Universal Audio ist ein ur-amerikanisches Unternehmen. Das kann man zum Beispiel daran merken, dass das Company-Video zum neuen Apollo-Interface alles andere als duckmäuserisch daherkommt. Es gebe eben keinen definierten Weg für Innovation, sondern nur einen verschlungenen, heißt es dort. Universal Audios Weg habe vor einem halben Jahrhundert begonnen und bis zum neuen Audio-Interface namens Apollo geführt, dem Gegenstand dieses Testberichts. „Höhö, ein Audio-Interface, nein wie spannend“, mag man denken.
Die zweite Möglichkeit, die Verbindung von Universal Audios selbstgewählter Abbreviatur “UA” und der bekannten Abkürzung mit dem “S” zwischen diesen beiden Buchstaben herzustellen, kann man anhand der auf diesem langen Pfad entstandenen Produkte nachvollziehen: “USA” ist wohl die Assoziation, die zu den auch heute noch topaktuellen Kompressoren LA2A und 1176 sowie 610er Preamps am Besten passt. Sie klingen dick-amerikanisch, groß und wichtig(-tuerisch) und eben nach dem Alleinherrschaftsanspruch einer selbstbewussten Mondfahrer-Nation.
Was sich zu Beginn vielleicht wie ein typischer kritischer Kommentar auf den Seiten eines großen deutschen Nachrichtenportals liest, ist aber gar nicht böse gemeint. Im Gegenteil: In Musikproduktionen ist der massive U(S)A-Sound auf der ganzen Welt beliebt und begehrt. Zurecht: UAs Hardware gehört schlicht und einfach zu den wahren Schwergewichten der Audiotechnik. Im letzten Jahrzehnt hat bei Universal Audio zudem ein Wandel stattgefunden, der verhindert hat, dass das Unternehmen nur noch mit “historischem Equipment” in Verbindung gebracht wird. Neben bezahlbareren Geräten in nutzerfreundlichen Kombinationen und Größen sind es vor allem die unter der Bezeichnung “UAD” verkauften DSP-Systeme samt der zugehörigen Plug-Ins, die die Amerikaner auch im digitalen Zeitalter der Musikproduktion zu den großen Namen zählen lässt. Technologie aus dem mittlerweile eingestellten Zweikanal-AD/DA 2196, Preamps und DSPs, welche die UAD-Plugs zudem in Echtzeit nutzbar machen, zusammen in einem 19”/1HE-Audiointerface, das ist wirklich ein Griff nach den Sternen. Es stellt sich also die Frage, ob wir es hier eher mit der glorreichen Apollo 11 oder dann doch leider mehr mit Apollo 13 zu tun haben.
DETAILS
Zumindest ist das UA Apollo kein “Fake”, sondern wirklich echt und materiell vor mir, die Fotos sollen als Beweis dienen. Falls ihr spekuliert, dass eine derartige Beleuchtung ja auch im Fotostudio hätte realisiert werden können – tja, das muss ich wohl zugeben. Wenngleich ich dafür nicht nach Hollywood fahren musste, denn drei Elinchrom-Blitzköpfe in meinem Kellerstudio haben es auch getan. Nun aber genug der Weltraumgeschichten und Mondlandungs-Verschwörungstheorie-Anspielungen, ihr wollt wahrscheinlich auch harte Fakten lesen – und die gibt es beim Apollo-Interface zuhauf.
Zunächst einmal gibt es dort die Datenleitungen zum Austausch mit dem Computer, ohne die ein Interface nun mal kein Interface ist. Diese überlebenswichtige Verbindung (also das Pendant zum Kabel beim Weltraumspaziergang) ist zunächst einmal FireWire 800. Derartige Ports sind an Rechnern Mangelware, daher wird man sich über die zusätzliche Durchschleifbuchse freuen. Links neben diesen beiden Buchsen begrüßt einen die schwarze, gähnende Leere des weiten Raums: Es wird noch im ersten Halbjahr des Jahres 2012 eine Karte geben, die den Anschluss des Apollo via High-Performance-Schnittstelle Thunderbolt ermöglichen soll. Dass ein Donner im Weltraum mangels Schallübertagungsmedium eigentlich gar nicht möglich ist, passt zwar nicht ganz in mein Space-Thema, aber was soll´s: Man sollte sich darauf freuen, denn die hohen Kapazitäten und die geringe mögliche Hardware-Latenz machen diese Verbindung verdammt interessant für uns Audio-Astronauten. Der ganz große Schritt für die Menschheit wäre es übrigens gewesen, wenn es zu FW800 und Thunderbolt auch USB als Möglichkeit gegeben hätte. Vielleicht will der User ja sein Apollo mal hier, mal dort anschließen können – und sei es nur, um ein Mikrosignal aufzuzeichnen und Monitoring zu realisieren.
