Hallo und herzlich willkommen zu einer weiteren Folge meines Workshops zum Thema Ukulele für Gitarristen! Heute geht es darum, Spielweisen der Jazzgitarre auf die vier Saiten unserer Ukulele zu übertragen. Ja, auch das geht, und macht richtig viel Spaß! In diesem Sinne: Let the show begin!
Den Einstieg ins Thema möchte ich mit einer Grundausstattung von Akkorden machen, die wir benötigen, um die gängigsten Standards zu spielen. Zur Klärung des Begriffs: Ein Jazzstandard ist ein bei Jazzmusikern besonders beliebtes und viel gespieltes Stück. Die meisten Standards stammen aus den großen amerikanischen Musicals und Broadway-Shows der 40er und 50er Jahre, aber auch in alten Hollywoodfilmen kann man den ein oder anderen davon finden. Gute Sammlungen sind die sogenannten “Real Books”. Darin sind die Stücke als Leadsheets notiert, das heißt, mit Melodie und Akkordsymbolen.
Die zentrale Akkordverbindung im Jazz, die uns in vielen Stücken ständig begegnet, ist die II-V-I-Verbindung. Die römischen Ziffern beziehen sich dabei auf die Stufen einer Durtonleiter, auf denen wir Vierklänge bilden.
Eine II-V-I-Verbindung in C-Dur besteht demzufolge aus dem Akkord auf der zweiten Stufe, Dm7, dem Akkord auf der fünften Stufe, G7, und dem Akkord auf der ersten Stufe, Cmaj7.
Dm7 – G7 – Cmaj7
II – V – I
Da es sich um Vierklänge handelt, können wir die Akkorde ohne Einschränkungen auf der Ukulele spielen, auf jeder Saite wird ein Akkordton untergebracht.
Hier das PDF zum downloaden:
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Diese Akkorde bestehen nur aus gegriffenen Tönen (keine Leersaiten) und können daher für alle Tonarten verwendet werden. Wir verschieben beispielsweise für eine II-V-I-Verbindung in D-Dur (Em7-A7-Dmaj7) einfach nur alle Griffe um zwei Bünde.
Um extreme hohe Lagen und Hin- und Herspringen auf dem Griffbrett zu vermeiden, ist es nützlich, alle Akkorde zusätzlich in mindestens einer weiteren Griffbrettposition mit anderen Umkehrungen zu lernen.
Im zweiten Beispiel habe ich auf der 1. Stufe einen Sextakkord (C6) verwendet. Dieser wird häufig anstelle des maj7-Akkords zum Einsatz gebracht.
Wieder haben wir euch die Griffbilder in einem PDF zusammengefasst:
Tune-Up
“Tune-Up” ist ein bekanntes Stück des Jazztrompeters Miles Davis. Es besteht fast ausschließlich aus ll-V-I-Verbindungen. Beispiel 3 zeigt die 16-taktige Akkordfolge, das komplette Stück mit Melodie findest du in den meisten Realbooks. Die Akkorde spiele ich ausschließlich mit Abschlägen in Vierteln, wobei ich ganz leicht die Zählzeiten 2 und 4 betone, im Stile von Freddie Green oder auch Django Reinhardt.
Hier die Noten als PDF:
Und das passende Audio:
Bisher haben wir Voicings für folgende Akkordtypen gelernt:
Mollakkord mit kleiner Septime: m7
Durakkord mit kleiner Septime: 7
Durakkord mit großer Septime: maj7
Durakkord mit großer Sexte: 6
Um problemlos die gängigsten Jazzstandards spielen zu können, benötigen wir darüber hinaus folgende Akkordtypen: Verminderter Akkord mit verminderter Septime (= große Sexte): dim7 oder o7 Halbverminderter Akkord: m7b5 oder ø Mollakkord mit großer Sexte: m6 Übermäßiger Akkord mit kleiner Septime: +7 oder aug7 Natürlich gibt es noch viele andere Akkorde, Akkorderweiterungen und Alterationen. Doch gerade für den Jazzneuling ist es sinnvoller, sich erst einmal auf ein paar wichtige Akkorde zu beschränken und diese sicher zu beherrschen.
Hier die Griffbilder als PDF:
Stella By Starlight
Die neuen Akkorde können wir nun gleich wieder an einem Stück ausprobieren: “Stella By Starlight” ist ein berühmtes Stück aus der Feder von Victor Young. Ich zeige hier die erste Hälfte, das komplette Stück findet man wiederum in den meisten Realbooks.
