beinah beiläufig verkündete Technics’ Mutterfirma Panasonic Anfang 2010, dass ihr bekanntester Klassiker Ende Oktober eingestellt werden soll. Gerüchte zum Ende der „Wheels-Of-Steel“ tauchten schon früher auf, als der auf 1.000 Exemplare limitierte SL-1200 Mk6 K1 zum 35. SL-1200-Geburtstag im Dezember 2007 und die schwarzen und silbernen SL-1200 Mk6 K und SL-1200 Mk6 S im Februar 2008 ausgeliefert wurden. Die Mk6-Turnies waren nur in Japan erhältlich. Aber so recht glauben wollte es niemand, bis dann tatsächlich Schluss war. Es schien, als hätte Technics vor der digitalen DJ-Kultur kapituliert. Aber Totgesagte leben bekanntlich länger: Ende 2015 kündigte Technics einen neuen Turntable an. Allerdings keine einfache Fortführung der Serie.
Technics Deutschland erklärt dazu: „Technics hat 2010 den 1200er eingestellt, um die Marktsituation neu zu analysieren. Im Zuge der digitalen Revolution wurden die Abspielgeräte immer günstiger, aber die Klangqualität und die technische Ausführung auch immer schlechter. Das war für Technics nicht akzeptabel und so betrieb die Firma Grundlagenforschung.“
Dass der Mutterkonzern Panasonic unter dem Motto „Rediscover Music“ den neuen Zwölfer mitsamt weiteren sehr hochwertigen Audiokomponenten ausgerechnet in diesem Jahr vorstellt, hat seinen Grund im 50-jährigen Jubiläum der Firma Technics.
Und für Ende des Jahres 2016 wird das neue Serienmodell SL-1200 G erwartet. Es wird sehr viel teurer sein als bisherige Zwölfer und richtet sich dadurch an eine andere Zielgruppe als Clubs und DJs. Bonedo liegt aber schon jetzt der neue und auf 1200 Exemplare weltweit limitierte SL-1200 GAE zum Test vor, der einen guten Ausblick zulässt, was beim Serienmodell zu erwarten sein wird.
Rein optisch ist der limitierte Technics SL-1200 GAE ganz unverkennbar ein waschechter direkt angetriebener Zwölfer, mit allen Features, die DJ kennt und schätzt, wenn auch sehr viel edler. Allerdings ist er mit 18,7 kg um ein sattes Drittel schwerer als die klassischen 1200er und verfügt über einige offensichtliche Detailverbesserungen. Laut Technics wurde jedoch vor allem die Verarbeitungs- und Materialqualität deutlich aufgewertet und neue Schaltkreise und Fertigungsmethoden entwickelt, um eine möglichst perfekte Klangübertragung zu gewährleisten. Die einzelnen Bauteile haben einen hohen Selektionsgrad und bestehen aus ausgesuchten Materialien.
Der auffällig schwere Plattenteller befindet sie wie üblich abmontiert im Lieferkarton und wird auf das Plattenspielergehäuse nicht nur aufgesteckt, sondern auch mit drei Schrauben verschraubt. Des Weiteren sind im Lieferumfang enthalten: die klassische Klarsichtplastikhaube, die übrigens auch auf ältere Zwölfer passt, eine dicke Gummimatte für den Plattenteller, die für DJ-Anwendungen natürlich sofort gegen eine eigene Slipmat ausgetauscht wird und ein Träger für das Pickup-System. Ein Tonabnehmer wird wie üblich nicht mitgeliefert. Dafür aber Stromkabel, ein dickes Cinch-Kabel und ein ebenfalls solides Erdungskabel, da der Technics SL-1200 GAE über Cinch-Buchsen und einen Anschluss für das Erdungskabel verfügt und auch den Strom über einen Kaltgerätestromanschluss bezieht. Hinzu kommen die unveränderten Standards wie Headshell für den Tonabnehmer, Singlepuck, Tonabnehmergegengewicht und Extragewicht, Montage- und Bedienungsanleitung.