Im Inneren des Interface-DSP-Gerätes werkeln AD/DA-Wandler, die Wortbreiten von 24 Bit und Abtastraten von bis zu 192 kHz in den bekannten Zwischenschritten verarbeiten. Kann aufgrund der digitalen Hardware-Außenwelt nicht weiterhin eine interne Taktung verwendet werden, kann die Referenz aus dem eingehenden S/PDIF-Coaxsignal oder den beiden S-MUX-fähigen ADAT-Ports bezogen werden. Ein klarer Hinweis für die Professionalität des Apollo ist weiterhin, dass zudem ein Wordclock-Eingang vorhanden ist, der wahlweise sein Signal weitergibt oder mit einem Abschlusswiderstand versehen werden kann. Alle digitalen Audioeingänge sind übrigens in gleicher Konfiguration auch als Ausgänge vorhanden. Für zwei große XLR-Buchsen als AES3-I/O war wohl leider kein Platz mehr auf der mit Anschlüssen übersäten Rückseite. Sehr schade, wie ich finde! Dafür habe ich etwas Nettes entdeckt: Der S/PDIF-Eingang kann hardwareseitig durch eine Samplerate-Conversion laufen!
Analog geht es aus dem Interface mit Klinkenbuchsen hinaus, die allesamt nicht nur Tip und Sleeve, sondern auch den Ring bedienen – also symmetrisch arbeiten. Die acht Line-Ausgänge weisen laut Herstellerangabe bei einem Frequenzgang von 20 Hz bis 20 kHz (+/- 0,1 dB) eine S/N-Ratio von 118 dB(A) auf. Zudem gibt es einen Stereo-Monitoringausgang. Mittlerweile haben die meisten Hersteller bemerkt, dass es einen Haufen auch höchst professionell arbeitender User gibt, die keine Regieraumscheibe zwischen sich und dem Musiker haben. Universal Audio haben das auch verstanden und dementsprechend zwei Kopfhörerausgänge mitgeliefert, die nicht nur separat geregelt, sondern vollständig unabhängig voneinander beschickt werden können – so soll´s sein! Natürlich ist das auch in Setups, in denen zwei Musiker live zusammenspielen, eine äußerst dankenswerte Option.
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Acht analoge Line-Signale können dem Apollo zugeschustert werden, diese Zahl verringert sich allerdings, wenn man auch Mikrofonsignale aufzeichnen möchte, denn die vier Mic-Preamps des Interfaces liegen auf den Kanälen 1 bis 4. Zwischen Line und Mikrofon muss man auswählen, die frontseitigen Hochimpedanzeingänge drängeln sich per Autoswitch mit ihrem Signal automatisch nach vorne. Sowohl Kanal 1 als auch Kanal 2 sind mit diesen Instrumenteneingängen ausgestattet, sodass auch mal der Gitarrist und der Bassist direkt gleichzeitig mitspielen dürfen. Dass ich bei einem UA-Gerät den Mic-Pre nicht einfach kurz erwähne und dann links liegen lasse, dürfte sich ja wohl von selbst verstehen. Der Dynamikbereich wird nach A-Filterung mit 118 dB angegeben, der Frequenzgang entspricht dem der analogen Ausgänge bei gleicher Toleranz. Mit unter 120 dB ist das Übersprechen trotz kleiner Bauform angenehm gering. Die Eingangsimpedanz liegt fest bei 5,4 kOhm, also quasi in einer geostationären Umlaufbahn. Es ist schon schade, dass nicht die Impedanzumschaltung anderer UA-Preamps Einzug gefunden hat, denn ich finde das äußerst praktisch – es gibt allerdings auch die gegenteilige Meinung, es gäbe nur die eine, richtige Impedanz.
Natürlich kann auch Phantomspeisung bereitgestellt werden, netterweise für jeden Channel separat. Auf der Frontplatte ist die Vorgehensweise sogar erklärt, denn der auffällige “Preamp”-Regler ist nicht nur für das Gain zuständig, sondern mit ihm wird auch die Kanalnummer gewählt. Settings werden mit dem Drehgeber und den kleinen quadratischen Tastern eingestellt, das einfache Display weiter rechts zeigt die ausgewählte Kanalnummer und den Schaltzustand. Das maximale Gain beträgt 65 dB, die minimale Verstärkung 10 dB. Wer dennoch um Clips fürchten muss, der freut sich über das analoge Pad von -20 dB. Die Invertierung der Polarität erfolgt nach der Digitalwandlung, das ist auch verhältnismäßig gleichgültig. Anders schaut es bei der Tiefensperre aus, denn auch das High-Pass-Filter ist digital! Eigentlich ist es sinnvoll, schon möglichst früh unnütze Anteile aus dem Audiosignal zu entfernen, nicht zuletzt aus Gründen der Aussteuerbarkeit. Wozu soll man tieffrequente Anteile noch mit in die digitale Welt herübertransportieren lassen? Eine Erklärung ist, dass sich digitale Filter linearphasig erstellen lassen. Ich hätte aber erwartet, dass der User dann zumindest die Vorteile eines digitalen HPF nutzen könnte und nicht nur die Grenzfrequenz, sondern auch die Flankensteilheit und vielleicht gleich noch bei Bedarf “analoges” Design (Bessel, Butterworth, Chebeychev…) bestimmen könnte, doch nichts da: 12 dB/Oct bei 75 Hz. Punkt.
