PRAXIS
Direkt nach Betätigung des Powerschalters kommt man dann auch in den Genuss der kompletten Lichtorgel, denn im Standby-Modus sind die Endstufenröhren „ausgelockt“ und sämtliche roten, blauen und gelben LEDs leuchten imposant. Richtig spannend wird es dann, wenn man von Standby in den normalen Betriebsmodus schaltet, dann sollten nämlich im Idealfall alle LEDs ausgehen, was bedeutet, dass alle 12 Röhren ordnungsgemäß funktionieren und der Bias der Röhrenpärchen stimmt. Bei meinem Testamp war der Bias bei zwei Röhrenpaaren zu hoch und bei einem zu tief und so konnte ich mich direkt zu Beginn meines Tests mit dem Abgleichsystem vertraut machen. Und was soll ich sagen: Einfacher hätte es Traynor auch für den Anfänger kaum machen können. Leuchtet die blaue LED, ist der Bias zu niedrig und das Rädchen muss zum Abgleich mit einem Kreuzschlitz-Schraubenzieher nach rechts gedreht werden, leuchtet die gelbe Lampe ist der Bias zu hoch und die perfekte Einstellung wird mit einem Dreh nach links erreicht, wenn alles stimmt, erlöschen alle LEDs – fertig!
Die roten LEDs mit der Bezeichnung „Protect“ signalisieren einen Defekt oder eine Fehlfunktion einer Röhre. Als Folge daraus wird das betreffende Paar automatisch aus dem Spiel genommen und der Amp läuft auf „10 Zylindern“ mit etwas weniger Röhrenkraft weiter. Ganz schön cleveres System, es ist wirklich von jedem Laien zu bedienen. Bleibt nur zu hoffen, dass es auch technisch einwandfrei funktioniert.
Nachdem bei meinem Test-Amp nun alle Röhren ordnungsgemäß funktionieren, komme ich endlich in den Genuss des kräftigen Röhrensounds. Auch ohne direkten Vergleich wird sofort klar, dass der neue Traynor deutlich mehr Kraft hat als der YBA 200 und wirklich sehr laut werden kann. Er hat wesentlich mehr Headroom und bleibt sehr lange „clean“.Nur bei voll aufgerissenem Gain fängt er leicht an zu crunchen. Obwohl ich die Overdrive-Sounds des YBA 200 mag, finde ich, dass er einen Tick zu schnell in die Zerre geht und eine zu kleine Palette an cleanen Sounds liefern kann. Beim YBA 300 ist es andersherum, richtige Overdrive-Sounds sind nicht drin, dafür bleibt er auch bei hohen Lautstärken clean und liefert einen immens wuchtigen und warmen Sound. Mit einem relativ neutralen von Yorkville empfohlenen „Flat“-Setting (falls es so was bei einem Röhrenamp überhaupt gibt), mit Bass und Höhen auf 5 und dem Mitten Regler bei 1.0kHz auf 3 oder 4, klingt der YBA 300 dann auch erwartungsgemäß weniger aggressiv als der YBA 200. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Mitten etwas milder ausfallen. Ihr könnt das im Audio Clip „Flat“ hören. Ich habe für den Clip den gleichen Bass mit identischer Einstellung wie beim YBA 200 Test benutzt und auch einen ähnlichen Groove gespielt, damit ihr besser vergleichen könnt.
Außer dem etwas milderen Mittenvoicing des YBA 300, was natürlich auch an einer anderen Wirkungsweise des EQ liegen kann, unterscheidet sich der Grund-Sound aber nicht wesentlich von dem des kleineren Bruders YBA 200. Der Bassbereich ist sehr solide und klingt relativ offen, nicht so komprimiert wie bei einigen anderen Röhrenamps. Die Höhen sind klar und die Hochmitten nicht zu aufdringlich, aber dennoch ausreichend für ein transparentes und ausgewogenes Klangbild.
Ein deutlicherer Unterschied zwischen den beiden Amps wird erst bei weit aufgedrehtem Gain hörbar. Ihr könnt hierzu auch den Audio-Clip „Full Gain“ mit dem entsprechenden File aus dem YBA 200 vergleichen. Bei beiden habe ich wieder den gleichen Bass mit identischer Einstellung verwendet und lediglich an den Verstärkern die Mitten etwas geboostet.
