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Teenage Engineering OP-1 Test

Praxis

Eine meiner „spleenigen“ Eigenschaften ist eine hohe „Akku-Auflade-Disziplin“- daher folge ich der Weisung des Manuals genauestens und lade den OP-1 vor dem Einschalten komplett auf. Nach schätzungsweise drei Stunden (ich war während des Ladevorgangs nicht anwesend) konnte ich dann endlich, von Neugier zerfressen, den kleinen Schweden einschalten. 

Was macht der Keyboarder dann zuerst? Na klar, erst mal die Sounds abchecken. Hocherfreut darüber, dass sowohl die Drum- als auch die Synth-Abteilung schon einiges an interessanten Sounds zu bieten hat, versuche ich, im spielerischen Umgang soviel wie möglich über die Möglichkeiten des OP-1 herauszufinden.


Bedienung

Recht schnell stellt man fest, dass die Lektüre der Bedienungsanleitung absolut ratsam ist, nicht falsch verstehen! Das Bedienkonzept des OP-1 ist meiner Meinung nach ein Geniestreich! Angesichts der kompakten Größe des Gerätes ist das Maximum an Bedienelementen definitiv erreicht und Tasten-Doppelbelegungen lassen sich nicht ganz vermeiden. Alles ist logisch aufgebaut, und doch ist aufgrund der Funktionsvielfalt eine gewisse Einarbeitung erforderlich.

Speziell an die Arbeit im Tape-Mode musste ich mich als DAW-verwöhnter Musiker erst wieder herantasten, obwohl mein persönliches „Teenage Engineering“ mit einem Tascam Porta 05 4-Spur Recorder begann. Viele elementare Parameter/Funktionen, wie z.B. die Preset-/FX-Browser, Loop-Startpunkte im Tape- und Sample-Mode, u.v.m. lassen sich nur bei gedrücktem Shift-Taster anwählen. Wenn man dieses realisiert hat, ist das fast schon die halbe Miete.

Doch was hat es denn nun mit den farbigen Encodern auf sich? Diese korrespondieren stets mit den entsprechend gleichfarbigen Funktionen/Parametern im mehrfarbigen OLED-Display. Einfacher und übersichtlicher geht es nicht! Des Weiteren kommen viele Parameter ohne konkrete Benennung aus und sind grafisch ansprechend, bisweilen sehr phantasievoll animiert. Grandios! Mich persönlich inspiriert diese Verspieltheit absolut im Vergleich zum „Umschaltwerk-Feeling“ verschiedener anderer Klangerzeuger und Geräte.

Klangerzeugung
Die Eingriffsmöglichkeiten in den teilweise unkonventionellen Synth-Engines würde ich als übersichtlich, aber effektiv bezeichnen. Wer sich zu Tode programmieren will, ist hier falsch, der OP-1 ist ein Instrument, das in erster Linie gespielt werden möchte. Dennoch lässt sich Synthese-seitig nach folgendem simplen Prinzip so einiges anstellen:

Fenster 1: Steuerung von vier Synth-Engine-spezifischen Klangparametern über die vier Encoder mit häufig effektiven, teilweise schwer vorhersehbaren Klangveränderungen. Die Parameter der einzelnen Synth-Engines seht ihr in den folgenden Abbildungen.

In den anschließenden Audiobeispielen hört ihr verschiedene Synthesizer-Sounds mit internen Effekten des OP-1 inklusive verschiedener Encoder-Fummeleien sowie den neuen Voltage-Synth.

Neu ist der Voltage-Synth, gewohnt puristisch ist die Parametrisierung!
Neu ist der Voltage-Synth, gewohnt puristisch ist die Parametrisierung!
Audio Samples
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Synthesizer Sounds DNA Synth Voltage Synth

Die weiteren Fenster bieten folgende Funktionen, die nur genannt werden sollen, da sie sich durchaus von selbst erklären.

