Praxis
Inbetriebnahme
Nach dem Verkabeln und dem Einschalten mit dem – etwas versteckt – in der linken, oberen Ecke platzierten Power-Taster geht es natürlich erstmal an die Inspektion der Werksklänge, die man über zwei kleine Taster links und rechts neben dem Display umschaltet (0-99). Möchte man die Bank wechseln, gilt es, während des Umschaltens auch schnell einen der sechs LFO-Taster zu betätigen, die in Doppelfunktion die sechs Bänke repräsentieren.
Bei so vielen Bedienelementen will man aber natürlich automatisch viel lieber selber schrauben und drehen. Ausgesprochen hilfreich ist dabei – wie bei fast allen FM-Synthesizern – eine gewisse Grundkenntnis dieser Syntheseform. Ohne die wird man keinen Spaß am MEGAfm haben, so haptisch einladend er seine Parameter auch präsentiert.
Es ist im Grunde auch gar nicht weiter kompliziert, was man hier unter den Fingern hat: Die vier Operatoren werden über die vier fünfstufigen Hüllkurven (ADSRR) gesteuert. Jeder Operator verfügt zusätzlich über die Parameter Detune (Verstimmung), Multiplikator (Transposition in harmonischer Obertonreihe) und Total Level (Lautstärke des Operators). Dann gilt es noch den gewünschten Algorithmus zu wählen, bei Bedarf die Feedbackschleife für den ersten Operator zu adjustieren und dem Klang durch die drei LFOs und Vibrato ein bisschen Eigenleben einzuhauchen.
Dabei gibt es Gutes wie Schlechtes zu berichten: Von Anfang an stellt man so beispielsweise fest, dass viele Parameter sehr stufig aufgelöst sind und ein ungleichmäßiges Regelverhalten besitzen. Das geht los mit der Gesamtlautstärke, die sich nur unter hörbaren Knacksgeräuschen ändern lässt und im oberen Bereich eine deutliche Klangformung in Richtung Verzerrung zur Folge hat, gefolgt vom „Total Level“ der Operatoren, der in den ersten zwei Dritteln (0 – 43) fast gar nichts macht, während es in den letzten vier Werten (43 – 63) in deutlichen Stufen (bis zur Verzerrung) nach oben geht, bis hin zur Feedback-Schleife, die leider nur über acht Werte verfügt. Als schwierig erweist sich beim Sounddesign auch der Umstand, dass Änderungen in der Hüllkurve – besonders des Sustain-Pegels – erst nach dem erneuten Auslösen übernommen werden. Ich kann mir vorstellen, dass hier der Parameter zwar in Echtzeit in das entsprechende Register des ICs geschrieben wird, seine Wirkung aber erst nach dem erneuten Auslösen entfaltet.
Die Stufigkeit ist natürlich dem gewollten Umstand geschuldet, dass hier ein 9-Bit Prozessor am Werk ist und binäre Logik kennt nun mal – gerade am unteren und oberen Ende der Wortlänge – keine Zwischenstufen. Diese Stufigkeit kann man sich unter Zuhilfenahme der LFOs natürlich zunutze machen und authentische Retro-Game-Sounds designen. Dabei erweist sich die Koppelung von Parametern an einen der drei LFOs als ausgesprochen elegant gelöst, denn man drückt dazu einfach den Link-Taster, bewegt den entsprechenden Regler und fertig. Gut ist dabei auch, dass jeder der LFOs wahlweise endlos, oder als One-Shot agiert (Loop on/off) und entweder bei jedem Tastendruck neu startet oder ewig vor sich hin wabert (Retrigger). Dabei gibt es keinen Parameter, der sich nicht automatisieren lässt und auch die Mehrfach-Zuweisung von Parametern zu Modulatoren ist möglich.