Der YBA 300 bleibt wesentlich cleaner, zerrt leicht und klingt schön rotzig, gerät aber nicht aus der „Räsong“, wie wir Rheinländer sagen, während der YBA 200 doch deutlich aggressiver wird, mehr zerrt und grindiger klingt. Der Sound ist letztendlich wieder mal Geschmacksache, der dazu gewonnene Headroom des YBA 300 macht sich aber auf jeden Fall positiv bemerkbar, wenn man eine Bühne mit einem durchsetzungsstarken und soliden Basston in einer hohen Lautstärke versorgen muss. Der EQ des YBA 300 arbeitet genauso effektiv, wie man es vom YBA 200 kennt. Da es sich um einen passiven EQ handelt, kann und will man den Sound damit auch nicht in eine komplett andere Richtung drücken. Geschmackvolle Anpassungen an persönliche Bedürfnisse oder die Raumverhältnisse sind damit aber 1a zu bewerkstelligen. Für mich persönlich hat der Höhenregler dieser Art EQs in der Regel den höchsten praktischen Nutzwert. Und dies gilt auch für den YBA 300. Sein Höhen-Regler arbeitet nämlich im Stil der passiven Tonblende eines Fenderbasses und beschneidet graduell die Höhen und Hochmitten in Richtung Vintage-Sound.
Damit wären wir bei den EQ-Presets angekommen, die der YBA 300 in Form eines „Deep“ und „Bright“ Tasters zu Verfügung stellt. Das „Deep“ Preset wirkt für meine Ohren wie ein Scoop-Feature, boostet also nicht nur Bässe, sondern senkt auch ordentlich Mitten ab. Das Ergebnis ist ein sehr bassiger aber etwas „hohler“ Sound, dem es an Durchsetzungskraft fehlt. Im Grunde klingt dieses Feature wie der Scoop-Regler beim YBA 200, dort konnte man die Veränderung aber wenigstens stufenlos dosieren.
Der „Bright“ Schalter gefällt mit besser, hier treten die Höhen und höheren Mitten in den Vordergrund und zwar in Frequenzbereichen, die den Sound wirklich plastischer und transparenter erscheinen lassen. Diesen Effekt kann man allerdings auch problemlos mit dem 3-Band-EQ, der Mittenfrequenzen bis zu 3.0kHz bereitstellt, erreichen.
Einen Eindruck von der Funktionsweise dieser beiden Switches bekommt ihr in dem Audio Clip Flat/Deep/Bright, der erste Sound ist „Flat“, darauf folgen die beiden EQ-Presets.
Für dich ausgesucht
Kommen wir abschließend zum Resonance Switch, einem Feature, dass es beim YBA 200 auch gibt, allerdings, wie beim „Scoop“, noch in Form eines stufenlosen Reglers und nicht als Preset wie beim YBA 300. Diese Vereinfachung finde ich sinnvoll, weil viele User durch die vielen Einstellmöglichkeiten doch eher verwirrt werden und der Effekt beim Resonance-Feature zudem doch eher subtil ist. Beim YBA 300 wird durch Drücken des Switches der Dämpfungsfaktor im Ausgang des Amps reduziert, was zu einer stärkeren Resonanz der Membranen und letztendlich auch der ganzen Box führt. Resultat ist wie schon bei YBA 200, ein Sound, der sich etwas „langsamer“ und offener anfühlt. Es ist tatsächlich ein Effekt, den man eher spürt als hört. Es fühlt sich aber grundsätzlich gut an, wenn man bei virtuoserem Spiel einen tighteren und bei eher schwereren Basslinien einen trägeren, stärker resonierenden Soundeindruck realisieren kann. Ich finde den Resonance Switch des YBA 300 klasse, auch ohne die stufenlose Regelbarkeit.
Thomas Meier sagt:
#1 - 07.09.2011 um 13:51 Uhr
Das Ding klingt ja wirklich richtig richtig gut! Zumindest in den samples, die Herr Wind eingespielt hat. Spiele selbst über einen Traynor YBA 200, aber einen so guten Sound wie in den beiden Traynor-Tests bekomme ich nicht hin. Liegt wahrscheinlich am Mensch hinter dem Bass ;-). Wäre wirklich toll, wenn man mehr erfahren könnte über die Aufnahmetechnik, das Instrument, Saiten etc.
Gruß und danke für den Test, Thomas Meier
BassVader sagt:
#2 - 07.09.2011 um 15:34 Uhr
Da muss ich bedingungslos zustimmen. Mich als weiteren stolzen Besitzer des kleinen Burders yba 200 würde auch sehr interessieren, wie man einen so "runden" Sound wie in den Soundsamples mit diesen Amps hinbekommt. Ich habe das Gefühl, mein YBA 200 klingt in den Höhen noch sehr "harsch". Sehr schönes Review, vielen dank und weiter so.