  • Fenster 2A: ADSR Amp-Hüllkurve 
  • Fenster 2B (Shift): Playmode (Poly, Mono, Legato, Unisono), Portamento-Zeit 
  • Fenster 3: Effekt
  • Fenster 4: LFO

Der LFO ist der heimliche Star der OP-1 Klangerzeugung, und die Namensgebung wird der Vielfalt der gebotenen Modulationsmöglichkeiten nicht im Ansatz gerecht. Derzeit stehen sechs verschiedene LFO-Typen zur Wahl (Crank, Element, MIDI, Random, Tremolo, Value). Daraus resultiert neben dem standardmäßigen, wahlweise beatsynchronen oder -unabhängigen Low Frequency Oscillator eine Vielzahl weiterer Modulationsquellen, wie z.B. der eingebaute Bewegungssensor, der Audioeingang/Mic/Radio oder das „Kurbeln“ am blauen Encoder im Crank-Mode. 

Der Crank LFO.
Der Crank LFO.

Als Modulationsziel kann jeder Parameter der Klangerzeugung  einschließlich der Effektsektion angewählt werden. Falls mehrere Parameter moduliert werden sollen, ist dies im LFO-Mode „MIDI“ möglich. Hier können bis zu vier frei wählbare Klangparameter über die MIDI-Controller CC01 bis CC04 gesteuert werden.

Effekte

Eine kurze Aufklärung über die Effekte, deren Funktion sich nicht zweifelsfrei über den Namen erschließt:

CWO: Muuuh!
CWO: Muuuh!
  •  CWO: Der neue Effekt erzeugt in mir eine Schreibblockade. Was schreibt man bitte über einen Effekt, der grafisch als Kuh dargestellt ist und sich die Parameteränderungen auf verschiedene Mägen und anscheinend Blase und Enddarm auswirken? Ich brauch erst mal eine Glas Milch … Also, hiermit lässt sich eine große Bandbreite abgefahrener Modulations-, Delay- und Filter-Effekte erzeugen, wie das folgende Hörbeispiel zeigt.
  • Grid: Plate-Effekt mit Feedback für Delay-artige Effekte
  • Punch: Low Pass Filter mit Wet/Dry und diversen Parametern 
  • Spring: Der Name verrät, dass es sich um einen Federhall handelt. Wer aufgrund der Effektkollegen etwas Trashiges erwartet, der liegt falsch. Kann sehr groß und teuer klingen, besonders als Mastereffekt in Stereo.
  • Phone: Nein, dies ist kein LoFi Telefon-EQ, wie man ihn zuhauf kennt, hier passieren noch viele andere Sachen, quasi Circuit-Bending in einer Telefonzelle, sehr abgefahren und in Maßen gut verwendbar.
  • Nitro: Bissiges Dual-Filter mit Low- und High-Cut im Computerspiel-Design
Fotostrecke: 2 Bilder Der Nitro-Filter mit Low- und High-Cut im Computerspiel-Design.
Audio Samples
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CWO als MasterFX Nitro als MasterFX Pulse-Synth mit recht plakativem Springhall-Effekt aufgrund marginaler Höhendämpfung.

Sound

Bereits die teils ungewöhnlichen Synth Engines und Parameter lassen durchblicken, dass der OP-1 nicht versucht, analoger als analog zu sein. Er ist digital und klingt digital, mal schneidend und hart, und auch mal warm und edel. Obwohl die breite Soundpalette und Parametrisierung einen tendenziell progressiven Touch hat, eignet er sich für meinen Geschmack ebenso gut für Mainstream-Pop. Durch die Möglichkeit, im Drum- und Synth-Mode Samples zu nutzen, hat man zudem die Möglichkeit, den OP-1 den eigenen Bedürfnissen anzupassen.

Audio Samples
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Drum Kits

Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass bis zum Mix-Mode die Audiobearbeitung, sprich Klangerzeugung inklusive Sampler und Effekte, in Mono stattfindet! Erst im Mixfenster können wir einzelne Spuren im Stereopanorama verteilen. Die Effekte Spring und Grid erzeugen im Mix-Mode bereits bei ungepannten Spuren einen virtuellen Stereoeffekt – gut zum Spielen oder Recorden eines Synthiesounds in eine DAW.

SequenzerIm OP-1 stehen die vier bereits genannten Sequenzertypen zu Verfügung. Am praxistauglichsten bzw. musikalischsten erscheinen mir die Typen Finger und Pattern. Im erstgenannten Mode können über die Keyboardtasten alternative Sequenzen getriggert und sogar gelayert werden, wogegen im Pattern-Mode das Pattern in der entsprechenden Tonhöhe des Keys getriggert wird. Die teilweise bereits vorhandenen werksseitigen Sequenzen können beliebig editiert oder auch vollkommen neu programmiert werden.

