Bilder sagen mehr als tausend Worte – möchte man meinen, wenn man das Artwork zu Toontracks neuestem Streich „Beatstation“ betrachtet. Das quirlige Logo lässt zu Recht vermuten, dass sich die Software vorrangig an jüngere Anwender richtet, die sich auf die Suche nach einer preisgünstigen und einfach zu bedienenden All-In-One Lösung zur Produktion eigener Beats gemacht haben. Yeah! Die Beatstation nimmt sich mit dem Wahlspruch „Sound Design made EZ“ (EZ = easy) vor, schnellstmöglich zu bestmöglichen Ergebnissen zu führen und es dem frisch gebackenen Producer zu erlauben, klangliche Visionen direkt in Musik zu verwandeln – ohne dabei jahrelange Erfahrung vorauszusetzen.
So ein Produkt von Toontrack überrascht auf den ersten Blick, kennt man die Schweden eher für ihre seit Jahren erstklassigen, professionellen Samples von natürlichen, echten Drums. Ob sich die Beatstation innerhalb der Grenzen eines einfachen Spielzeugs à la „Playstation für Musiker“ bewegt oder schon die geballte Kreativkraft eines echten Sound-Design-Tools wie z.B. Superior Drummer bietet, und vieles weitere, erfahrt ihr in gewohnter Manier in diesem Testbericht. Viel Spaß beim „bonedoing“!
Beatstation…? Beatstation! Wie der eingefleischte Hip-Hopper weiß, bezieht sich das Wort „Beats“ in dieser Stilistik und ihren Verwandten nicht nur auf Schlaginstrumente, sondern steht allgemein für das gesamte instrumentale Playback eines Tracks. Diese Definition gilt auch für die Beatstation, die neben Drumsounds auch Bass-Samples und Klänge von verschiedenen Synthesizern und vielen weiteren Instrumenten an Bord hat. Jenseits der rohen Samples gibt es außerdem eine ganze Reihe von Effekten und Bearbeitungsfunktionen zum Aufpolieren der eigenen Kreationen. Die Grundbedürfnisse des Beat-Bastlers scheinen also ganzheitlich abgedeckt zu werden.
Die Beatstation läuft auf PC und Mac als Plug-In in den Formaten VST, AU und RTAS und lässt sich mit allen gängigen Host-Programmen wie z.B. Logic, Cubase oder Pro Tools verwenden. Auch Nutzer von günstigerer Einsteiger-Software wie dem Magix Music Maker oder Shareware wie dem Reaper können das Tool nahtlos in ihre Produktionsumgebung einbinden. Trotzdem gibt es auch einen Standalone-Modus, in dem die Beatstation als eigenständiges Programm läuft. Da Toontrack auf die Integration eines eigenen kleinen Sequencers verzichtet hat, ist die Verwendung als Plug-In aber deutlich sinnvoller. Ohne einen Sequencer kann nur auf die vorgefertigten MIDI-Files zugegriffen werden, und das Arrangement eines kompletten Tracks kann nicht festgehalten werden. Zwar bietet der autarke Standalone-Modus einen zusätzlichen Sample-Recorder zum Aufnehmen eigener Sounds (Miauen der Hauskatze, hysterisches Gekreische der kleinen Schwester, etc.), die komplette Funktionalität der Software entfaltet sich aber erst im Zusammenspiel mit einem Host-Programm.
Installation und Aktivierung
Wie schön ist es, wenn ein Plug-In aus dem Jahre 2010, das zudem auf Samples basiert, noch auf einer einzelnen DVD gut Platz findet! Viele der aktuellen Sampleschleudern, die es ermöglichen ein Instrument virtuell im Rechner zu spielen, glänzen mit einer zum Teil atemberaubenden Realität und Klangkomplexität. Andererseits gehen sie dafür oft mit den Ressourcen des Computers um wie ein It-Girl mit Makeup – völlig verschwenderisch. Die Beatstation gibt sich dagegen bereits mit handlichen 1,3 GB Festplattenspeicher zufrieden und wird auch angegraute Systeme nicht so schnell ins Schwitzen bringen.
Im Gegensatz zu manch anderem Anbieter zeigt Toontrack sich generös und ermöglicht es, die Software bei Bedarf jederzeit vom angenehm schnellen Server herunter zu laden, ohne für eine Reaktivierung des Downloads erneut zur Kasse gebeten zu werden. So soll es sein! Im Onlineshop gibt es die Download- und Boxed-Version zum gleichen Preis, beim Händler des Vertrauens gibt es die Boxed-Version unter Umständen sogar noch günstiger. Im Computerregal macht sich so ein “erlegter” Karton als Trophäe doch immer noch recht hübsch.