Äußerlichkeiten
Obwohl der SL-1200 GAE auf den ersten Blick sehr gewohnt aussieht, hat sich allein bei den verwendeten Materialien einiges getan. So besteht z.B. der nach wie vor S-förmige Tonarm nicht aus Aluminium, sondern aus Magnesium „kalt gezogen“. Denn Magnesium ist sehr leicht, reflektionsarm, vibrationsarm und praktisch ohne Eigenklang. Scheinbar ideales Tonarmmaterial. Leider verändert es sich aufgrund seiner molekularen Eigenschaften, wenn es erhitzt wird, so dass Technics eine Methode entwickeln musste, den Tonarm im kalten Zustand zu formen.
Der Plattenteller des GAE ist schwer und goldfarben. Beim klassischen Zwölfer ist das berühmte „Wheel-Of-Steel“ bekanntlich aus Druckguss-Aluminium geformt. Beim SL-1200 GAE besteht der Plattenteller aus drei Schichten: Ganz oben befindet sich die fette Messingplatte. Darunter verbirgt sich der eigentliche Plattenteller aus Druckguss-Aluminium, darunter ist dann noch eine Bitumenschicht gegengedampft. Dadurch ist der Plattenteller nicht nur komplett vibrationsbefreit und entsprechend rückkopplungsarm, er ist auch entmagnetisiert, da es keine magnetischen Flüsse mehr auf dem Plattenteller gibt. Das ist wichtig, um z.B. auch sehr hochwertige MC-Tonabnehmersysteme (Moving Coil) mit bewegter Spule benutzen zu können. Wenn sich der MC-Pickup der Mitte des Plattentellers nähert, könnte ansonsten eine elektromagnetische Induktion erfolgen, die durch diese spezielle Fertigungsweise vermieden wird. Störeinflüsse zwischen Tonabnehmer und Motor sind dadurch laut Technics damit praktisch ausgeschlossen.
Obwohl wie schon beim 1996 erschienenen und ebenfalls für den audiophilen Markt bestimmten SL-1200 Mk4 mit 33, 45 und 78 RPM alle drei gebräuchlichen Geschwindigkeiten einstellbar sind, hat Technics das klassische Design mit nur zwei Geschwindigkeitsschaltern durch einen kleinen Trick beibehalten: 78 RPM wird mittels Druck auf beide Schalter aktiviert.
Wie bei den letzten 1200er Generationen hat sich Technics auch für einen versenkten Powerschalter im Stroboskop-Türmchen entschieden, so dass keine Gefahr besteht, ihn versehentlich auszuschalten. Das Stroboskop-Licht ist übrigens blau gehalten, so wie auch alle anderen LEDs auf dem Plattenspieler. Nur das klassische „U-Boot-Periskop“ oder auch „Pop-Up-Light“ leuchtet die Plattenrillen weiß aus, wie seit dem SL-1200 Mk5 auch per LED, was die Langlebigkeit deutlich erhöhen sollte – die kleinen Glühbirnchen des Target-Lights waren zumeist das erste defekte Teil an einem Zwölfer.
Links unter dem nicht mittelgerasterten Pitchfader befindet sich ein „Reset“-Schalter, der den Pitchfader deaktiviert, was durch eine blaue Status-LED angezeigt wird. Auf der rechten Seite der Plattenspieleroberfläche befindet sich ein Schalter mit der Aufschrift „x 2“, der den Regelbereich des Pitchfaders von „+/-8“ auf „+/-16“ erweitert, auch dieser ist mit einer blauen Status-LED versehen. Der „x 2“-Button wird übrigens auch für den periodischen Torque Adjustment Check benötigt, um Rotationsungleichmäßigkeiten auszugleichen.
Der Tonarm zeigt auf den Technics-Schriftzug, nur ist er hier eingraviert und rechts daneben befindet sich ein gold-schwarzes Plättchen, auf dem die Seriennummer der auf 1200 Exemplare limitierten Serie eingraviert ist. Bei unserem Testgerät übrigens die Nummer: „0000“. Wir fragen uns, ob es also 1201 dieser Geräte gibt oder ob die limitierte Serie bei Nummer „1199“ aufhört.
