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Teenage Engineering PO-35 speak Test

Praxis

Vom ersten Pocket Operator an (PO-12 rhythm) an, zieht sich ein hoher „Hab-mich-lieb“-Faktor durch alle Geräte der Serie. Der PO-35 macht da keine Ausnahme, denn das handliche Taschenrechner-Format zusammen mit dem integrierten Lautsprecher, dem Batteriebetrieb und dem Gefühl, direkt auf der Hardware zu arbeiten, lässt die Herzen aller ewig verspielten Buben und Mädels (und das sind wir Elektronik-Musiker, egal welchen Alters ja alle) sofort höher schlagen.
Ganz so trivial, wie einen die spielerische Optik glauben macht, ist die Bedienung der POs allerdings nicht. Man sollte schon einen Nachmittag einplanen, um sich mit dem grundlegenden Bedienkonzept, den Shorcuts und dem Wechsel zwischen Performance- und Write-Modus vertraut zu machen. Denn der ist im Grunde Dreh- und Angelpunkt bei allen Pocket Operatoren. Grundprinzip dahinter: Man wählt den zu spielenden Sound und verändert die Klangparameter, so wie man sie braucht. Danach wechselt man in den Write-Modus und fügt ihn via Lauflichtprogrammierung an der oder den Stellen innerhalb des 16/16tel-Rasters ein, wo man ihn haben will. Das Trickreiche dabei:
Der Pocket Operator speichert alle Einstellungen pro Step. Geht man danach also zurück in den Performance-Modus, wurschtelt sich den Sound komplett anders zurecht und fügt ihn danach an einer anderen Step ein, schaltet der PO-35 bei laufendem Pattern blitzschnell zwischen den Einstellungen (und Sounds) hin und her, was für entsprechend komplexe rhythmische und tonale Gebilde sorgt. Als kleines Beispiel soll ein Beat dienen, den ich in ca. fünf Minuten aus drei  Beatbox-Sample in Verbindung mit der Drumspur und unter Einsatz der Effekte gebaut habe:

Audio Samples
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Demo-Beat

Klangerzeugung

Dadurch, dass beim PO-35 Resynthese zum Einsatz kommt, kann das Sample mit acht verschiedenen Effekt-Charakteristika ausgelesen werden. Zur Auswahl stehen:
  • neutral
  • autotune
  • retro
  • noise
  • robot
  • fifth
  • vocoder
  • synth
Jede der Einstellungen ist dann über die sechzehn Tasten tonal spielbar, wobei nicht nur der Grundton im Bereich von 24 Halbtönen modifiziert werden kann, sondern auch eine von drei Skalen wählbar ist (Dur, Moll, Blues, Arabisch). Mehr noch: Über die Taste „FX“ in Verbindung mit den beiden Potentiometern (A/B) kann ich zwischen Trim und Tone umschalten und habe dort die Parameter Pitch und Formant, sowie Start und Speed im Zugriff. Schraubt man hier herum, wird hörbar, wie das Resampling agiert und man damit sogar in der Lage ist, Samples an einer bestimmten Grain-Position quasi einzufrieren.
Audio Samples
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Algorithmen Transposition Formant- und Speed-Veränderung

Das Sampling selbst geht einfach von der Hand: Einfach „Record“ plus den gewünschten Slot drücken. Dann geht der PO-35 automatisch in Wartestellung und beginnt die Aufnahme, sobald ein bestimmter Schwellwert überschritten ist – entweder am internen Mikrofon oder am Audioeingang. Zudem steht optional ein Metronom bei der Aufnahme zur Verfügung, dass das aktuelle Tempo über den Ausgang hörbar macht. Drückt man „Record“ und „FX“ vor der Aufnahme, kommt man in einen sehr interessanten (undokumentierten) Bereich, wo sich zum einen die Sensitivität des Mikros, zum anderen die Sampling-Rate verändern lässt (80, 60, 40, 20 Frames per Second).

Undokumentierte Funktion: Das Einstellen der Sampling-Rate. (Foto: Numinos)
Undokumentierte Funktion: Das Einstellen der Sampling-Rate. (Foto: Numinos)

Programmierung

Wie bereits gesagt, ist der stete Wechsel zwischen Write- und Performance-Modus das grundlegende Arbeitsprinzip am PO-35 speak: Alles, was man im Performance-Modus einstellt, wird nämlich in der Lauflichtprogrammierung gespeichert. Das geht so weit, dass sich der PO-35 „merkt“, wie lange man eine Taste gedrückt hat. Triggert man diese dann im Lauflicht-Modus, repräsentieren die kleinen LEDs sogar, wie lange das Sample läuft. Auf diese Weise füllt sich schnell Pattern um Pattern.
Möchte man diese in eine längere Struktur bringen, greift man dann einfach auf das Verketten zurück: Dazu hält man die Pattern-Taste gedrückt und betätigt gleichzeitig die gewünschte Pattern-Nummer. Auch hier zeigt sich der PO-35 „mitdenkend“, denn drückt man eine Pattern-Nummer mehrmals, wird sie entsprechend oft wiederholt. Wirklich Pattern-übergreifende Strukturen entstehen so allerdings nicht: Man bleibt prinzipbedingt eher im Ein-Takt-Frickelmodus.
Das ist auf der einen Seite toll, weil man so auf wirklich ungewöhnliche Ideen und Strukturen kommt, ist andererseits auch ein bisschen schade, denn gerade die tonal spielbaren Elemente laden dazu ein, sie auch mal im größeren Kontext spielen zu wollen. Auch und gerade deshalb, da die Engine hörbar einen Legato-Modus beherrscht. Denn triggert man längere Samples, hält dabei die erste Note gedrückt und wechselt auf andere Tasten, „läuft“ der Sound transponiert weiter. Modulationen der Parametergruppen Tone und Trim können leider nicht in Echtzeit aufgezeichnet werden, wohl aber Effekt-Combos.
Audio Samples
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Factory-Pattern (alle) Legato-Spiel

