Ein De-Esser ist kein unwichtiger Effekt: Der Gesang ist aufgenommen, die Performance von Sänger oder Sängerin hervorragend, doch stören die zu scharfen S-Laute.
Um ein anderes Mikrofon zu wählen, Einsprechwinkel, Richtcharakteristik, Abstand oder sonstige Parameter zu verändern, ist es jetzt ein bisschen zu spät. Jetzt hilft nur: „De-Essen“, also mit einem Effektgerät namens De-Esser die spitzen, scharfen Klänge aus dem Audiomaterial abschwächen. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten, als mit einem fertigen De-Esser Zischlaute zu verringern. Ihr lernt sie hier alle kennen.
Was ist ein De-Esser und wie funktioniert De-Essing?
- Ein De-Esser ist ein Gerät oder eine Software zum Verringern zu scharfer S-Laute in aufgenommener Sprache und Gesang.
- Das De-Essing erfolgt nur dann, wenn ein solcher scharfer Laut auch auftritt, um das resrtliche Signal nicht zu verschlechtern.
- Es gibt verschiedene Möglichkeiten des De-Essings, die hier vorgestellt werden.
- De-Essing #1: Kompressor oder Noise-Gate mit Sidechain-Filter
- De-Essing #2: Der „fertige“ De-Esser: praktisch, schnell, sicher
- De-Essing #3: Multiband-Kompressor zum De-Essing
- De-Essing #3: Dynamic EQ als De-Esser
- De-Essing #5: Automation statt De-Esseing
- Tabelle: Vor- und Nachteile der verschiedenen De-Essing-Typen
- De-Essing Tipps und Soundbeispiele
- Produkte: De-Esser extern und als Plug-In
De-Essing #1 – Klassischer, „selbstgebauter“ De-Esser: Kompressor oder Noise-Gate mit Sidechain-Filter
Bevor es De-Esser als spezielle Geräte zu kaufen gab, mussten sich Toningenieure behelfen. Dies machten sie mit einer Kombination, die heute auch noch gerne verwendet wird, da sie Zugriff auf sehr viele Parameter ermöglicht: einem Dynamikprozessor mit Sidechain-Eingang.
Dieses auch „external keying“ genannte System sorgt dafür, dass in einem Kompressor oder sonstigem Dynamics-Effektgerät nicht das Signal für die Veränderung sorgt, das auch bearbeitet wird, sondern ein anderes. Im Workshop „Sidechain Compression“ werden dafür die Grundlagen erklärt. Um De-Essing zu betreiben, wird ein Dynamikgerät verwendet, das den Pegel bei Bedarf absenken kann, also ein Kompressor (der ja i.d.R. zunächst Levels verringert) oder ein Noise-Gate.
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Die Verkabelung – ob analog oder innerhalb der DAW spielt dabei keine Rolle – ist dafür wie folgt: Im Kanalzug der Vocals liegen Kompressor oder Gate. Wenn das Dynamik-Tool ein sogenanntes „Sidechain-Filter“ besitzt, könnt ihr auf den nächsten Schritt verzichten. Dieser wäre, das Vocal-Signal zu splitten und einen EQ oder ein Bandpass-Filter in seinen Signalweg zu schalten, bevor ihr es als „Key Input“ (oder „Sidechain Input“) dem Kompressor oder Gate zuführt.
Wozu das Ganze? Nun: Damit auch wirklich nur bei S-Lauten der Wert verringert wird, müssen diese S-Laute erst einmal herausgearbeitet werden. Im Idealfall hört ihr euch das Sidechain-Signal bei der Bearbeitung an, das geht meist mit „SC Listen“ oder Sidechain Monitor“. Arbeitet mit den zur Verfügung stehenden Filtern, möglichst steile Hoch- und Tiefpassfilter, bis ihr die S-Laute so gut wie erreichbar isoliert oder zumindest verstärkt habt. Logisch: Dieses Signal soll ja steuern, wann das Dynamikgerät zur Tat schreitet! Übrigens: Fast immer findet ihr die S-Anteile zwischen 7 und 8 kHz.