Überhaupt ergibt es eine gewisse Zweiteilung im Bedienkonzept des MEGAfm: Auf der einen Seite zählt er aufgrund seiner reichhaltigen Ausstattung mit Bedienelementen zu einem der zugänglichsten FM-Synthesizer, die ich jemals unter den Fingern hatte. Denn alles, was unmittelbar die Klangformung betrifft ist hier im direkten Zugriff. Gleichzeitig gibt es eine ganze Reihe von Zusatz-Funktionen und Bedienschritten, für die man dann doch in die Dokumentation schauen muss. Dazu zählt neben dem Aufrufen und Speichern von Sounds auch und vor allen Dingen der Setup-Modus, der eine ganze Reihe zusätzlicher Stellschrauben bereithält, wie etwa die Synchronisation der LFOs, des Arpeggiators und des Vibrato zur MIDI-Clock (ein/aus) und die feste Adressierung von LFO-Tiefe (1-3) auf die Velocity, Modwheel und Aftertouch. Auch dass der Arpeggiator nur im Unisono-Modus verfügbar ist, wurde mir erst beim Lesen der Bedienungsanleitung klar. Und so konsequent der MEGAfm in Bezug auf Design und Klang auch den Retro-Anspruch verfolgt – irgendwie hätte ich mir am Ende dann doch eine USB-Buchse gewünscht, um im Zweifel eine Alternative zur klassischen DIN-MIDI-Verbindung zu haben, die man – im neuzeitlichen DAW-Verbund – ja immer über ein zusätzliches Interface am Rechner herstellen muss. Ist die MIDI-Verbindung hergestellt, agiert der MEGAfm natürlich auch als vollwertiger MIDI-Controller und lässt sich – mit seiner schönen Bedienoberfläche und nach entsprechender Anpassung des CC-Mappings – natürlich auch zur Steuerung jedes anderen MIDI-fähigen 4-Operator-FM-Synthesizers verwenden (ich denke da beispielsweise an den Yamaha Reface DX oder den FM4 von Primal-Audio).
Wie klingt der MEGAfm?
In seiner grundsätzlichen Charakteristik ist der MEGAfm ein ziemlich rauer Geselle. Das liegt primär natürlich an der FM-Synthese selbst, die Prinzip-bedingt zu eher in Richtung metallener, obertonreicher und „harter“ Sounds geht, sobald man komplexere Operator-Verschachtelungen anwählt. Im Fall des hier zum Einsatz gebrachten YM2612-ICs kommt aber noch hinzu, dass die Digital/Analog-Klangwandlung von einem integrierten 9-Bit DAC erledigt wird, der sich extrem leicht zu hörbarer Crossover-Distortion anregen lässt. Auch der so genannte „Ladder-Effekt“ kommt hier zum tragen (man könnte es auch Clipping nennen), der bewirkt, dass die reine Sinus-Wellenform der Operatoren bei erhöhten Lautstärken eine stärker werdende Rechteck-Charakteristik erhält. Neun Bits heißt aber auch, dass hier lediglich 512 dezimale Lautstärke-Stufen möglich sind, was für deutlich hörbare Aliasing-Artefakte und die oben bereits angesprochene „Stufigkeit“ der Parametrisierung sorgt.
Dem gegenüber steht, dass der MEGAfm von seinen klanglichen Möglichkeiten ein durchaus potenter Synthesizer ist, wobei insbesondere die drei, sehr flexibel einsetzbaren LFOs, für viel Bewegung und Komplexität im Klang sorgen können. Damit reicht das Spektrum von rohen FM-Bässen, über komplexe Random- und Noise-Sounds bis hin zu „retroesk-schiefen“ Pads, die man dem Zeitphänomen „Hauntology“ zurechnen kann. Nur eines kann der MEGAfm nicht: Sauber und clean klingen. Aber dafür tritt er erklärtermaßen auch gar nicht an.
Demovideo mit Twisted Electrons Mega FM Patches für Techno und Ambient
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Nix Nutz sagt:
#1 - 19.02.2021 um 15:28 Uhr
Attribute wie harsch und rauh gehören eigentlich nicht wirklich zur FM-Synthese. Schade, dass hier dieser Chip und nicht der (8-Stimmige, multimode-fähige) Ym-2151 aus dem CX5M oder der folgende Ym-2164 aus dem FB-01 (und den späteren CX auch) verwendet wurde. Diese Chips haben keinen eingebauten DAC und klingen offenbar besser und sauberer, weil ein DAC erst extra dahinter geschaltet werden muss. Jedenfalls hätte ich mit dem alten CX5M erst bei Verwendung eines Overdrives einen Klang wie "Soft Bells" hier, mit dessen ungeheurlicher Rauschfahne, hinkriegen können.
In der Parametrisierung (und auch sonst) hatte ich seinerzeit übrigens kaum Probleme mit dem Aliasing. Das muss also an den hier verwendeten Umsetzern liegen.
Kann mir schwer vorstellen, dass sich jemand ein Gerät wie dieses kauft, um klanglichen "Schmutz" out-of-the-box zu produzieren, ohne die Möglichkeit zu den FM-typischen, feinen, glasklaren und silbernen sounds. Fast ein Overdrive per default, nur um des "Kultes" willen, das sieht ein wenig fade aus. Beides zusammen aber - kauf ich sicher.