Datenmanagement 

Die Arbeit mit dem PO-35 speak wird von verschiedenen Datenmanagement-Funktionen flankiert. Da ist zum einen die Möglichkeit, Patterns zu löschen und zu kopieren, zum anderen die Option, komplette Backups als Audio-Binär-Code-Rauschen auszuspielen und wiederherzustellen. Ebenfalls schön: Drums aus Microtonic (wahlweise aus dem PO-32 tonic oder dem Plugin) können direkt empfangen werden. Und für den Fall, dass man mal wieder ganz auf Anfang möchte, hält der PO-35 auch die Möglichkeit zu einem Factory-Reset bereit. Leider offeriert „Speak“ keine Undo-Funktionen: Einmal überschriebene Sounds, Steps oder Pattern sind weg – für immer.
Einzelne Drumsounds können direkt aus dem Microtonic-Plugin übertragen werden. (Foto: Numinos)
Einzelne Drumsounds können direkt aus dem Microtonic-Plugin übertragen werden. (Foto: Numinos)
Audio Samples
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Factory-Drums

Effekte

Die Effekte des PO-35 gliedern sich in zwei Gruppen: „Voice“ und „Effect“. Die Gruppe der ersten acht Voice-Effekte entspricht den Algorithmen, die die Synthese-Engine für die Sample-Ausgabe bereithält. Mit dem einzigen Unterschied, dass man sie während ein Pattern läuft wechselt. Die hinteren sieben Effekte werden dagegen sowohl auf die Synthese- wie auch die Drum-Engine appliziert. Dass der letzte Slot ein Nicht-Effekt ist, hat gute Gründe, denn mit ihm lassen sich in das Pattern geschriebene Effekt-Combos gewissermaßen „überschreiben“ – also löschen. Zur Auswahl stehen also:
  • 09. Stutter Sweep
  • 10. Trance Gate
  • 11. Half Rate
  • 12. 16 Bar Build-Up
  • 13. 6/8 Quantize
  • 14. Retrigger Pattern
  • 15. Reverse
  • 16. No Effect
Anders als bei den anderen Pocket Operatoren wo die Effekte immer global auf alles wirken, ist die Zweiteilung der Effektsektion anfänglich ein bisschen ungewohnt. Logisch ist sie dennoch.
Die Effekte gliedern sich in Voice-Algorithmen und Effekte. (Foto: Numinos)
Die Effekte gliedern sich in Voice-Algorithmen und Effekte. (Foto: Numinos)
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Beatbox-Beat mit FX

Synchronisation

Alle Pocket Operatoren können untereinander einen Sync-Bus bilden. Dazu verbindet man lediglich den Audio-Ausgang des Masters mittels eines Stereo-Miniklinkenkabels mit dem Eingang des zu clockenden Slave. Und nicht nur die Clock wird durchgereicht, sondern auch das Audiosignal. Das heißt, am Ende lässt sich die Summe aller Pocket Operatoren am Ausgang des letzten Operators abgreifen. Unweigerlich wird aus dem Master dann allerdings ein Mono-Gerät (denn der rechte Kanal ist ja mit dem Clock-Impuls beschäftigt). Durch wiederholtes Drücken der „Record“- und „BPM“-Taste legt man dann fest, wie mit den Signalen umgegangen werden soll.
Fotostrecke: 2 Bilder Bringt man einen zweiten PO ins Spiel, können diese via Stereo-Miniklinken-Kabel synchronisiert werden. (Foto: Numinos)

Klang 

Auch wenn die sieben Algorithmen teilweise völlig unterschiedliche Klangcharakteristiken haben und die Robot-, Vocoder- oder Synth-Engine weitaus „sauberer“ klingen, als etwa der Autotune- oder Noise-Effekt, kann man dem PO-35 insgesamt doch ein sehr charakteristische Note zuschreiben. Und die ist eher etwas rau und granular, aber nicht „trashig“ oder zerstört. Spätestens wenn man beginnt die Klangfragmente in Patterns zu strukturieren, kommt dann noch eine ganz eigene „Frickel“-Ästhetik ins Spiel, die unmittelbar durch den Workflow bestimmt wird: So kleinteilig wie am PO, arbeitet man an der DAW für gewöhnlich nicht. Das Ziel ist hier immer mit der einen zur Verfügung stehenden Stimme, das Pattern möglichst abwechslungsreich zu füllen. Das diszipliniert und führt einen fast automatisch zu einer ganz eigenen Ästhetik.
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Factory Samples
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