Sehr schrullig ist der Sequenzer-Modus „Tombola“. Hier mutieren die eingespielten Noten quasi zu Bällen einer Lotterietrommel. Einzustellende Parameter sind in etwa Drehgeschwindigkeit (alternativ selber kurbeln), Schwerkraft, usw. Alles klar…? Interessanterweise produziert dieser Sequenzer ab und an musikalisch verwertbare, interessante Ergebnisse. Zu guter Letzt bietet der Endless-Mode eine Art Step-Sequencer – alle Sequenzer-Modi (mit Ausnahme von Tombola) haben einen prozentual regelbaren Swing-Faktor.

Fotostrecke: 2 Bilder Der Finger-Sequencer.

Tape-Mode
Auffälligstes praxisrelevantes Merkmal des Tape-Modes ist das Fehlen eines virtuellen Löschkopfes. Das bedeutet, dass die Aufnahme auf einer Spur ggf. zuvor aufgenommenes Material nicht löscht, sondern diesem hinzugefügt wird. In diesem Overdub-Mode kann man theoretisch unendlich viele Spuren layern, nur blöd, wenn man sich mal verdaddelt. Für diesen Fall könnte man vorsorglich den Bereich, in dem die Aufnahme stattfindet, an eine andere Bandposition kopieren, quasi als Backup.
Schicker wäre – aha, endlich mal Kritik! – eine Undo-Möglichkeit des zuletzt aufgenommenen Takes. Ansonsten hat der virtuelle 4-Spur Recorder jede Menge Features zu bieten, die über die Möglichkeiten seines analogen Pendants hinausgehen. Einzelne und auch alle Spuren können geschnitten, verschoben und kopiert werden, bei aktivierter Beatmatch-Funktion sogar synchron zum eingestellten Tempo. Weiterhin können mehrere Spuren auf eine Spur und sogar in den Sampler gebouncet werden. Abgerundet durch die sogenannten Tapetricks, variables Tempo, usw. ist der Tape-Mode äußerst vielseitig.
Dennoch zwei zaghafte Kritikpunkte: Das Abspielen eines takt- und temposynchronen Loops/Cycles läuft nicht immer so 100-prozentig rund, wie man es von einer DAW gewohnt ist. Manchmal wird z.B. der Attack einer Bassdrum am Beginn des Cycles „verschluckt“. Zudem wäre etwas mehr grafisches Feedback über den Inhalt der einzelnen Spuren für die praktische Arbeit vorteilhaft, was allerdings nur auf Kosten der kultigen Darstellung der „Audio-Kassette“ umzusetzen wäre. Ein Mixdown vorhandener Mehrspuraufnahmen inklusive Tapetricks, Spielen auf der Tastatur und sonstiger Kurbeleien ist anschließend im Album-Mode möglich.

Der Tape-Mode.
Der Tape-Mode.

Neu mit OS218: Arpeggio

Der neue Sequencer Mode namens „Arpeggio“ ist m.E. das Highlight der neuen Firmware und hält genau, was der name verspricht. Dieser inspirierende Realtime Arpeggiator erfindet im Gegensatz zu anderen Sequencer Modes des OP-1 das Rad nicht neu, liefert aber im Handumdrehen tolle Ergebnisse und komplettiert die schwedische Mini-Workstation.

Neu mit OS218: Arpeggio
Neu mit OS218: Arpeggio
Audio Samples
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Arpeggio

MIDI
Der USB-Port dient neben der Ladetätigkeit und dem Datenaustausch als MIDI Ein- und Ausgang. Somit ist zum einen die Steuerung per DAW, MIDI-Keyboard, etc. möglich, zum anderen kann der OP-1 als MIDI-Controller eingesetzt werden. Besonders Nutzer von Ableton Live und Propellerheads Reason wird erfreuen, dass der OP-1 als spezifischer Controller diverse Programmfunktionen steuert. Für Ableton Live ist dazu die Installation des OP-1 Ableton Live MIDI Script erforderlich.

Der OP-1 ist leider nicht multitimbral, lediglich ein Sound oder Drumkit können von einem externen Sequenzer angesteuert werden. Wäre auch zu schön gewesen! Dennoch weigere ich mich, diesen Punkt negativ zu werten, weil nicht wenige Klangerzeuger dieser Preisklasse (oder darüber) auch nur einen Sound bzw. Ton gleichzeitig von sich geben.