Der Threshold an Kompressor oder Gate stellt ein, ab welchem Pegel das Dynamiktool verringert. Achtet also darauf, dass möglichst nur die S-Laute, vielleicht noch störende „T“-Laute, den Threshold überschreiten. Viele Dynamics besitzen dafür eine grafische Anzeige, die Minimallösung ist dabei eine einzelne LED. Sonderfall Noise-Gate: Ein Gate sperrt ja üblicherweise beim Unterschreiten eines Schwellwerts, nicht beim Überschreiten! Genau aus diesem Grund müsst ihr das Gate für diese Betriebsform auch invertieren („Invert“, manchmal auch „Duck“ oder „Ducking“). Und ein komplettes Sperren würde das Signal bei jedem S-Laute muten: Über den „Range“-Parameter könnt ihr die Dämpfung bei S-Lauten einstellen. Startet mit 10-15 dB.
Sehr angenehm ist, dass man bei dieser Form des De-Essings sehr viel einstellen kann. So stehen beim Kompressor beispielsweise Attack und Release zur Verfügung, um die Regelvorgänge „smooth“ zu gestalten, ein Gate liefert beispielsweise Hold und manchmal eine Hysterese.
De-Essing #2 – der „fertige“ De-Esser: praktisch, schnell, sicher
Der typische De-Esser, als Plug-In wie als externe Hardware-Lösung wie der ELI Derresser EL-DS (Testbericht/Produkt), ist sicherlich „most convenient“: Es muss nichts verkabelt werden. Lediglich die Stärke der Reduktion muss eingestellt werden und die genaue Lage der störenden Frequenzen im Spektrum. Viele De-Esser ermöglichen es daher, den Detektorweg abzuhören, um die bösen Zischlaute zu finden.
Manche De-Esser arbeiten nach einem anderen Prinzip, nicht nach dem dynamischen: Sie fügen die detektierten und freigestellten S-laute mit invertierter Polarität dem Originalsignal hinzu. Das klappt erstaunlich gut, etwa beim SPL DeS (Testbericht/Produkt). Ein Vorteil mancher „fertiger“ De-Esser ist, dass ihr teilweise einen Unterschied zwischen Detection und Suppression einstellen könnt, der Frequenzbereich, in dem abgesenkt wird, also nicht deckungsgleich mit dem ist, in dem die S-Laute freigestellt werden. Das erlaubt genauere, treffsicherere Einstellungen.
De-Essing #3 – Multiband-Kompressor: geht auch
Eine weitere Möglichkeit zur Zischlaut-Entfernung ist der Einsatz eines Kompressors mit mindestens drei Frequenzbändern. Wenn sich das mittlere Band sehr eng setzen lässt, kann man die beiden Außenbänder unbearbeitet lassen, während das mittlere Band den Bereich der S-Laute bearbeitet.
Zwar ist dieses dann immer aktiv, doch mit nicht zu niedrigem Threshold lauft ihr nicht Gefahr, das Vocalsignal durchgängig zu verschlechtern: Die Anteile anderer Vokale und Konsonante sind dafür meist zu gering. Ein Problem gibt es jedoch: Die Filter des Multibandkompressors liegen im Signalweg, nicht nur im Sidechain. Ein wichtiges Signal wie die Main-Vocals kann empfindlich darauf reagieren, Phasenunterschiede können dafür sorgen, dass der Gesang etwas an Durchsetzungsvermögen, Klarheit und Präsenz verliert. Darauf solltet ihr achten!
De-Essing #4 – Dynamic EQ: arbeitet nur dann, wenn es was zu tun gibt
Der Dynamic Equalizer wird meist im Mastering verwendet, kann aber auch beim Gesangspuren-De-Essing helfen: Er ist de facto ein Equalizer, dessen Bänder aber nur dann wirklich absenken oder anheben, wenn auch wirklich ausreichend Signal vorhanden ist. Das ist zum Beispiel praktisch, wenn man in einem Signal Höhen boosten will, mit einem normalen EQ aber in den Pausen ständig das hochfrequente Rauschen verstärkt.
