Reist man für eine kurze aber intensive Woche ins Land der aufgehenden Sonne, in meinem Fall nach Tokyo, so fällt einem etwas sehr schnell auf. Getränke- und Snack Automaten befinden sich überall und bieten eine breite Produkt Auswahl an. Eines steht sicherlich fest: Japaner werden nie auf offener Straße verdursten oder verhungern. Der Automat, dein Freund und Helfer, steht allzeit bereit dich mit Getränken und Speisen zu versorgen. Reist ein Europäer wie meine Wenigkeit nach Tokyo, zählen blinkende Verkaufsapparate befühlt mit Lebensmitteln zu einer Sehenswürdigkeit. Für die 9.46 Millionen Einwohner von Tokyo sind Automaten allgegenwärtig und gehören zum Stadtbild wie Autos und Busse.
Erste Eindrücke
Meine Reise führte mich nicht wegen den unzähligen Automaten nach Tokyo, sondern vor allem um die Synthesizer Messe die zwischen dem 18. und 19. November 2017 in den Red Bull Music Studios stattfand, zu besuchen. Hersteller, Künstler und Besucher aus aller Herren Länder versammelten sich hier um das Thema Synthesizer ausgiebig zu feiern. Während zwei Tagen wurden die Teilnehmer informiert, gelehrt und unterhalten mit feinster elektronischer modularer Musik.
Es stellte sich früh heraus, dass ein Verkaufsroboter eine weitere zentrale Rolle auf dieser Reise spielen würde. Einige Wochen bevor es losging, hat ein guter Freund und Musiker aus Wien mir in einem gemütlichen Beisl* erzählt, dass man in Japan nicht nur Lebensmittel in Automaten erstehen kann sondern auch Elektronik Bauteile für Synthesizer. Schalter, Tasten, Transistoren… zählten zu meinen ersten Gedanken aber schließlich stellte es sich heraus, dass man in Tokyo auch alte FM Chips in Gashapon Automaten kaufen kann. Klassisch werden in solchen Maschinen Anime/Manga Figuren angeboten und nach dem Zufallsprinzip herausgeben. Für den Käufer ist es somit jedes Mal eine Überraschung was er schlussendlich bekommt. Mein Interesse diesen skurrilen Automaten zu finden war geweckt und konnte es nicht abwarten nach Tokyo zu reisen.
*Anmerkung der Redaktion: Das “Beisl” ist ein typisches Wiener Speiselokal. Bodenständig, gemütlich und gutbürgerlich behauptet es sich in einer boomenden Restaurantszene. Der Begriff Beisl stammt höchstwahrscheinlich aus dem Jiddischen – und kommt von „bajiss“ (Haus). Das klassische Wiener Beisl hat einen geräumigen Schankraum, wo Wein serviert und Bier gezapft wird, eine dunkel gestrichene Holzvertäfelung, einfache Tische und Sessel sowie ein gemischtes Publikum. In der Küche herrscht Wiener Tradition.
Als Detektiv unterwegs …
Ausgeschlafen und voller Tatendrang, begann eine wahre Detektivarbeit im Bereich Synthesizer. Anfangs etwas planlos und uninspiriert wurde die Suche aber Tag für Tag besser und gezielter. In einem privaten Gespräch mit Dan Green von “4ms Company” nach der Messe, schaffte ich meinen ersten erwähnenswerten Durchbruch. In einem eher unbekannten Entwicklerforum zeigte er mir einen älteren Eintrag wo einige Nutzer bereits vor einigen Jahren diesen Automaten aufgespürt haben.
Für dich ausgesucht
Meine weiterführende Detektivarbeit hatte Erfolg. Hierbei handelte es sich um ein winziges Geschäft namens “RE:birth”, das sich auf elektronische Bauteile spezialisiert hat, die vor allem Klänge reproduzieren können. “Birth”, ein Produkt das nur hier käuflich ist, ist eine Art DIY Board womit man FM Sounds aus alten bekannten Spielkonsolen wiederbeleben kann. Alte Sound Chips werden in die Platine eingesteckt und die Töne mittels einem oder mehrerer Regler kontrolliert und abgespielt. Hier wichtig zu erwähnen ist, dass die damaligen Sounds in alten Computer, Arcade Maschinen usw. mit Hilfe von FM Chips realisiert wurden, die vor allem vonYamaha entwickelt wurden. So wissen wir jetzt wieso dieser spezifische Automat genau in diesem Geschäft steht.
Akihabara – ein Paradies
Der letzte Tag in Tokyo war angebrochen. Nachdem ich morgens in Asakusa den Sensō-ji Tempel mit unzähligen fotografierenden Touristen besucht hatte, machte ich mich auf den Weg nach Akihabara oder auch der Stadtteil, wo das Kind im Manne wieder durchbricht. Eines sollte man wissen, bevor man Tokyo auf eigene Faust erkundet: Mobiles Internet wie auch eine Kartendienst-Applikation auf dem Smartphone sollten zur Grundausstattung gehören, da diese Tools einem in einer Millionenstadt wie dieser deutlich weiterhelfen.
Da stand ich nun in Akihabara, einem Stadtteil von Tokyo in dem die Welt anders ticken zu scheint. Überdimensionierte Elektronik-Kaufhäuser, reihenweise Anime/Manga Konsumtempel, laute Spielhallen in denen Menschen stundenlang auf Pachinko Maschinen starren oder junge Frauen in Schulmädchen Kostümen die als lebende Litfaßsäulen arbeiten.
Tokyo Radio Department Store
Dank Google Maps führte mich meine Reise in eine verhältnismäßig ruhige Nebenstraße dieser quirligen Stadt, zum Tokyo Radio Department Store. Bereits im Eingang wird man von Türmen von Adapter, Kabel, LED Lichter, Schaltungen usw. empfangen. Der Tokyo Radio Department Store ist kein “0815” Elektronik-Kaufhaus, sondern ein älteres Gebäude in dem sich viele kleine Geschäfte befinden.
