Praxis
Es dürfte wohl kaum jemanden geben, der beim ersten Blickkontakt mit dem Trace Elliot Elf nicht herzhaft lacht oder zumindest verzückt schmunzelt. So wie man eben verzückt schmunzelt, wenn man sich über einen Kinderwagen beugt, um ein Baby zu begrüßen.
Da steht man also nun vor seinem Boxen-Türmchen – in meinem Fall sind es zwei Euphonic Audio 2×10″-Boxen, die für gnadenlose Neutralität bekannt sind und als sogenannter “Halfstack” ja auch schon nicht gerade riesig sind – und betrachtet die winzige Erscheinung des Elf, der weniger wirkt wie ein Basstopteil, sondern eher wie ein kleines Effektgerät, das jemand versehentlich auf den Boxen “zwischengeparkt” hat!
“Was für ein Glück, dass wenigstens eine meiner beiden Boxen noch über einen Klinkeneingang verfügt” denke ich und fühle mich in dem Glauben bestätigt, dass auch in der heutigen Zeit Speakon/Klinke-Kombibuchsen kein verschwendetes Geld bedeuten. Man weiß eben nie, welcher Amp mal mit welcher Box gepaart wird – beim Elf funktioniert eben nur ein Klinkenkabel.
Angeschlossen an die insgesamt 4 Ohm Parallel-Last der beiden Boxen nehme ich den Zwerg in Betrieb. Der Ein- und Ausschaltvorgang sind erfreulich geräuschlos. Kein lautes Poppen oder Knacken ist zu hören, allerdings nimmt der integrierte Lüfter sofort seine Tätigkeit auf. Ich finde, die Lautstärke des Lüfters liegt im tolerierbaren Bereich, nicht sonderlich lauter als beispielsweise ein Laptop-Lüfter. Wer tief in der Nacht in einem stillen Kämmerlein übt, wird den Lüfter sicher lauter wahrnehmen, als wenn man den Amp in einer geräuschvolleren Umgebung betreibt.
Wie dem auch sei, er ist tolerierbar und offensichtlich auch notwendig, denn bereits nach einigen Minuten Leerbetrieb erreicht der Elf eine handwarme Temperatur. Ein Umstand, der sicherlich der reduzierten Gehäusegröße geschuldet ist, denn viel Platz für zirkulierende Kühlung ist schlicht nicht vorhanden. Glücklicherweise hält sich die Temperatur jedoch auch im Spielbetrieb in Grenzen, wobei ich mich sehr über Langzeiterfahrungswerte der lieben Leserschaft hier freuen würde. Lasst uns gerne in der Kommentarsektion wissen, welche Temperatur-Erfahrungen ihr mit dem Elf gemacht habt.
Bis hierhin wurde meine Wahrnehmung vorrangig vom optischen Eindruck bestimmt. Klein und goldig erscheint des Topteil, wobei bereits die Haptik schon eine gewisse Wertigkeit versprüht. Nichts wirkt billig, die Potis laufen leicht und geschmeidig, alles fasst sich gut an. Doch sobald der Bass angeschlossen ist und es schließlich losgeht, gefriert einem das Gesicht voller Unglauben: “Wie geht das denn bitte? Solch ein großer Sound aus einem so kleinen Ding?”
Also gut, als erfahrener Tester versucht man natürlich relativ schnell, überschwängliche Emotionen abzuschütteln und sich zurück auf die Ebene der Fakten zu begeben. Ich akzeptiere also ab diesem Zeitpunkt, dass ich es nicht mit einem Spielzeug zu tun habe, sondern mit einem vollwertigen und hochprofessionellen Verstärker-Topteil, das sich ab hier mit dem Rest des Marktes zu messen hat.
Hier ein Beispiel mit einem Fender Jazz Bass mit allen EQ-Reglern der Dreiband-Klangregelung auf Mittelstellung:
Ich bin beeindruckt, wie man es bei Trace Elliot geschafft hat, typische Elemente des Trace-Sounds in Miniaturform zu gießen. Was mir vom ersten Ton an gefällt, noch mit allen EQ-Reglern in Neutralstellung, ist, dass ist der Elf Charakter besitzt! Und ich rede hier nicht von “simuliertem” Charakter, so wie man es heute oft durch digitales Modeling erreicht. Ich rede von einem gutmütigen Grundsound, der lediglich mit minimalen Handgriffen den persönlichen Bedürfnissen angepasst werden muss, aber nie unkontrolliert weit die Basis verlässt.
Bewegt man die EQ-Regler, so verändert sich der Sound stets auf eine sehr harmonische und musikalische Art. Man kann keine “Albernheiten” mit dem EQ anstellen. Extremsound-Liebhaber mögen sich eingeschränkt fühlen, aber für den unkomplizierten “Alltagsbetrieb” und für Anhänger von “no brainer”-Lösungen ist das schlicht ideal. Bässe und Höhen leicht anheben – schon bekommt der Sound eine markante, kernige Note, die jedoch nicht in unangenehm harsche Höhen abgleitet. Ich empfehle allerdings, eventuell vorhandene Hochtöner auszuschalten oder zumindest herunterzuregeln, falls es die vorhandenen Boxen gestatten.