Für die Zischlaut-Entfernung von Vocal-Tracks wird dieser EQ, den man fast immer als Plug-In nutzt, so eingestellt, dass bei ungefähr 7 kHz eine Absenkung stattfindet, wenn das Signal dort einen gewissen Pegel besitzt (also mit dem Threshold). Klarer Vorteil: Die Bearbeitung erfolgt nur frequenzselektiv. In allen anderen Frequenzbereichen ist es also egal, ob gerade ein S-Signal stattfindet oder nicht. Das kann die Rettung bei „wet“ aufgenommenen Signalen sein, denn vielfach stören normale De-Esser zu sehr die Rauminformation, die von davor liegenden Konsonanten angesprochen wurden. Um Natürlichkeit bei halligen/reflektiven Signalen zu bewahren, kann ein Dynamic EQ Wunder bewirken!
De-Essing #5 – Good ol’ Automation
Tatsächlich: Die „Gummiband-Automation“ einer jeden DAW ermöglicht es, schlicht und einfach mit dem Pegelsteller, vielleicht auch einem Gain vor den weiteren Bearbeitungen durch Kompressor und EQ, die S-Laute zu verringern. Das klingt nach viel Arbeit, ist aber lohnenswert. Und es ist Geschmacks- und Gewohnheitssache: Manche schwören auf „händisches“ De-Essing, ich habe aber mit den typischen De-Essern schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Da man dort aber sehr genau einstellen und kontrollieren muss, geht das oftmals auch nicht viel schneller.
Eine weitere Möglichkeit, die sehr gut funktioniert, ist die Automation eines Equalizerbands: Schmalbandig wird dazu auf die Problemfrequenz gestellt und bei Auftreten eines S-Lauts das Gain des Bands ein paar dB abgesenkt.
Ebenfalls durchführbar: Das manuelle Hinzufahren eines invertierten (“phasengedrehten”) Signals, welches per Bandpass auf den Bereich des S-Lauts zusammengeschnitten wurde.
Vor- und Nachteile der verschiedenen De-Essing-Typen
De-Essing via… | Vorteil | Nachteil |
---|---|---|
selbstkonfigurierten Geräten per Sidechain | kann mit Standardgeräten und -Plug-ins gebaut werden, sehr flexibel | umständlich und langwierig, nicht spezialisiert auf De-Essing |
speziellem De-Esser | spezialisiertes Tool, einfach zu bedienen | muss gekauft werden, dient (fast) nur einem Zweck |
Multibandkompressor | Alternative zum typischen De-Esser | schwierig einzustellen, manchmal nicht zufriedenstellende Ergebnisse |
Dynamic EQ | sehr flexible Einstellbarkeit | komplex in der Bedienung, selten und oft teuer |
Automation | teilweise bessere Lösungen als mit De-Esser | bei längeren Passagen aufwändige und langwierige Arbeit, erfordert konzentriertes und genaues Arbeiten |
Generelle Tipps für den Umgang mit De-Essern
Achtet immer darauf, dass die Bearbeitung mit einem De-Essing-System beim nächsten Laut wieder vorbei ist. Und Vorsicht: Wenn ein „S“ anfängt nach „F“ zu klingen, war es zu viel des Guten. Aus „Susi, sag mal saure Sahne!“ soll ja nicht „Fufi, fag mal faure Fahne!“ werden…
Die Lehren aus euren De-Essing-Sessions sollten übrigens sein, beim Recording schon etwas vorsichtiger zu sein. Wenn die Zeit und Muße zur Verfügung steht, wählt Mikros genau aus und experimentiert mit verschiedenen Abständen und besonders Einsprechwinkeln. Seid ihr im Umgang mit De-Essing sicher, könnt ihr sie auch schon beim Recording einsetzen („to-tape“). Dadurch könnt ihr Pegelspitzen verringern, wodurch ihr eine bessere technische Dynamik schon vor dem A/D-Wandler erreicht.
De-Esser – extern und als Plug-In
Abschließend haben wir hier noch einen Überblick über die von uns getesteten Hardware- und Software-De-Esser, darunter auch komplette Channel-Strips mit De-Esser: