Der TWS 2864-S Combo ist handverdrahtet
Rein optisch sieht man dem eher unscheinbaren Combo seine inneren Werte und den massiven Klang nicht an, dabei gehört der Amp schon in Sachen Verarbeitung zur absoluten Oberliga. Frei verdrahtete Signalwege, die sich klanglich nicht nur in homöopathischen Dosen bemerkbar machen, gehören bei Röhrenamps zur Königsdisziplin. Wie so oft im Leben muss man für hohe Fertigungs- und Klangqualität etwas tiefer in die Tasche greifen als für Produkte, die an Fließbandstrecken in Fernost zusammengeschraubt werden. Mir ist bei Studiosessions, bei denen es um einen reinen und organischen Ton geht, immer wieder aufgefallen, dass man mit puristischen einkanaligen Amps die besten Soundergebnisse erzielt – je weniger Bauteile sich im Signalweg befinden, desto besser sind Dynamik und Ton. Klanglich würde ich den Combo grob in das Vox-Lager einordnen. Die unaufdringlichen Mitten und der sanfte Übergang in eine lebendige Verzerrung über den gesamten Regelweg der Vorstufe sorgen für ein breit gefächertes Angebot klassischer Sounds in erstklassiger Qualität. Bei vielen modernen Amps verschwimmen die Unterschiede der verwendeten Gitarren schnell, nicht aber bei diesem Schätzchen. Deswegen habe ich für jede Einstellung meine ’77er Strat mit Kloppmann-Pickups und eine Gibson SG mit Medium-Output-Humbuckern verwendet. Kommen wir zunächst zum cleanen Sound, bei dem ich den Preamp auf 9 Uhr gestellt habe. Der Ton ist zwar unverzerrt, aber nicht chemisch gereinigt, wie man es von ultra-sauberen Amps wie dem Roland Jazz Chorus kennt.
Für mich liegt der Sweetspot irgendwo zwischen der 11- und 12-Uhr-Stellung des Preamp-Reglers, denn hier geht der Amp bereits eine Symbiose mit der Gitarre und der Spielweise ein und man kann den Sound bei Bedarf wunderbar mit Pedalen erweitern. Die dezent silbrige Verzerrung, die mit einer weichen Kompression einhergeht, entsteht im TWS 2864-S dann, wenn die Phasenumkehrstufe in die Sättigung gefahren wird. Vor- und Endstufe sind in diesen Prozess nur marginal eingebunden. Allein mit dem Anschlag und dem Volume-Poti der Gitarre lassen sich viele klassische Sounds realisieren. Mit einer Strat sind Clapton-/John-Mayer-Sounds ohne Weiteres sofort erreichbar. Es klingt genauso, wie es sein soll, und das ohne den Einsatz zusätzlicher Pedale. Mit Humbuckern ist man schnell in den rotzigen Regionen à la Rusty Anderson, dem Gitarristen von Paul McCartney.
Die unglaubliche Dynamik des Amps bleibt auch dann erhalten, wenn man den Preamp komplett aufdreht. Der Sound bleibt offen und transparent und reagiert feinfühlig auf den Anschlag und die verwendete Gitarre. Obwohl der grundlegende Sound einen aufgeräumteren Tiefbass-Bereich hat, habe ich den Bassregler, der ja vor der Clippingstufe liegt, auf Stellung 1 geschaltet.
Mit Booster- und Overdrive-Pedalen versteht sich der TWS 2864-S blendend
Der TWS 2864-S versteht sich bestens mit klassischen Booster- und Overdrive-Pedalen, wobei der Sound nie in Metallregionen abdriftet. Dazu wurde der Combo auch nicht konstruiert.
Als Beispiel dafür habe ich meinen alten TS9 an den Start gebracht und vor den voll aufgerissenen Amp geschaltet. Sound und Spielgefühl sind hier jenseits von Gut und Böse, auch wenn die Unterschiede zwischen der Stratocaster und der SG leicht verschwimmen. Das liegt wegen der hohen Verzerrung jedoch in der Natur der Sache. Den Bassregler habe ich hier übrigens wieder in Position 2 geschaltet, weil der Tube Screamer den Bassbereich stark ausdünnt.
Für dich ausgesucht
Der TWS 2864-S klingt nicht nur gut, wenn der Masterregler weit aufgerissen ist. Im Gegensatz zu den meisten Gitarrenverstärkern mit Mastervolume, deren Klang beim Reduzieren der Lautstärke mehr oder weniger unbrauchbar wird, hat TWS-Chef Mario Gebhardt dieses Problem mit einer ausgeklügelten Schaltung größtenteils gelöst. Das Zauberwort heißt WonderVol, eine vereinfachte Bezeichnung für einen frequenzkorrigierten Mastervolume-Regler, der so effektiv arbeitet, dass der Sound in jeder Lautstärke ohne weltbewegende Klangverluste reproduziert werden kann. Natürlich sollte man bedenken, dass sich bei höheren Lautstärken die Lautsprecherpappe stärker bewegt und auch dadurch den Klang beeinflusst. Trotzdem finde ich das Ergebnis sehr gut. Man kann hier sogar in Zimmerlautstärke abrocken, ohne diesen typischen dünnen Sound zu erhalten. Um die Wirkungsweise zu zeigen, habe ich ein Audiofile mit fünf verschiedenen Einstellungen des Mastervolume-Reglers aufgenommen – der Preamp ist hier übrigens komplett aufgerissen. Es sind folgende Einstellungen zu hören:
1. Komplett aufgedreht, also kein Mastervolume
2. 15 Uhr
3. 12 Uhr
4. 10 Uhr
5. 08 Uhr
Im ersten Soundbeispiel hört ihr, wie diese Einstellungen den Amp leiser machen. Im zweiten Soundfile habe ich die einzelnen Einstellungen normalisiert, damit man den Klangunterschied bei gleicher Lautstärke besser hören kann.
Joe sagt:
#1 - 29.02.2024 um 05:53 Uhr
„Einfach mehr hören!“ Das war mein erster Eindruck dieses Traumamps.
Timo sagt:
#2 - 29.02.2024 um 07:28 Uhr
Der Combo hat seinen Preis. Aber ein gutes Massivholzmöbel hat auch seinen Preis. Man kauft mit diesem edlen Teil nicht nur einen Gitarrenverstärker, sondern einen treuen Begleiter, der einen in jeder musikalischen Lage gut „aussehen“ lässt.
Michael sagt:
#3 - 29.02.2024 um 08:38 Uhr
Bravo Mario. Man hört seinen Kunden zu und baut, was diese brauchen - besser gehts nicht :-)
Tim sagt:
#4 - 29.02.2024 um 09:47 Uhr
Hört sich sagenhaft an. Mehr davon!
Stephan Schmitt sagt:
#5 - 01.03.2024 um 14:04 Uhr
Mein Gitarrenkollege in der Band spielt den Amp als Topteil über eine 4x12 Box mit Blue Alnico. Das ist schon sehr durchsetzungsfähig und unverfälscht. Und das Ding rauscht selbst voll aufgeleiert quasi gar nicht.