Hier arbeiten viele verschiedene Händler auf kleinstem Raum und verkaufen von gebrauchten Smartphones, Laptops, Retro-Spielkonsolen, DIY komplett Sets (Radio, 8-Bit E-Piano…) bis hin zu einzelnen Chips, reihenweise Adapter, Kabel, und Knöpfe.
Die Größe des Sortiments, die mich einfach sprachlos gemacht hat, ist kein Einzelfall in Tokyo, sondern Normalität. Mein einstündiger Besuch ermöglichte mir einen groben Überblick des Angebots zu bekommen, aber ohne dabei ins Details zu gehen. Jeder Elektronik-Begeisterter, egal ob Profi oder Hobby Bastler wird das Geschäft lieben und nicht leer verlassen, auch wenn das Geld am Schluss nur für einen handelsüblichen Audio-Klinkenbuchsen-Adapter reichte.
Die Suche hat ein Ende
Kurz bevor mich die Rolltreppe in ihren Fängen hatte und mich in die oberen Etagen zum Schlendern einlud, erblickten meine Augen auf der rechten Seite den unscheinbaren Händler RE:birth. Schnell war mir klar, dass es sich hier um das gesuchte Geschäft handele. Retro Spielkonsolen verpackt in Folien, kartonweise Spiele-Klassiker in original Verpackung, DIY Kits zum Löten bis hin zu einzelne Elektronik Einzelteilen.
Gashapon Automat der etwas anderen Art
Auf der linken Seite positioniert an einem Fenster mit Blick auf die Rolltreppen stand das Objekt der Begierde, die etwas anderen Gashapon Automaten. Zu meiner Verwunderung waren es sogar vier verschiedene Apparate, die etwas versteckt zwischen alten Spiele-Kassetten standen. Zwei der sechs aufgestellten Automaten waren nicht relevant, da diese lediglich Anime/Manga Figuren oder andere Produkte beinhalteten.
Die unterschiedlichen FM Chip Typen
Etwas perplex wandte ich mich wieder den Gashapon Automaten zu und versuchte die aufgedruckten Informationen zu entziffern. Auch wenn der Händler für sein gezeigtes Verhalten keinen Kauf meinerseits verdient hätte, brach meine Freude über diesen ungewöhnlichen Automaten nicht. Der Spannendste der vier Automaten war sicherlich der Erste auf der linken Seite. Dieser war mit diversen FM Chips der Marke Yamaha bestückt. Viele der angebotenen Chips waren vor allem früher in bekannten Arkade- oder Videospiel-Konsolen (Sega Genesis, Megadrive …) verbaut. Nur einzelne der aufgelisteten Chips befanden sich auch in alten FM Synthesizern. Die Spannendsten sind hier sicherlich diese:
- YM2612 (OPN2): Sega Genesis / Megadrive und Teilweise Patch Kompatibilität mit Yamaha DX/TX Synthesizers.
- YM2414 (OP-Z): Yamaha TX81Z, DX11, YS200, V-50 Synthesizer, Yamaha PSR-80, PSR 6300 Keyboards, KORG Z3 Guitar Synthesizer.
- YM2164 (OPP): Yamaha DX21, DX27, DX100, SFG-05, FB-01 Synthesizer, KORG DS-8, 707 Synthesizer.
- YM2151 (OPM): Yamaha DX21, DX27, DX100, SFG-01, SFG-05 Synthesizer, Yamaha YPR-7, YPR-8 und YPR-9 E-Piano und auch in Arcade Spielen von Atari, Capcom, Namco, Sega…
Einige davon haben mittlerweile einen so hohen Kultstatus erreicht, dass Softwarefirmen Synthesizer entwickeln, die beispielsweise den Sound des YM2612 emulieren.
Meine Ausbeute
Da die Gashapon Automaten nach dem Zufallsprinzip arbeiten, verfolgte ich nicht das Ziel einen spezifischen Chip zu ergattern, sondern wollte meine menschliche Neugier stillen. Vier Automaten standen mir zur freien Verfügung, entschieden habe ich mich schlussendlich für den Ersten, den interessantesten unter allen. Per Münzeinwurf wurde der Automat aktiviert und mit einem kräftigen Dreh nach rechts löste man den Mechanismus aus. Wenn alles normal abgelaufen ist, befindet sich dann eine Kugel im unteren Fach des Automaten. So war es auch! Dort lag eine Kugel, in der ein FM Chip verpackt in einem durchsichtigen Tütchen befand. Erkennen konnte ich anfangs nichts am Chip, da die Schrift bereits sehr ausgeblichen war. Abends in meiner kleinen aber feinen Wohnung in Shibuya leuchte ich ihn kurz an und konnte die Bezeichnung ablesen. Hier handelt es sich um den YM2610 (OPN8) Sound Chip von Yamaha, der vor allem in alten Arcade- und Videospiel Systemen verbaut wurde.
Auch wenn das Endresultat kein FM Chip aus einem bekannten vintage FM Synthesizer war, kann ich bestätigen, dass man in Tokyo, diese in Automaten nach dem Zufallsprinzip kaufen kann. Einzig die Frage bleibt offen, wie alt oder neu die einzelnen Chips sind. Egal ob vintage oder neu hergestellt, was bleibt, ist eine außergewöhnliche Erfahrung (vor allem für Elektronikliebhaber) und der Fakt, dass man FM Chips in Tokyo in Gashapon Maschinen kaufen kann. Skurril. So etwas kann man nur in Japan erleben!
Also, auf nach Japan!