Tommy Bolin gehört, ähnlich wie Paul Kossoff, zu den tragischen Figuren der Rockmusik. Bolins Schaffenszeit war zwar kurz, aber dennoch ausreichend, um einen imposanten Fußabdruck in der Musiklandschaft zu hinterlassen. Gerade seine Arbeit mit der James Gang, mit Billy Cobham und Deep Purple, und vor allem seine beiden Soloplatten zählen auch heute noch zu den bedeutendsten Gitarren-Recordings der 70er-Jahre. Wir wollen dem vergessenen Hero hier ein kleines Denkmal setzen.

Biografie von Tommy Bolin
Thomas Richard Bolin wurde am 1. August 1951 in Sioux City, Iowa, geboren. Nach ersten Auftritten mit der Band „Miserlous“ stieg er im Alter von nur 13 Jahren bei „Denny and the Triumphs“ ein, deren Album „Patch of Blue Live!“ sogar in der Iowa Rock & Roll Hall of Fame landete. In seinen späten Teenagerjahren zog Bolin nach Boulder, Colorado, und spielte dort in einer Band namens „American Standard“, bevor er sich „Zephyr“ anschloss.
„Zephyr“ war der erste Schritt in eine größere Musikszene, da die Band einen Plattenvertrag in der Tasche hatte und auch Supportshows für Led Zeppelin und Jethro Tull spielte. Nach Tommys Ausstieg folgten einige weitere Projekte, bevor er eine fast einjährige Bandpause nahm, eine Phase, in der er fast hundert Songs schrieb. Da Bolin jedoch immer mehr in finanzielle Nöte kam, ersetzte er 1973 Domenic Troiano in der „James Gang“. Auf den beiden folgenden Alben „Bang“ (1973) und „Miami“ (1974) schrieb Bolin nahezu alle Songs oder war zumindest Mitautor. Ganz nebenbei wirkte Tommy noch auf einem Album mit, das auch heute noch als absoluter Meilenstein gilt: Billy Cobhams „Spectrum“. Rastlos war er jedoch stets auf der Suche nach neuen musikalischen Pfaden, sodass er die „James Gang“ nach nur zwei Alben verließ.
Neben Kollaborationen mit diversen Rock- und Jazzkünstlern, unter anderem mit Alphonse Mouzon oder Moxy, unterschrieb Bolin 1975 bei Nemperor Records, um sein Soloalbum „Teaser“ aufzunehmen. Zu den Mitwirkenden gehörten vertraute Namen wie David Foster, David Sanborn, Jan Hammer, Stanley Sheldon, Jeff Porcaro, Phil Collins und Glenn Hughes.
Tommy Bolin stieg für Ritchie Blackmore bei Deep Purple ein
Während der Aufnahmen zu diesem Album kontaktierte ihn „Deep Purple“, um den zuvor ausgestiegenen Ritchie Blackmore zu ersetzen. Im Oktober 1975 erschien dann „Come Taste the Band“. Bolin schrieb sieben der neun Titel des Albums und es folgten Tourneen in Australien, Japan und den USA. Bolins Soloalbum „Teaser“ wurde im November des gleichen Jahres veröffentlicht, aber seine Verpflichtungen gegenüber „Deep Purple“ bedeuteten, dass er sein Soloprojekt nicht mit einer Tournee promoten konnte. Obwohl sich „Come Taste the Band“ relativ gut verkaufte und unter Kritikern positiv aufgenommen wurde, lieferten die folgenden Tourneen viele Tiefpunkte. Einerseits erwartete das Publikum, dass Bolin mehr im Stile Blackmores spielte, aber auch Bolins und Glenn Hughes Drogenabhängigkeit führte zu etlichen unterdurchschnittlichen Shows. Die sogenannte „Deep Purple Mk IV“-Besetzung löste sich im Juli 1976 schließlich auf und Bolin konnte sich ganz seinem Soloprojekt widmen.
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Mitte 1976 nahm CBS Records Bolin unter Vertrag und im Juni begannen die Aufnahmen zu „Private Eyes“, seinem zweiten und letzten Soloalbum. Nach dessen Release im September folgte eine Tournee und am 3. Dezember 1976 spielte er in Miami eine Supportshow für Jeff Beck. Es sollte sein letztes Konzert werden, denn Bolin starb in der folgenden Nacht, am 4.12., an einer Überdosis Heroin und anderen Substanzen. Er ist auf dem Calvary Cemetery in Sioux City, Iowa, begraben. Tommy Bolin wurde nur 25 Jahre alt.
Das Equipment von Tommy Bolin
Tommy Bolin setzte in seinen Anfangsjahren eine Fülle von Instrumenten ein, die Fender Telecaster genauso wie Gitarren von Gretsch, Guild, Yamaha und Gibson. Am stärksten wird Bolin jedoch mit der Fender Stratocaster assoziiert, von der er einige Modelle verwendete. Häufig sieht man ihn mit seiner 63er Sunburst, dem „Shoe Polish“-Modell im Naturlook und einem Telecaster-Hals. Auch eine schwarze 72er-Strat mit großem Headstock gehörte zu seinem Arsenal.
Hinsichtlich der Amps verwendete er anfänglich Fender Bandmaster- und Twin-Modelle, aber auch einen Vox Super Beatle. Ab vermutlich 1973 bestand sein Haupt-Setup jedoch aus Hiwatt DR-103 100-Watt-Amps und Sound City 4X12″-Boxen, die mit Eminence-Lautsprechern bestückt waren. An Pedalen benutzte er eine Sam Ash Fuzzz Boxx, ein EP-3 Echoplex, ein Wah und einen Schulte Compact-Phaser.