Rainer sagt:
#3 - 07.09.2011 um 22:30 Uhr
Hallo Thomas und Bassvader. Für die Topteile Tests verwende ich fast immer nur das Signal aus dem DI - Out damit das Ergebnis nicht durch irgendwelche Boxen oder Raumklang unnötig gefärbt wird. Als Ausgangs EQ Setting bei den Traynors habe ich Bass und Treble auf 5, die Mitten auf 3 oder 4 gestellt. Der YBA 300 klingt damit sehr rund wie ich finde, der 200 in der Tat etwas schärfer in den Hochmitten. Die meisten Samples spiele ich mit einem Alleva Coppolo Bass mit DR Saiten, das ist zugegebenermassen ein ziemlich guter Jazzbass.
Thomas sagt:
#4 - 08.09.2011 um 02:25 Uhr
Rainer, das ging aber fix. Vielen Dank für die prompte Rückmeldung und die interessanten Details. Da weiß ich doch, wo die Reise klangtechnisch so hingehen könnte.
BassVader sagt:
#5 - 08.09.2011 um 15:47 Uhr
Hallo Rainer, danke auch von mir für die schnelle Rückmeldung. Ich habe deine Settings mal im Bandkontext über die zugehörige ybx 1510 getestet und habe das Gefühl, dass sie schon recht stark färbt. Ich werde zum Vergleich als nächstes mal meinen MIJ PBass direkt über DI aufnehmen. Vielen Dank und auf viele weitere deiner tollen Reviews.
ThK sagt:
#6 - 19.09.2011 um 10:13 Uhr
Auch zu gebrauchen als Metalamp?
Viel cleaner Headroom hört sich doch gut an, nicht jeder mag eine mega Zerre beim Bass.
Laut genug sollte er auch sein.
Bad bone sagt:
#7 - 25.10.2012 um 21:46 Uhr
Hi,mich würde interessieren ob dieser Verstärker auch mit eine 8 Ohm Box (400 Watt) gefahren werden kann. Soll man ja bei einem Röhrenverstärker eher nicht machen. Ich könnte zwr eine weitere Box parallel fahren um an 4 Ohm zu kommen, aber da ich Kontrabass spiele ist der Transportaufwand mit einer Box schon aufwendig genug.
Ich habe mal gehört das es beio diesem Modell wohl einen Trick am Ausgangsübertrager gibt um 8 Ohm zu betreiben.Viele Grüße
HeikoPS: ich lese Deine Testberichte immer gerne.
Rainer sagt:
#8 - 26.10.2012 um 02:14 Uhr
Hallo Bad bone. Du kannst den Amp problemlos ohne jede Modifikation mit einer 8Ohm Box betrieben. Der Switch sollte dann auf 4 Ohm stehen. Du bekommst dann zwar nicht die volle Leistung von 300Watt, den Röhren schadet dass aber nicht. Danke für deinen Kommentar! Salut - Rainer
Bad Bone sagt:
#9 - 26.10.2012 um 13:04 Uhr
Cool, danke für die Info!
Bad Bone sagt:
#10 - 29.10.2012 um 09:13 Uhr
Ich habe mich jetzt auch mit Traynor in Verbindung gesetzt. Um die vollen 300W bei 8 Ohm zu bekommen, muss nur ein Draht umgelötet zu werden und dabei wird der 2Ohm Ausgang auf 8 Ohm umgewandelt.
Auf der Webseite von Traynor kann bei den Downloads ein Schaltplan heruntergeladen werden, wo die Vorgehensweise abgebildet ist. Es steht aber auch auf der Platine drauf.Viele Grüße
Heiko
Robert sagt:
#11 - 25.02.2015 um 15:13 Uhr
Hallo Herr Wind,wo werden die Teile denn mittlerweile Vertrieben?
BassVader sagt:
#12 - 25.03.2015 um 16:02 Uhr
Hallo Robert,ist zwar schon auch wieder einen MOnat her, aber ich dachte ich antworte mal. Ich bin zwar nicht Rainer, aber ich interessiere mich selber auch für die Traynor vollröhren Bass amps. Leider gibt es in Deutschland meines Wissens nach keinen Händler mehr, der die Teile vertreibt. Früher war Bayer Dynamic der deutsche Vertrieb für Traynor und Yorkville, dann hat vor Allem Thomann für einige Zeit die YBA Amps gehabt. seit zwei Jahren ca. konnte ich aber leider niemanden in Deutschland mehr identifizieren, der diese genialen Amps vertreibt. Mit viel Glück findest Du einen gebrauchten in Kleinanzeigen. Meiner Meinung nach werden diese AMps einfach aufgrund des unbekannten Namens hier in Deutschland etwas verkannt.Ich hoffe ich konnte ein wenig weiter helfenChristian