Dafür hat sich auf der Unterseite des brandneuen Zwölfers einiges getan: Die Stromzufuhr geschieht über einen Kaltgerätestecker und der Sound wird über sehr stabile, außenliegende Cinch-Buchsen ausgespielt. Endlich können gute kapazitätsarme Cinch-Kabel und hochwertige Cinch-Stecker genutzt werden. Das Erdungskabel wird ebenfalls mit einer soliden Schraube angeschlossen. Ich persönlich hätte es idealer gefunden, wenn die Anschlüsse einfacher von hinten zugänglich wären. Zum Anschließen muss der Turntable auf die Seite gedreht werden, bei Aufbewahrung im Flightcase also herausgehoben werden. Neben dem sehr hohen Preis wäre das sicher ein weiterer Grund, warum der neue SL-1200 GAE bei PA-Verleih-Firmen nicht die erste Wahl sein wird. Aber das ist auch nicht die Zielgruppe des neuen Technics Plattenspielers.
Technics hat übrigens keinen Digital- oder USB-Audioausgang vorgesehen und setzt auf makellose analoge Architektur. Und wie üblich wird auch der neue Zwölfer nach wie vor ohne Tonabnehmer geliefert.
Die inneren Werte
Auch unter der Haube des 1200 GAE geht es speziell zu. Um den dicken schweren Plattenteller des 1200 GAE flott auf Touren zu bringen, braucht es einen besonders starken Motor. Dieser ist laut Technics völlig neu entwickelt worden. Mit Augenmerk auf möglichst wenig Vibrationen läuft er nach Herstellerangaben in nur 0,7 Sekunden auf Sollgeschwindigkeit. Der Turntable ist sehr laufruhig und solide. Damit bringt er auch einige Kilo mehr auf die Waage und ist mit 18,7 kg um ein sattes Drittel schwerer. Ein echt schwerer Brocken!
Unter dem Plattenteller befinden sich einige Einstellmöglichkeiten für die Anlauf- und Abbremsgeschwindigkeit des Plattentellers sowie ein USB-Anschluss. Als doch USB? Nein, man kann den 1200 GAE nicht als Soundkarte oder Traktor Controller verwenden. Der USB-Anschluss dient lediglich im Servicefall zum Auslesen von Daten. Aber auch Firmware Updates sollen möglich sein, indem ein USB-Stick mit der neuen Firmware in den USB-Anschluss gesteckt wird. Das Handbuch gibt für die Firmware-Update Prozedur diese Website an, die leider (bisher?) komplett auf Japanisch gehalten ist.
Der sogenannte „Mode Switch“ ist mit „A“ auf den Automatik-Modus voreingestellt und reproduziert laut Handbuch die Anlauf- und Abbremsgeschwindigkeit der traditionellen SL-1200er-Serie. Wenn man den Modeswitch mit einem schmalen Schraubenzieher auf „M“ wie „Manual“ schaltet, können diese beiden Geschwindigkeiten ebenfalls per Schraubenzieher mit kleinen versenkten Schräubchen stufenlos eingestellt werden, Anlaufgeschwindigkeit (Torque) auf „Low“ oder „High“ (L+H) und Bremsgeschwindigkeit (Brake) auf „Slow“ oder „Fast“ (S+F). Das ist aber etwas fummelig und man macht das vermutlich auch nicht so häufig. Ich persönlich war und bin mit der klassischen Einstellung mehr als zufrieden.
Einfach abheben, indem man mit zwei Fingern in die beiden großen Löcher greift, kann man den Plattenteller ebenfalls nicht mehr, er ist ja mit drei Schrauben fixiert. Die beiden Löcher sind aber geblieben. Dadurch kommt man an den Mode-Schalter und die zwei Einstellschrauben heran, auch ohne den Plattenteller lösen zu müssen.