Praxis
Vorab sei gesagt, dass dieser Test meine erste Begegnung mit einer Gitarre dieser Gattung darstellt. Das Instrument kommt in einem speziellen und gut gepolsterten Logo Pro Gig Bag. Ich hatte es schon eingangs erwähnt: Trotz seiner Parlor-Grundgröße ist auch diese Harfengitarre ein ganz schöner Brummer und fühlt sich demzufolge auf dem Schoß zunächst einmal etwas gewöhnungsbedürftig an. Durch die Korpusverlängerung oberhalb des Halses ist die Gitarre zudem kopflastig. Das liegt aber in der Natur der Sache und ist daher nicht als Kritikpunkt zu verstehen.
Bei der ersten näheren Begutachtung macht das Instrument einen wirklich gut verarbeitenden Eindruck und offenbart einen angenehm zu greifenden, matt lackierten Hals mit tadellos abgerichteten Bünden.
Bevor wir uns dem Klang des Instruments genauer widmen wollen, noch ein paar Worte zur Stimmung dieser Spezialgitarre. Schon allein der unterschiedlichen Zahl an zusätzlichen Saiten wegen wurden diverse Stimmungen für Harfengitarren dokumentiert. Für ein Modell dieser Art mit sechs weiteren Saiten wird häufig, von der höchsten Basssaite abwärts die folgende Stimmung verwendet: D, C, B(H), A, G, E’. Der höchste Ton klingt also einen Ganzton unter der regulären tiefen E-Saite. Die darauffolgenden Saiten steigen anhand der Stammtonleiter in Ganzton- bzw. Halbtonschritten bis zur fünften Saite (G) ab. Als tiefste Saite erklingt dann das E’. Für diese Stimmung habe ich mich ebenfalls im Test entschieden.
Beim Spielen dieser Gitarre muss man sich nicht nur an ein neues Haltungsgefühl sondern auch an die zusätzlich mitschwingenden Basssaiten gewöhnen bzw. das eigene Spiel daran anpassen. Dazu gleich mehr. Durch die spezielle Bauweise ist nicht nur der Höreindruck für den Spieler, sondern auch das Schwingungsverhalten spürbar verändert. Lässt man die zusätzlichen Basssaiten außen vor bzw. dämpft diese, offenbart das Modell einen sehr klaren Ton in allen Lagen, der sich, für Parlor-Bauweisen typisch, in den tiefen Frequenzen zurückhält. Im hohen Register wirkt die Gitarre eher weich, was einen weniger spritzigen Grundklang zur Folge hat. Nimmt man dann die tiefen Saiten hinzu, erklingen diese mit einem äußerst stabilen und drahtigen Sustain. Dabei reagieren die zusätzlichen Basssaiten auch bei hartem Anschlag sehr gutmütig. Die Basswiedergabe hat logischerweise auch hier natürliche Grenzen. Imposant wirkt das Klangspektrum des Instruments aber trotzdem. Das zusätzliche Tonabnehmersystem reagiert im Gegensatz zu typischen Piezo-Tonabnehmern mit einer wirklich tollen dynamischen Wiedergabe und einem angenehmen und recht natürlichen Klang. Allerdings benötigt man einen zusätzlichen EQ zur Anpassung, da das Signal direkt aus dem Instrument etwas höhenarm erscheint. Dass man die beiden Register der Gitarre weitestgehend separat abnehmen kann, erweist sich dann, wie schon vorab vermutet, als absolut hilfreich bei der Abstimmung des Signals.
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Für die Aufnahmen steht heute ein Neumann TLM 103 etwa in Höhe des 12. Bunds vor der Gitarre, das von einem Golden Age PRE-73 MKII Preampverstärkt wird. Die beiden Signale der Tonabnehmer laufen außerdem über die D.I.-Eingänge eines Focusrite ISA-Preamps. Wie man auf den Aufnahmen gut wahrnehmen kann, klingt die Gitarre über die Tonabnehmer deutlich voluminöser als unverstärkt (Hörbeispiel 1). Wirklich tolle Effekte lassen sich erzielen, wenn man über einen tiefen Pedalton Melodien spielt (Hörbeispiel 2). Durch das Aufschwingen der restlichen Basssaiten entsteht eine Art Halleffekt, ähnlich wie man es von einem Klavier kennt, dessen Dämpfer gehoben sind. Spielt man wiederum Akkordpicking oder Strumming-Figuren (Hörbeispiel 3/4), ist eine möglichst kontrollierte Dämpftechnik der zusätzlichen Basssaiten ratsam, da das Aufschwingen sonst schnell auch für einen etwas diffusen Bassanteil sorgen kann kann. Lässt man sich auf dieses Instrument ein, schlummert hier definitiv eine Menge kreatives Potential. Gleichzeitig erscheinen ausgetretene Pfade des eigenen Spiels auch in einem anderen Licht. Bei den Aufnahmen könnt ihr zwischen verschiedenen Quellen wählen. Auch bei diesem Modell macht es durchaus Sinn, das akustische Signal mit dem Tonabnehmersignal zu unterfüttern.