Ohne Frage hat sich die Gitarren-Tabulatur, abgekürzt TAB, mittlerweile als Standard etabliert, wenn es darum geht, Gitarrenparts zu notieren. Diese spezielle Notation der Gitarre in einer Art Tabellenform – daher auch der Name – ist leicht verständlich, einfach nachzuvollziehen und wie die eigentliche klassische Notenschrift inzwischen international über alle Sprach- und Kulturgrenzen hinweg bekannt. In dieser Tool-Time-Folge erfahrt ihr nicht nur einiges über die Geschichte der Tabulatur, sondern auch, wie man sie liest und wie man mit ihrer Hilfe Musik notiert. Dabei wird natürlich auch die Schreibweise von gitarrenspezifischen Spieltechniken wie Hammer Ons/Pull Offs, Slides oder Bendings in der Tabulatur dargestellt und erläutert.
Historie
Wegen der Gitarren-Tabulatur werden wir Gitarristen häufig von notenlesenden Mitmusikern belächelt. Da fallen auch schnell solche gehaltvollen Kommentare wie “Analphabet” oder “malen und spielen nach Zahlen”. Wirft man aber einen Blick in die Musikgeschichte, dann relativiert sich einiges, denn die Tabulatur ist tatsächlich die älteste Notenschrift für Saiteninstrumente. Es gab sogar Tabulatur-Notation für Orgel, aber die war dann doch etwas unübersichtlich – für Tasteninstrumente ist die Standard-Notenschrift eindeutig besser geeignet.
Für die Laute, den Vorläufer der Gitarre, wurde zur Aufzeichnung der Musik die Lautentabulatur benutzt. Dabei ist die italienische Lautentabulatur mit ihrer Darstellung der sechs Chöre (Chor = doppeltes Saitenpaar) der heutigen, modernen Tabulatur recht ähnlich. Jeder Chor wurde durch eine Linie dargestellt, für die gegriffenen Töne dokumentierte man die Bundposition mit einer Zahl. Dazu gab es Rhythmus-Bezeichnungen über dem Notensystem. Die älteste gedruckte Lauten-Tabulatur stammt übrigens aus dem Jahr 1507 (Intabulatura de lauto – Francesco Spinaccino).
Die Tabulatur hat den Vorteil, dass sie für das entsprechende (Saiten-) Instrument sehr leicht zu lesen ist. Ihr Nachteil liegt eindeutig darin, dass andere Instrumentalisten in der Regel rein überhaupt nichts mit ihr anfangen können. Wenn ihr beispielsweise einem Keyboarder die TABs von Enter Sandman vorlegt, wird definitiv nichts Gescheites dabei herauskommen. Für ihn sind das böhmische Dörfer – mal ganz abgesehen davon, dass Enter Sandman auf dem Keyboard auch nicht so gut klingt wie auf der Gitarre.
Die Standard-Notation hat für Gitarristen den Nachteil, dass die meisten Noten mehrfach auf dem Griffbrett vorkommen und es deshalb nicht unbedingt sofort klar ist, welche Lage und Saite gemeint ist. Hierzu ein Beispiel: Der Ton e2 in der Notation klingt auf der Gitarre in verschiedenen Positionen: Auf der leeren hohen E-Saite, auf der B-Saite im 5. Bund, auf der G-Saite im 9. Bund, etc.
Wenn in der Standard-Notation über der Note keine Lagenbezeichnung angegeben wird, bleibt dem Gitarristen somit die Qual der Wahl und die eigentliche Griffposition ergibt sich meist erst aus dem Kontext. In der Tabulatur ist das Ganze eindeutig, denn hier stehen die genauen Saiten- und Bundangaben im Fokus des Interesses.
Tabulatur Darstellung
Mit den horizontalen Linien (sechs bei der Standard-Gitarre) werden in der Tabulatur die einzelnen Saiten dargestellt. Dabei repräsentiert die unterste Linie die tiefe E-Saite, die oberste die hohe E-Saite. Prägt euch das genau ein: Die Gitarre liegt praktisch vor euch, die dicke E-Saite ist unten. Die Zahlen zeigen an, in welchem Bund man greifen soll.
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Notenwerte/Rhythmus
Die Notenwerte bzw. Rhythmusangaben können direkt in der Tabulatur per Notenhals und Fähnchen/Balken über den Zahlen dargestellt werden. Bei der Ganzen Note sieht man in der Regel vier Notenhälse (vier Schläge), bei der halben Note zwei Notenhälse (zwei Schläge). Viertel-, Achtel- und Sechzehntel- Noten werden wie gewohnt mit Hals, Fähnchen oder Balken angezeigt.
In den meisten Fällen benutzt man zwei Systeme, oben die Standard Notation mit den Noten und genauer Rhythmus-Angabe, darunter das Tabulatur-System mit den Zahlen für Saite und Bund. Das ist zwar nicht so platzsparend, hält aber alle wichtigen Informationen bereit. Man sieht in der Notation, welcher Ton in welcher Rhythmik gespielt wird, die Tabulatur gibt Auskunft, wo genau gegriffen werden soll.