Nach der unproblematischen Installation steht, wie bei den meisten kommerziellen Plug-Ins, eine Autorisierung der Software über das Internet an. Dazu erstellt man ein Benutzerkonto auf Toontrack.com und gibt seine Seriennummer an. Wenn der Computer, auf dem die Software aktiviert werden soll, mit dem Internet verbunden ist, geht der Rest fast von alleine. Sollte dem nicht so sein, wird die Prozedur von einem anderen Rechner aus nur geringfügig verlängert. Insgesamt kann die Beatstation wie auch alle anderen Toontrack Plug-Ins bis zu vier Mal für jeweils einen neuen Rechner aktiviert werden. Wer einen hohen Computerverschleiß hat und dieses Limit erhöhen will, muss eine entsprechende Anfrage an den schwedischen Hersteller schicken. Von diesen vier Autorisierungen können außerdem zwei gleichzeitig verwendet werden. So ist es z.B. möglich, die Software auf einem Desktop-PC und einem Notebook parallel laufen zu lassen. Löblich.
Eckig und Rund – Erste Orientierung auf der Benutzeroberfläche
Im Zentrum der Benutzeroberfläche stehen die bis zu 24 Drumpads, die sich entweder in einem rundlichen Blubberblasen-Stil oder im althergebrachten eckigen Layout einer MPC-Groovebox anzeigen lassen. Je nach Bedarf kann man, wie in den Screenshots zu sehen, auch die Anzahl der sichtbaren Pads reduzieren, um die ganze Angelegenheit etwas übersichtlicher zu gestalten. Die beiden Mini-Keyboards links und rechts unter den Pads sitzen dagegen immer an ihrem festen Platz. Wie die deutliche Beschriftung zeigt, handelt es sich dabei um die Sound-Slots für Bass- und Lead-Instrumente, wobei letztere Instrumentengruppe beispielsweise für Synth-Leads (wie der Name schon sagt) aber auch Gitarren, E-Pianos und generell alle Sounds jenseits der Rhythmusgruppe steht – im Gegensatz zu Bass und Drums also „richtige“ Instrumente, wie manch böse Zunge behaupten könnte.
Der Browser
Die Pads und Mini-Keyboards können über den Browser auf der linken Seite der Benutzeroberfläche mit Sounds belegt werden. Hier lädt man einzelne Samples, ganze Instrumente (bzw. Drumkits) oder globale Presets mit bereits vorgefertigten Zusammenstellungen und Effekten. Einzelne Samples lassen sich dabei ganz einfach über Drag and Drop auf eines der Pads oder Mini-Keyboards ziehen, und erfreulicherweise geht das auch mit eigenen Audio-Files: Einfach eine Datei aus dem Sequencer oder aus einem Ordner auf der Festplatte mit der Maus auf einem Slot ablegen, und schon ist der Sound ohne komplizierte Import-Vorgänge abspielbereit. Der Core-Library eine persönliche Note zu verleihen, ist also ein Kinderspiel. Wer experimentierfreudig ist und Samples stacken will, kann jeweils bis zu fünf verschiedene Layer in einen Slot packen und diese miteinander mischen, um eigene Klang-Texturen zu schaffen.
Der Browser bietet aber nicht nur eine Übersicht über die verschiedenen Instrumente – auch die enthaltenen MIDI-Grooves können hier geladen oder ebenfalls über Drag and Drop in einer MIDI-Spur des Host-Sequencers abgelegt werden. Dort sind einer weiteren Bearbeitung natürlich keine Grenzen gesetzt, wobei anzumerken ist, dass alle Sounds der Beatstation immer über einen gemeinsamen MIDI-Channel angesteuert werden. Drums, Bass und Lead sind also über den gesamten Bereich eines Masterkeyboards verteilt und passen so in eine einzelne Datei. Zum MIDI-Content lässt sich sagen, dass die Grooves von vornherein sehr komplex ausfallen und in den meisten Fällen mehrere (wenn nicht alle) Elemente der Beatstation ansprechen. Eine Unterteilung in verschiedene Drum-, Bass- und Lead-Loops wäre eine feine Sache, denn so ließen sich die Bestandteile freier kombinieren. Mehr Kombinationsmöglichkeiten bedeuten immer noch mehr Kreativität und eigenständigere Ergebnisse.
Richtig klasse ist der Umgang mit bereits in einzelne Schnipsel zerstückelten REX-Loops gelöst. Eine solche Datei kann in den REX-Player unterhalb des Browsers geladen werden. Wenn man nun beispielsweise einen einzelnen Snaredrum-Schlag aus einem Loop laden möchte, fasst man mit der Maus einfach den entsprechenden Slice an und zieht ihn auf ein Pad – fertig. Natürlich lassen sich auch komplette REX-Loops auf ein Pad legen. Die Synchronisation mit dem Host-Tempo passiert in diesem Fall automatisch, wodurch ein unrhythmisches Rumpeln in verschiedenen Tempi verhindert wird. Einfacher könnte es nun wirklich nicht sein. Wer bereits den EZ-Drummer oder Superior Drummer von Toontrack sein Eigen nennt, der kann übrigens auch Sounds aus diesen Libraries in die Beatstation laden, wobei die komplexeren Samples der großen Brüder automatisch an das einfachere System der Beatstation angepasst werden.
Lowbit, Organic und Synthetix – Die Library
Die Core-Library der Beatstation ist in drei Kategorien unterteilt, die mit bezeichnenden Namen belegt sind. Lowbit steht für „schmutzigen“ Lo-Fi-Charakter, Organic konzentriert sich auf natürlichere Sounds, unter denen auch Samples echter Instrumente zu finden sind, Synthetix bietet dagegen einen tendenziell härteren Electro-Klang. Man muss allerdings sagen, dass die drei Bereiche nicht strikt voneinander getrennt sind, sondern fließend ineinander übergehen.
Der Klangcharakter der Beatstation bleibt generell auch bei der Verwendung von Gitarren oder E-Pianos im offensichtlich elektronisch-synthetischen Bereich, und natürlich geht es einem solchen Plug-In nicht darum, realitätsnahe Reproduktionen echter Instrumente anzubieten. Auch ohne viele Effekte sind die einzelnen Sounds schon so vorbearbeitet, dass sie sich problemlos und ohne viel Aufwand in einen Track einfügen. Einen kleinen Vorgeschmack auf die Core-Library bekommt ihr in den Audios, die ausschließlich globale Presets in Kombination mit mitgelieferten Grooves verwenden. Die drei Mini-Tracks habe ich in einer Zeit von jeweils maximal zehn Minuten erstellt.
Weitere Bearbeitung und FX
Bewegen wir uns weiter in die Eingeweide der Beatstation. Mit einem Rechtsklick bzw. Control-Klick auf ein Pad öffnet sich ein Kontextmenü mit der Titelzeile „Pad Properties“, das Zugriff auf grundlegende Parameter bietet. Hier gibt es, wie schon angedeutet, eine Übersicht zu den bis zu fünf gleichzeitig verwendbaren Samples in einem Slot, die jeweils in ihrer Lautstärke, Tonhöhe und der Position im Stereo-Panorama bearbeitet werden können. Für jeden Klang gibt es eine Hüllkurve, die den dynamischen Verlauf steuert und mit der man beispielsweise einen Bass dazu bringen kann, weicher einzusetzen oder länger auszuklingen. Weiterhin lassen sich Samples rückwärts abspielen oder in ihrem Startpunkt bearbeiten.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
DryHard CompressionTape Bitcrush DelayMedium Dark ReverbSmall ReverbChorusBitcrush
Die beiden Send-Busse, die in der Hauptansicht mit je einem Effekt bestückt werden können, kann man anteilig mit dem Signal des ausgewählten Pads beschicken, und es gibt für jeden Sound-Slot einen zusätzlichen eigenen Insert-Effekt. Wer es ganz genau wissen will, der kann hier sogar einen Sidechain-Eingang für ein Gate oder einen Kompressor aktivieren. Für eine so günstige Software, die sich eigentlich an Einsteiger wendet, sind die Möglichkeiten also schon recht umfangreich. Eine deutliche Einschränkung bemerkt man bei den Effekten, die jeweils nur einen Slider zur Bearbeitung eines einzelnen Parameters bieten, der je nach Art des Effektes variiert. Nicht unbedingt ein Minuspunkt! So wird man als Einsteiger von der komplexen Struktur mancher Plug-Ins verschont und erspart sich das Umherirren im Parameter-Dschungel. Als letzte Bastion vor dem (einzelnen) Stereo-Ausgang bietet der Master-Channel einen weiteren Slot für einen Effekt auf der Summe. In den Audios hört ihr FX-Presets auf einem Drum-Loop. Das angenehm einfach strukturierte MIDI-File, das den Beispielen zugrunde liegt, habe ich aus einer anderen Toontrack-Library geliehen, und natürlich lassen sich Grooves im Host-Sequencer auch selbst programmieren.