Die Noten im PDF-Format findet ihr unterhalb des Audio-Players.
Ich habe fast ausschließlich die soeben vorgestellten Akkordvoicings verwendet, um zu zeigen, dass man damit schon in vielen Fällen auskommt. Es gibt nur eine kleine Ausnahme: In Takt 7 spiele ich einen Eb6/9-Akkord. Dieser ist gleichberechtigt mit 6- und maj7-Akkorden zu verwenden und passte mir an dieser Stelle spieltechnisch einfach besser ins Konzept.
Nun folgt die Melodiestimme zu “Stella”. Das Stück steht in Bb-Dur und so besteht die Melodie größtenteils aus den Tönen der Bb-Dur-Tonleiter.
Im Jazz spielt natürlich auch die Improvisation eine große Rolle.
Üblicherweise wird bei einem typischen Jazzstandard am Anfang das Thema gespielt, danach wird mehrmals über die Form improvisiert und zum Schluss wird noch einmal das Thema wiederholt.
Aber wie stellt man es an, über die ständig wechselnden Akkorde eines Stückes wie “Tune Up” oder “Stella By Starlight” zu improvisieren? Das ist natürlich nicht in einem Satz zu beantworten, es gibt viele Konzepte, Jazzimprovisation zu lernen, damit alleine kann man ganze Bücher füllen.
Ich möchte hier aus Platzgründen nur ein Konzept anreißen: Arpeggios. Bei einem Arpeggio (dt. Akkordbrechung) werden die Töne eines Akkords einzeln nacheinander gespielt. So sucht man sich (am besten in einer Lage bleibend) alle Möglichkeiten, die Töne eines bestimmten Akkords zu spielen. Für ein Em7-Arpeggio suche ich mir z.B. jedes E, G, H und D in einer bestimmten Lage. Damit kann ich dann über den Em7-Akkord improvisieren. Ich habe die Arpeggios mal exemplarisch für die ersten drei Akkorde von “Tune Up” aufgeschrieben.
Als Nächstes folgt eine kleine Arpeggio-Etüde über “Tune Up”.
Natürlich bedarf es einiger Zeit, das neue Material in die Finger zu kriegen und bei den Akkordwechseln “umzuschalten”. Wer tiefer in das Thema Jazz einsteigen will, sollte sich die Arbeit aber auf jeden Fall machen, es lohnt sich! Es ist dabei am Anfang nicht unbedingt nötig, verschiedene Argeppios für 6- und maj7-Akkorde zu lernen, da diese Akkorde austauschbar sind und dieselbe Funktion erfüllen.
Für die Experten unter euch zeige ich jetzt noch ein paar Möglichkeiten, die Akkorde mit jazztypischen Erweiterungen und Alterationen zu versehen.
Wie in einer früheren Folge schon kurz angesprochen, haben wir bei der Übertragung komplexer Akkorde auf die Ukulele folgendes Problem:
Es gibt nur vier Saiten!
Wenn wir also trotzdem Fünf- und Sechsklänge spielen wollen, müssen wir unwichtigere Töne weglassen.
Ein Beispiel: G7 (GHDF) soll zu G7/9/13 (GHDFAE) erweitert werden. Wir reduzieren nun den Basisvierklang auf auf die beiden wichtigsten Töne, H und F, Terz und Septime des Akkords. Dadurch haben wir Platz für die beiden zusätzlichen Töne A und E, die dem Akkord mehr Farbe verleihen. Auf diese Weise ist es möglich, auch mit vier Tönen Fünf- und Sechsklänge darzustellen.
Die folgende Übersicht zeigt eine kleine Auswahl.
Fly Me To The Moon
Nun aber genug der Jazztheorie, Zeit für unser nächstes Praxisbeispiel! “Fly Me To The Moon” ist ein vor allem durch Frank Sinatra bekanntgewordenes Stück aus der Feder von Bart Howard. In Beispiel 10 zeigt die Melodie eine mögliche Begleitung für die ersten 16 Takte, wobei ich die gerade besprochenen erweiterten Akkorde einfließen lasse.
Das nächste und letzte Beispiel für heute ist ein Solo über die Changes (Akkordwechsel) von “Fly Me To The Moon”. Ich verwende dafür nur Arpeggios und ein paar chromatische Durchgangstöne.
Jetzt heißt es, das Gelernte an möglichst vielen Stücken auszuprobieren! Jedes Realbook hält dafür eine riesige Sammlung bereit.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Nachspielen und Experimentieren und vor allem aber einen schönen Sommer!