Tommy Bolin – Der Workshop
Tommy zählt sicherlich nicht zu den formal ausgebildeten Musikern, aber er konnte sich stets auf sein extrem gutes Gehör und seine Intuition verlassen. Er selbst sagte über sich: „I only ever had four lessons. I don’t know any scales at all. I know what to play, but don’t know any scales because I never bothered to learn any”.
In seinem Spiel findet man viele Elemente aus dem Blues, aber auch aus Funk und Jazz. Seine Rhythmusparts beinhalten dabei einige Voicings, die weit über die damals im Rock üblichen Akkorde hinausgingen, gepaart mit interessanter Rhythmik. Skalentechnisch bewegte sich Bolin viel in der Pentatonik- und Blues-Scale, wusste aber auch geschickt, Tonleitermaterial aus dem dorischen, mixolydischen oder äolischen Modus einzusetzen. Seine Soli zeugen stets von hohem melodischem Gespür, toller Dramaturgie und einem geschmackvollen Ton. Auch konnte Tommy sehr gut mit dem Slide umgehen und setzte Effekte wie das Echoplex oder Phaserpedale sehr gezielt ein.
“Stratus” – Billy Cobham (Spectrum, 1973)
Für viele kam es ziemlich überraschend, dass Jazz/Fusion-Legende Billy Cobham auf Tommy Bolin als Gitarristen für das Album „Spectrum“ zurückgriff. Auch wenn Bolin sicherlich nicht der typische Jazzrock-Player ist und gegenüber Cobham auch immer wieder betonte, dass er keine Charts oder Noten lesen kann, erkannte Billy dessen musikalisches Talent. Bei dem Stück Stratus spielt Bolin eine geschmackvolle, funkige Rhythmusgitarre, die er mit Licks aus der Bm-Pentatonik anreichert.
“Homeward Strut” – Solo (Teaser, 1975)
„Homeward Strut“ zeigt ein eher ungewöhnliches Riff. Tommy vermischt hier sehr geschickt Elemente aus der E-Bluestonleiter und E-mixolydisch. Auch fällt auf, dass Bolin das klassische 4-Takt-Formschema aufbricht und eine dreitaktige Phrase verwendet.
“Teaser” – Solo (Teaser, 1975)
Der Song “Teaser” bietet ebenfalls ein tolles Singlenote-Riff in der Tonart E-mixolydisch. Übrigens wurde dieser Song sogar von „Mötley Crue“ im Jahre 1989 für das Kompilation-Album „Stairway to Heaven/Highway to Hell“ gecovert.
“This time around/Owed to G” – Deep Purple (Come taste the Band, 1975)
Auf dem Deep Purple-Album „Come taste the Band” finden wir die Ballade „This Time Around„, die direkt in das Instrumental „Owed to ‘G’“ führt. Die Komposition entstand aus einem Jam von Bolin und John Lord und gilt als Hommage an den Komponisten George Gershwin. Hier hört ihr ein Singlenote-Riff im 6/8-Takt, bei dem Bolin sehr schön den dorischen Modus ausspielt.
“Getting’ Tighter” – Deep Purple (Come taste the Band, 1975)
Das Riff von „Gettin’ Tighter“ wurde von Bolin bereits 1974 geschrieben. Der Song steht in der Tonart Am und zeigt sehr gut, wie Tommy rockige Chords mit funkigen 16tel-Grooves und Ghost-Notes verknüpft.
Solo – “Stratus” – Billy Cobham (Spectrum, 1973)
Das Solo von Stratus demonstriert sehr gut Bolins Gespür für Dramaturgie und Soloaufbau. Der Part bewegt sich in Bm und Bolin beginnt mit sparsamen Blues- und Pentatonik-Licks, die er rhythmisch interessant verschiebt. Im weiteren Verlauf folgen ein paar klassische Repeating-Patterns. Ich habe euch hier die erste Hälfte dieses Solos aufbereitet. Dreht zu Beginn das Volume-Poti eurer Gitarre dezent zurück und fahrt es dann am Ende des 11. Taktes hoch.
Get the Sound
Bolins Sound lebt von der Kombination aus Stratocaster, Hiwatt-Amp und dem Sam Ash Fuzz. Tommy sagte, dass er am Amp die Bässe voll aufdreht und die Höhen zurücknimmt. Am Sam Ash Fuzz werden Attack, Volume und Tone auf Maximum gestellt. Dadurch klingt es nur am Rande wie ein Fuzz, gibt dem Sound jedoch viel mehr Biss und Attack. Durch das Tone-Poti bietet es auch einige der Eigenschaften eines regelbaren Treble-Boosters. Da nicht jeder einen Hiwatt-Amp zu Hause hat, könnt ihr natürlich auch einen aufgerissenen Fender-Amp benutzen und ein dezentes Setting an einem Fuzzpedal wählen, das nicht allzu aufdringlich daherkommt. Pedale, die euch evtl. helfen können, wären der Crazy Tube Circuits Hi Power, der Wampler Velvet Fuzz oder der BSM Spectrum. Letzterer wurde z. B. von mir für die Aufnahmen eingesetzt, ist aber leider nur noch auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich. Hier ein Soundvorschlag mit dem Native Instruments Guitar Rig 7 Plug-in.

Damit wünsche ich euch viel Spaß mit Tommy Bolin!