Eines ist klar: Mit der Beatstation erhält man keine High-End Effekte – die Qualität der Algorithmen geht aber gemessen am Preis und als Teil des Komplettpakets absolut in Ordnung. Die grundlegenden Anwendungsbereiche für Effekte werden komplett abgedeckt. Schön wäre eventuell noch eine Möglichkeit zur Host-Automatisierung, was es dem Sequencer erlauben würde, Veränderungen an den Reglern aufzuzeichnen. Auch wenn die Anwendungsmöglichkeiten speziell bei der Beatstation dafür recht gering sind, würde dieses zusätzliche Feature zumindest nichts komplizierter machen. Die Beatstation spielt sich tatsächlich so einfach wie ein Spiel auf der Playstation, und fast wünsche ich mir einen Game-Controller dazu, mit dem man die Software über ein Steuerkreuz und zwei Feuerknöpfe bedienen kann. Mehr dazu im folgenden Video.
Skins – It´s what you want it to be
Zum Schluss noch das Sahnehäubchen! Wer sagt eigentlich, dass ein Plug-In nicht aus seiner Haut kann? Die Beatstation beweist uns das Gegenteil, denn sie kommt mit 11 unterschiedlich gestalteten Skins, mit denen sich die grafische Benutzeroberfläche an den eigenen Geschmack anpassen lässt – das Spektrum reicht vom rosa Mädchenzimmer-Stil über ein Camouflage-Design in Tarnfarben bis zur grabesdüsteren Knochen-Optik. Aber es kommt noch besser! Den Slogan „it´s what you want it to be“ darf man nämlich, auch was die Oberflächengestaltung angeht, wörtlich nehmen. Als registrierter Benutzer erhält man Zugriff auf das Skin-Tool, eine Web-Browser-Applikation, mit der man der Beatstation frei nach Belieben neue Kleider schneidern kann. Diese können direkt nach Fertigstellung heruntergeladen und/oder auf der Website veröffentlicht werden. Es ist also abzusehen, dass das Angebot an Custom-Skins aus der Fangemeinde in nächster Zeit deutlich zulegen wird. Ich habe in kürzester Zeit ein bonedo-Skin erstellt, das in den folgenden Screenshots neben einer Auswahl aus weiteren vorinstallierten Skins zu sehen ist.
Alter Schwede! Die Skandinavier von Toontrack haben es wieder einmal geschafft, ein in sich völlig stimmiges Instrument zu kreieren. Der Einsteiger darf sich freuen, denn die Gratwanderung zwischen einfacher Bedienung und trotzdem umfangreichen Bearbeitungsmöglichkeiten ist sehr gut gelungen, und das wirkt sich natürlich äußerst positiv auf den Workflow aus.
Beat-Skizzen oder einfache Produktionen lassen sich in Windeseile erstellen, ohne dass man gezwungen ist, seine Konzentration auf störende Kleinigkeiten zu verschwenden. Müsste ich das Konzept hinter der Beatstation mit nur einem Wort beschreiben, würde ich die englisch-deutsche Wortschöpfung „FUN-ktional“ verwenden. Die Soundauswahl der Core-Library überzeugt auch ohne viel Schrauben und Drehen und kann mit den Bearbeitungswerkzeugen und Effekten trotzdem ordentlich verbogen werden.
Den im Standalone-Modus fehlenden Sequencer vermisst man beim Betrieb als Plug-In nicht, und auch auf die fehlende Möglichkeit der Host-Automatisierung kann man getrost verzichten. Nur die Tatsache, dass die enthaltenen MIDI-Grooves fast immer gleich „die ganze Band“ in der Beatstation ansprechen, stört ein wenig. Hier hätte Toontrack die Grundhaltung „weniger ist mehr“ ruhig konsequent durchziehen können. Die Software liegt mit ihren Möglichkeiten weit jenseits der Grenzen eines Spielzeugs, tut aber mit ihrer knalligen Oberfläche und all den Customizing-Möglichkeiten trotzdem so, als wäre sie eines, und das ist einfach sympathisch und macht richtig Spaß. Ich persönlich werde mich jetzt ein wenig zurückziehen, um noch eine Runde Beatstation zu zocken.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.