Mehrere Töne gleichzeitig
Wenn mehrere Töne gleichzeitig klingen sollen, dann werden diese wie in der Standard-Notenschrift üblich, übereinander dargestellt.
Hammer On
Ein Hammer On wird mit einem Bogen dargestellt. Bei manchen Tabs findet man zusätzlich noch den Buchstaben H über dem Bogen.
Beim Hammer On solltet ihr den verwendeten Rhythmus im Auge haben. Im ersten Takt des Beispiels ist das Hammer On in Viertelnoten, ihr greift also die D-Saite im 5. Bund, schlagt den Ton auf der Zählzeit 1 an und erzeugt auf der Zählzeit 2 den Ton im 7. Bund auf der D-Saite mit einem Hammering, es wird also nicht erneut angeschlagen. Im zweiten Takt ist die erste Note eine Vorsschlagsnote, das Hammer On wird also schnell gespielt. In der Tabulatur stellt man die Vorschlagsnote mit einer etwas kleineren Ziffer dar. In manchen Tabulaturen wird sie auch in Klammer gesetzt, da die Vorschlagsnote einzig und alleine dazu da ist, den Startton des Hammerings anzuzeigen.
Pull Off
Genau wie ein Hammer On wird auch das Pull Off mit einem Bogen zwischen zwei Tönen dargestellt. Um auf Nummer Sicher zu gehen, kann man in einigen Tabs noch den Buchstabe P über dem Bogen finden. Das ist eigentlich nicht nötig, denn dadurch, dass der erste Ton höher ist als der zweite, kommt hier natürlich nur ein Pull Off in Frage. Auch hier solltet ihr grundsätzlich zwischen rhythmisch definiertem Pull Off und der Vorschlagsnote unterscheiden.
Slide
Das Slide wird in Noten und Tabs mit einem Strich dargestellt. Bei älteren Tabs kamen oft Bogen und Strich gemeinsam zum Einsatz, mittlerweile hat man sich aber auf den Strich als Slide-Indikator geeinigt. Es wird gerne noch die Abkürzung Sl über dem Strich hinzugefügt. Wie bei Hammer On und Pull Off gibt es auch hier beide Möglichkeiten, einmal mit festen Notenwerten und dann als Vorschlagsnote mit schnellem Slide.
Bending
Bendings werden in der Tabulatur mit einem Bogen nach oben und Pfeil am Ende dargestellt. Die Tonhöhe des Bendings steht über dem Pfeil. Ein Halbton-Bending kennzeichnet man mit ´½´ , ein Ganzton-Bending mit der Zahl ´1´ oder der Bezeichnung ´Full´. Alle weiteren Schritte werden in Zahlen (1 ½, 2) gekennzeichnet.
Neben den verschiedenen Tonhöhen gibt es aber auch unterschiedliche Bending-Variationen, die ich im nachfolgenden Noten/Tab-Bild zusammengefasst habe:
Beispiel A – Ganzton Bending (fester Notenwert)
Ihr greift im 7. Bund auf der G-Saite (Ton D). Auf der Zählzeit 1 wird angeschlagen, zur Zählzeit 2 zieht ihr die Saite so weit, dass der Ton einen Ganzton höher (Ton E) klingt.
Beispiel B – Ganzton Bending (Vorschlagsnote)
Ihr greift wieder im 7. Bund auf der G-Saite (Ton D). Angeschlagen wird auf der Zählzeit 1 – direkt nach dem Anschlag zieht ihr die Saite so hoch, dass der Ton einen Ganzton höher (Ton E) klingt.
Beispiel C – Halbton Bend and Release
Jetzt wird im 7. Bund auf der G-Saite gegriffen (Ton D), auf der Zählzeit 1 angeschlagen und zur 2 dann die Saite gezogen, diesmal nur um einen Halbton (Ton Eb). Dieser klingt bis zur Zählzeit 3, dann geht es wieder zurück (Release) zum Ausgangston D (die 7 in Klammer).
Beispiel D – Ganzton Pre Bend and Release
Pre Bend bedeutet, dass man die Saite schon vor dem Anschlag auf die angezeigte Tonhöhe gezogen hat. Um diesen Vorgang zu markieren, findet ihr in den Noten die Abkürzung Pre. In den Tabs wird das Ganze durch einen geraden Strich mit Pfeil dargestellt. In unserem Beispiel greift ihr im 7. Bund und zieht die Saite vor dem Anschlagen um einen Ganzton nach oben (Ton E). Dann auf der Zählzeit 1 anschlagen bis zur 2 klingen lassen und anschließend die Saite wieder bis zum Ton D (die 7 in Klammer) herunterkommen lassen.