Die weitere Vorderseite ist recht aufgeräumt, was immerhin dem Design sehr entgegenkommt. Zu bemerken wären die verbleibenden Anzeigen im Display, darunter „Link“ für das Gruppieren der Funktionen zweier benachbarter Channels, die Clocking-Anzeige, die von UAD-Systemen bekannte “UAD Link”-LED und das Output-Metering. Der Monitor-Regler stellt das Output-Level ein, der Powerschalter ganz rechts gibt die Spannungsversorgung aus dem externen 12V/80W-Netzteil für das Gerät frei. Verwendung findet hier ein vierpoliger XLR-Anschluss. Das ist sinnvoll, da dieser sicher arretiert, wie es auch Schraubverschlüsse tun. Dass bei dem riesigen Funktionsumfang nicht auch noch Platz für ein internes Netzteil war, kann man sich denken. Neben Einstreuungen ist es sicher auch die Abwärme einer solchen Einheit, die gegen einen Einbau sprechen würde. Ich bin mir recht sicher, dass diese auch so schon ein “Thema” bei UA ist. Nicht umsonst ist das Metall an der Oberseite und an den Flanken so durchlöchert, als sei es einem Bombardement von Weltraumschrott und Mikroasteroiden ausgesetzt gewesen. Das Apollo Quad ist außerdem auch mit vier Sharc-DSPs ausgestattet, anders als der kleinere Vertreter mit nur zweien an der Zahl. Wärme ist natürlich nur ein Abfallprodukt der Chips, denn hier finden die flotten Berechnungen der bekannten und beliebten UAD-Plug-Ins statt. Nett ist, dass es hier die Möglichkeit gibt, die Effekte auch to-tape oder für das Monitoring anzuwenden. Was die DSP-Systeme von UA zu leisten in der Lage sind – und natürlich auch was die Plug-Ins draufhaben – haben wir von bonedo schon eingehend untersucht: Zum Universal Audio UAD-2 Satellite Quad Test
Universal Audios Apollo verfügt im Gegensatz zu einer Mondlandefähre über eine doch recht geringe Zahl an Bedienelementen. Kein Wunder also, dass viele Einstellungen per Software erfolgen müssen. Und es gibt nicht nur einfach “die” Software, sondern gleich einen ganzen Sternenhaufen: Die Console Application hat die Aufgabe, die Hardware-Einstellungen zu koordinieren, also etwa das Direct-Monitoring. Hier lassen sich auf einer Mischpultoberfläche eigenständige Cue-Mixes erledigen, die Hardware-Einstellungen zum Beispiel der Mic-Pres können vorgenommen und DSP-Effekte geroutet werden. Das kleinere Recall Plug-In wird im DAW-Host aufgerufen und ermöglicht es, in einer Session die ganzen eingestellten Hardware-Settings zu speichern und schnell und korrekt wiederherzustellen. Und natürlich gibt es noch die UAD-Plug-Ins, die auf den Sharc-DSPs berechnet werden. Im Lieferumfang ist ein Grundstock an Effekten, alle anderen muss man separat erwerben. UAD Meter und UAD Control Panel informieren über Hardware-Auslastungen, also beispielsweise des Datenbus und der Signalprozessoren. Momentan ist es ausschließlich Mac OS (mind. 10.6), welches unterstützt wird, aber ab Sommer 2012 soll auch Windows 7 die Datenströme lenken dürfen. So, jetzt wird die Kiste aber aufgestellt, betankt und der Flugverkehr über dem Teil umgeleitet. Spannung. Um an Bowies fiktiven Raumfahrer Ziggy zu erinnern: “Commencing countdown, engines on…”.
Gregor sagt:
#1 - 08.01.2013 um 23:15 Uhr
Zwei wirklich blöde Sachen zu dem Teil :a) Die Headphone - bzw. Aux- Wege sind nicht Pre oder Post-Fader schaltbar!
b) Es gibt kein separates FW-Return aus der DAW heraus. Man kann beispielsweise die bereits aufgenommenen Tracks nicht in die Aux-Wege routen!Ich wollte ursprünglich die Aux-Wege für weitere 2 Kopfhörer-Mischungen nutzen. Aber so wirds zusammen mit dem ersten genannten Problem ein schönes Gemurkse... Punch-Ins sind somit nicht möglich!Schade!Aber sonst 1A !