Der Mittenregler ist ein sehr starkes Tool. Er agiert bei einer Center-Frequenz um 400 Hz und ist zum einen hilfreich, um einen sehr knochigen Finger- bzw. Rocksound zu generieren. Zum anderen sorgt der Regler aber bei Mittenabsenkung auch für einen attraktiven Slapsound. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass der EQ sich bei Absenken leicht anders in den Frequenzen verhält als beim Anheben. Dies wird aber nirgendwo in den Unterlagen erwähnt oder bestätigt, weswegen diese Vermutung nur meinem subjektiven Empfinden entspringt.
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Neben der wirklich angenehm arbeitenden Klangregelung wartet der Elf jedoch mit einem sehr effizienten Feature auf: Während bei nahezu allen konventionellen Transistor-Amps der Gain-Regler lediglich die Anpassung der Eingangslautstärke zwischen Bass und Vorstufe vornimmt, so liefert der Gain-Regler des Elf eine ungewöhnlich breit ausgelegte Gain-Anpassung. Diese äußerst sich jedoch weniger stark in Lautstärkeunterschieden, sondern vielmehr im Klangcharakter. Das wird dadurch erzielt, dass ab einem gewissen Gain-Level allmählich ein Multiband-Kompressor in den Signalfluss eingreift.
Angezeigt wird dies dadurch, dass die grün blinkende Input-Gain-LED beginnt, orange aufzuleuchten. Ab hier beginnt das Signal zu komprimieren. Dabei agiert der Kompressor äußerst dezent und musikalisch. Er wirkt niemals künstlich oder gar pumpend. Selbst vielfach größere und teurere Topteile mit integrierten und zuschaltbaren Kompressoren kriegen das häufig nicht so gut hin wie der kleine Trace Elliot Elf. Hier kann man die Arbeit des Kompressors während einer Slap-Passage begutachten:
Führt man das Gain noch weiter in den Bereich, in dem die Input-LED rot zu blinken beginnt, geht der Elf in den Overdrive über, also in den Bereich der Verzerrung. Diese klingt jedoch nur in der Frühphase noch angenehm und musikalisch. Wer hier auf eine deftige Rock- oder Metalzerre hofft, dürfte enttäuscht werden. Vielmehr bekommt der Sound mehr Dichte und wird leicht “rotzig”, salopp umschrieben.
Was dem Elf am Boxenausgang etwas fehlt, sind opulente Tiefbässe. Ich sage bewusst “am Boxenausgang”, denn die Vorstufe liefert durchaus reichlich Low-End, wie man am DI-Ausgang analysieren kann, der ausschließlich “post-EQ” agiert (also das Signal hinter der Klangregelung abgreift). Ich vermute mal, dass dies bewusst passiert, denn Tiefbässe sind bekanntlich der absolute Leistungsreserven-Killer und speziell im Bereich unter 50Hz ohnehin nahezu unnötig.
Leistungsreserven gilt es besonders bei einem solch kleinen Amp wie dem Elf sorgsam zu verteilen. Einen “Ultra-Low”-Sound im Stile eines Ampeg SVTs wird man dem Elf nicht entlocken, aber das war auch niemals ein Attribut der alten Trace-Elliot-Verstärker mit weitaus höheren Leistungsreserven. Der Elf liefert jedenfalls mehr, als man ihm jemals zutrauen würde. In punkto Lautstärke kommt man natürlich mit ihm weiter, wenn man ihn an zwei Boxen und möglichst 4 Ohm betreibt, so dass auch wirklich eine volle Leistungsausnutzung stattfindet. Aber auch in weniger lautstärkeintensiven Umgebungen liefert er mit nur einer Box durchaus ein potentes Klangbild, welches so manchen von sagenumwobenen Wattzahlen der Branche verwöhnten (oder verwirrten?) Bassisten überraschen dürfte.
Wenn man nach einem Haar in der Suppe suchen möchte, so könnte man bei einem Amp, der auf Grund seiner Größe als Übungsamp prädestiniert erscheint, bemängeln, dass kein Aux-Eingang zum Einspeisen externer Audiosignale aus MP3-Playern, Drumcomputern, Smartphones, etc. zur Verfügung steht. Mir persönlich fehlt das nicht, aber ich kann verstehen, dass sich einige dieses Feature wünschen würden. Vielleicht wird es ja in einer künftigen Nachfolger-Version des Elf zu finden sein (Vorsicht, Brüller: “… die dann vielleicht “Twelf” heißen wird!”).
Claus Winter sagt:
#1 - 17.06.2023 um 12:08 Uhr
Hoffentlich bleibt der ELF solange in den Shops liegen, bis es der Hersteller endlich geschafft hat, einen unhörbar arbeitenden Lüfter einzubauen. Andere Hersteller können Lüfter! Das so ein nerviges Gerät auf den Kunden losgelassen wird, ist ziemlich dreist.