TikTok gegen Universal Music: Der Lizenzkrieg hat Folgen für die ganze Musikindustrie

Die Musik von Taylor Swift, Guns N’ Roses und Kiss ist von einem Tag auf den anderen von TikTok verschwunden. Die Vertragsstreitigkeiten könnten weitreichende Folgen für die Musiker und die Industrie dahinter haben.

© Raph_PH

Letzte Woche gaben das Major Label Universal Music und ByteDance (Mutterunternehmen von TikTok) bekannt, den Lizenzvertrag zwischen den beiden Unternehmen nicht mehr fortzuführen. Damit wird bald keine Musik der Universal Music Group (UMG) auf der Social-Plattform laufen. Universal begründete das mit einem schlechten Angebot seitens TikToks. Demnach wurde das Label zu einem neuen Vertrag “gedrängt”, der eine schlechtere Vergütung als bisher aufweisen würde. Dazu wurden drei zentrale Forderungen nicht akzeptiert: 1.) Die angemessene Entschädigung für unsere Künstler und Songschreiber. 2.) Schutz menschlicher Künstler vor den schädlichen Auswirkungen der KI. 3.) Online-Sicherheit für die Nutzer von TikTok.

Finanziell hat der TikTok-Deal bisher nur rund ein Prozent des jährlichen Umsatzes von Universal Music (10,3 Mrd. Euro 2022) ausgemacht, weshalb das Label in einer starken Verhandlungsposition war. ByteDance sieht die Lage anders und zeigt sich enttäuscht, “dass die Universal Music Group ihre eigene Gier über die Interessen ihrer Künstler und Songschreiber gestellt hat”.

TikTok ohne Musik funktioniert nicht

2014 wurde der Vorgänger von TikTok unter dem Namen Musical.ly gegründet und hatte dabei stets einen musikalischen Hintergedanken. Nutzer haben sich dabei gefilmt, wie sie zu Musik tanzen, turnen oder ihre Lippen synchron bewegen. Die große Popularität führte dazu, dass die Themen auf der Social-App immer breiter wurden und praktisch alle gegenwärtigen Interessen aufgreifen. Musik ist aber auch heute noch einer der wichtigsten Faktoren für den Erfolg der Plattform.

Seit der Beendigung des Vertrags mit dem 1. Februar wurden bereits Millionen Songs von TikTok entfernt. Darunter fallen Lieder von The Beatles, Rolling Stones, Drake, Billie Eilish, Helene Fischer, Black Sabbath, Linkin Park und Metallica. Von letztgenannten gibt es allerdings noch vereinzelte Songs in der Musik-Bibliothek. Bestehende TikTok-Videos mit Universal-Songs sind größtenteils stumm geschalten – hier können die Nutzer allerdings alternative Musik einstellen. Bei alten Videos mit Lippensynchronisation wird das allerdings nicht funktionieren.

Folgen für die ganze Musikindustrie

Die Streitigkeiten zwischen TikTok und Universal werden ihre Spuren in der ganzen Musikindustrie hinterlassen. Schließlich ist die Industrie stark miteinander verwoben. Ein Beispiel: Harry Styles steht bei Sony Music unter Vertrag. In manchen seiner Songs sind laut Billboard allerdings die Schreibrechte von Urhebern wie Metro Boomin und Jack Antonoff angegeben, die bei Universal unter Vertrag stehen. Dazu kommen Lieder, die Samples von Universal- Songwritern enthalten. In beiden Fällen hält Universal anteilige Rechte und kann diese Songs ebenfalls von TikTok entfernen lassen. Aufgrund dieser Struktur ist laut Billboard bei einigen Genres mehr als die Hälfte der genutzten Musik betroffen.

Die Folgen für die betroffenen Musiker sind entsprechend groß. Die Künstler verlieren einen Teil ihrer Streaming-Einnahmen und haben nicht mehr Zugang zu einem der wichtigsten Marketing-Werkzeuge der gesamten Musikindustrie. Gleichzeitig könnte die starke Verhandlungsposition von den großen Labels dazu führen, dass Social Media Plattformen die Musikinhalte besser platzieren. Aktuell werden oft sensible Inhalte – zum Beispiel politische Propaganda oder Hetze – mit Musikstücken kombiniert. Das passiert oft zum Ärger der Musiker, die keine Instrumentalisierung ihrer Musik haben wollen. Ein Beispiel: Bruce Springsteen protestierte gegen die Verwendung von ‘Born in the U.S.A’ bei Trump-Rallys, da er nicht mit Trump assoziiert werden möchte.

Kleine Labels als mögliche Profiteure

Von der aktuellen Lage werden derzeit Musiker profitieren, die nichts mit Universal Music am Hut haben. Sie können mit mehr Aufmerksamkeit auf TikTok rechnen, das mit über einer Milliarde monatlicher Nutzer einer der größten Plattformen überhaupt geworden ist. Das betrifft natürlich auch kleinere Artists von Indie-Labels, die plötzlich weniger Konkurrenz haben. Dazu könnte die große Stunde der Acapella- bzw. Cover-Sänger bevorstehen. Eigene Interpretationen von bekannten Songs könnten als Ersatz für die Originale dienen.

Eine weitere Folge könnte die Flutung von KI-Songs sein. Bisher gibt es noch keinen klaren rechtlichen Rahmen zu der Benutzung von Musik, die von künstlicher Intelligenz erstellt oder modifiziert wurde. Durch immer bessere Software wird es in Zukunft zu einem größeren Anteil von KI-Musik kommen. Die aktuelle Situation könnte diesen Trend befeuern.

Mittelfristig ist damit zu rechen, dass sich ByteDance und Universal Music einigen werden und in den nächsten Monaten wieder zu ‘Shake it Of’ oder ‘One Dance’ auf TikTok getanzt wird. Universal erhofft sich mit ihrer Hartnäckigkeit natürlich bessere Verträge. ByteDance hofft hingegen, dass die anderen Major Labels Sony Music und Warner Music, die sich zu dem aktuellen Disput nicht geäußert haben, nicht mitziehen werden. Aktuell profitieren sie schließlich von der frei gewordenen Reichweite. Profiteure sind auch andere Plattformen, sowohl Musikstreaming-Anbieter wie Spotify, YouTube Music und Apple Music, als auch Social Plattformen wie Instagram und Facebook, die selber verstärkt auf kurze Video-Formate setzen.

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