Ein Mikrofon, das USB-Mikrofon und handliches Aufnahmegerät gleichzeitig ist – das ist eine gute Idee, wenn auch keine von Tula Microphones. Anders als das vor einigen Jahren getestete MikMe kommt das Tula Mic in diesem Test aber nicht mit einer Großmembrankapsel, sondern zwei (!) Kleinmembranen, mit einer umfangreicheren Steuerung und nicht zuletzt mit einem nicht “technisch” wirkenden, vintage-angehauchten Design.
Für 219 Euro verspricht Tula Microphones, dass dies das einzige Mikrofon sei, was man jemals brauchen wird. Gut, es ist zwar etwas dran, dass manche Leute zu sehr der Sammelwut verfallen sind. Aber auch von nüchterner, technischer Warte her gesehen, ist das ein vielleicht doch ambitionierter Marketing-Claim. Der Test wird’s zeigen.
Wer oder was ist Tula?
Wer bei bonedo nach “Tula” sucht, wird wohl die Information finden, dass aus der Stadt “Tula” südlich von Moskau bekannte russische Mikrofone kommen, Oktava und Soyuz beispielsweise. Tula Mics sind aber in Houston, Texas beheimatet. Gegründet wurden sie von David Brown, einem der Gründe von Soyuz Microphones – daher wohl die Verbindung. Die beiden Ingenieure im Team sind Steven Neresian und Stefan Burstrom, die Usern von Teenage Engineering vielleicht ein Name sind. Hergestellt wird das Tula aber in Asien. Um präzise zu sein: in Malaysia.
Right to Repair
Zunächst: Tula hat ganz klar ein Produkt geschaffen, dass auch die Kategorie “Lifestyle” bedient. Drei Farben stehen zur Auswahl, Rot, Schwarz, Eierschalenweiß (“Cream”) und “Seafoam”. Das Gehäuse, über das sicher diverse “lustige” Rasierapparatvergleiche gemacht werden, lässt sich mit einem Bügel gewinkelt auf einen Tisch stellen. In der Hand halten (wie ein Rasierap…) kann man es auch, aber in solchen Fällen gibt es fast immer Probleme mit Handling-Geräuschen. Der Bügel lässt sich herausnehmen und gegen eine Gewindeaufnahme für Mikrofonständer tauschen. Das dafür notwenidge Adapterchen ist jedoch kein Standard und könnte schnell verloren gehen. Ich bin immer ein Freund von Austauschbarkeit (wohl weil ich eher zu den “Verlierern” zähle). Es ist aber davon auszugehen, dass man zur Not ein Ersatzteil bekommt. Denn Tula Microphones unterstützen das Right to Repair Movement – diesen Ansatz kann ich gar nicht hoch genug loben!
Bedienelemente des Tula Mic
Auf der Front befinden sich zwei LED, eine “Record Indicator”- und eine “Gain Meter”-LED. Letztere gibt neben dem Metering des Pegels auch eine Ladeaufforderung aus. Erstere zeigt neben der Aufnahmetätigkeit auch, ob der Speicher voll ist oder das Mikrofon gemutet. Das geschieht mit der gleichen Anzeigelogik, was etwas verwirren kann.
Für dich ausgesucht
Links und rechts an den Flanken sind reichlich Buttons und LEDs untergebracht. Entgegen der Sitte in bonedo-Testberichten, möglichst erst im Praxisteil derartige Bewertungen zu machen, muss ich hier schon Kritik loswerden. Es ist nämlich nicht unbedingt selbsterklärend, wann wo wie welche Funktion aktiviert ist und was sie bedeutet. Das liegt vor allem daran, dass der Laie mit “NC” für die Noise Reduction nicht sofort etwas anfangen kann. Das Icon “Kreis” gibt es zudem doppelt: für das Omni-Pattern, aber auch für Record.
Praktische Details
Natürlich ist der Funktionsumfang auch üppig, und dieser will bedient werden. Auf der linken Seite befinden sich das Gain mit seinen 5dB-Schritten und Skip-Taster für die Wiedergabe. Zudem wird hier besagte Rauschunterdrückung aktiviert. Diese ist übrigens keine Eigenentwicklung, sondern basiert auf “Brusfri” des schwedischen Unternehmens Klevgrand. Super: Bei Aufnahmen mit dem Tula wird immer auch das nicht rauschunterdrückte File mit aufgezeichnet! Microphone Mute ist eindeutig. Das Kreissymbol aktiviert das Omni-Pattern statt der Niere. Und mehr als das: Durch langes Drücken wird für eine Aufnahme der TRRS-Miniklinkeneingang benutzt. Falls man also lieber sein Lavaliermikrofon nutzen will, geht auch das! Die Tula-Engineers zeigen sich sehr detailverliebt, das gefällt mir!
Auf dem rechten Seitenteil findet der User oben besagte Buchse zum Anschluss von Kopfhörer respektive externem Mikrofon. Der Kopfhörerpegel wird hier geregelt, Aufnahme aktiviert, pausiert oder beendet, zudem die Wiedergabe gestartet und das gesamte Gerät an- und ausgeschaltet.
Besonders interessant ist, dass nicht etwa eine Doppelkapsel zum Einsatz kommt, sondern Niere und Kugel separate Kleinmembranwandler in Kondensatortechnik spendiert bekommen haben.
48 kHz tun’s auch
Im Tula ist ein Lithium-Ionen-Akkumulator verbaut, der über eine 700 mAh verfügt. Damit kann er die Elektronik zwölf Stunden lang mit 3,7 Volt versorgen. Ob man ihn einfach tauschen kann, ist nicht dokumentiert. 8 GB beträgt der interne Speicher, der wie bei USB-Verschickung des Signals mit 16 Bit und 48 kHz mit PCM beschrieben wird (.wav). Den Frequenzgang gibt Tula Mics mit 50 Hz – 20 kHz an. Genauere oder weitere Daten dieser Art gibt es nicht, aber ganz ehrlich: Wozu auch. 24 Bit wären vielleicht vorteilhaft, aber wir reden hier schließlich von einer Art “Volksmikrofon”, nicht von einem teuren Studiogerät allererster Güte.