Datenverkehr

Des Weiteren dient der USB-Port dem simplen Datenaustausch mit dem Computer. Im Disk-Mode erscheint der OP-1 ganz banal als Festplatte auf dem Desktop. Sounds, Samples, Bandspuren und Masterspuren erscheinen in separaten Ordnern und lassen sich per Drag and Drop kopieren oder austauschen. Dies ermöglicht ggf. den unkomplizierten Import erstellter Sequenzen/Aufnahmen in die DAW des Vertrauens zwecks weiterem Herumfeilen und Produzieren.

Anders herum lassen sich auf diese Weise z.B. eigene Drumsamples vom Computer in den OP-1 kopieren, um diese dort zu nutzen. Auf der Teenage Engineering Homepage stehen beispielsweise verschiedene Drumkits zur Verfügung. Selbsterstellte Sounds erscheinen im sogenannten Snapshot-Ordner und können nur per Computer sinnvoll benannt werden. Beim Speichern von Sounds im OP-1 wird zunächst eine willkürlich erscheinende Zahlenkombination als Name generiert – einer meiner wenigen Nachbesserungsfavoriten kommender Updates.

Kommentieren
Profilbild von Anni

Anni sagt:

#1 - 11.06.2013 um 16:55 Uhr

0

Danke für den Test, sehr schön geschrieben.Ist es richtig, das der OP-1 nicht per MIDI synchronisiert werden kann?

Profilbild von Peter Koenemann

Peter Koenemann sagt:

#2 - 11.06.2013 um 22:55 Uhr

0

Hi, im Sync Mode synchronisiert sich der OP-1 als MTC Slave. Funktioniert mit meinem Logic bestens inklusive Start, Stopp und Spulen. Tape Tricks, Cycle etc. erzeugen einen bleibenden Offset. Wenn man aus einer DAW etwas synchron aufnehmen möchte muss man etwas tricksen: Mit Note On Befehl des OP-1 ("stummes" Preset) gleichzeitig DAW starten (Keycommand "Start") und die Tape Aufnahme (Record Button vorher gedrückt halten). Weitere McGyver Lösungen für andere Setups gibt es im Netz. LG Peter

    Profilbild von Martinair

    Martinair sagt:

    #2.1 - 27.03.2020 um 17:28 Uhr

    1

    Lässt sich denn das OP1 mit dem Roland UM one mk2 (usb midi) verbinden um damit andere geräte mit midi kabel per midi clock zu synchronisieren ?

    Antwort auf #2 von Peter Koenemann

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    +1
Profilbild von Chris Clavinova

Chris Clavinova sagt:

#3 - 20.06.2013 um 17:25 Uhr

1

Toller Bericht, der die Vorzüge und die Faszination des kleinen "Zauberkastens" gut beschreibt. Ich besitze das Gerät nun seit einem Jahr und habe noch immer genauso viel Freude an dem Gerät wie nach den ersten paar Takten. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich die Finger vom OP-1 lassen kann, zumal es tatsächlich ohne Postproduktion möglich ist, komplette Tracks damit zu editieren und live zu arrangieren. So gibt es auf Soundcloud.com eine eigene Gruppe, in der ausschließlich OP-1-Songs hochgeladen werden dürfen - habe da auch schon gepostet ;-)Sie schrieben:
"Beim Speichern von Sounds im OP-1 wird zunächst eine willkürlich erscheinende Zahlenkombination als Name generiert"
Meines Erachtens setzt sich die Zahlenkombination aus Datum und Uhrzeit des Zeitpunktes des Abspeicherns zusammen. Datum und Uhrzeit lassen sich im OP-1 einstellen.

Profilbild von Peter Koenemann

Peter Koenemann sagt:

#4 - 20.06.2013 um 20:05 Uhr

0

Hi Chris, danke für Deinen korrekten Hinweis. Nicht alles, was willkürlich erscheint ist es auch. Trotzdem fällt es mir schwer anhand von Datum und Uhrzeit Rückschlüsse über den Sound zu ziehen. Besonders wenn 2 Sounds innerhalb von einer Minute gesichert wurden - dann haben sie tatsächlich identische Namen. Eine direkte Bennenungsmöglichkeit im Gerät wär schon hilfreich. LG Peter

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