Preamps und die UA-Spheres
Das Grundprinzip von Universal Audio Sphere DLX und Sphere LX hat sich nach der Übernahme von Townsend nicht verändert. Im Praxisteil des Testberichts zum Townsend Labs Sphere L22 gibt es vor allem den Vergleich mit Vocals zu hören. Was bleibt, ist der Ratschlag, auch die UA-Spheres mit ordentlichen Preamps zu verwenden. Im Test waren das ein Merging Technologies HAPI, die Preamps eines Harrison 950m, ein Paar Spectra V610 und eben die Unison-Amps aus UA Apollos – also alles sehr zurückhaltende, aber hochwertige und detaillierte Verstärker. Wichtig ist es, die gains der Amps genau zu kalibrieren, denn es gibt durchaus signifikante Werte auch bei offenbar gleich eingestellten Kanälen. Die Kalibrierungsroutine von Hard- und Software leistet in jedem Fall gute Dienste.
Backyard 76 haben ein C-800G
Während mir beim Townsend-Test beispielsweise Coles 4038 zur Verfügung standen, waren es diesmal zusätzlich andere. Grund: Ich habe in meiner alten Heimatstadt Hagen meine Kumpels vom Backyard 76 Studio angerufen. Wir haben die meisten Audiofiles kurzerhand dort aufgenommen. Im Studiofundus befinden sich alte Neumann U 87 und vor allem ein Sony C-800G (Vergleichstest des GAP-Clones hier), welches sich besonders in Soul, R’n’B und Hip-Hop einen Namen gemacht hat. Passenderweise war auch Rapper „Brenna“ zugegen, der in das Original und das DLX gleichzeitig hineinschimpfen konnte. Auch praktisch: Das Studio besitzt eine ganze Armada an UA Apollos.
Auch ohne Software ordentliche Mikros
Die eigentlichen Mikrofone DLX und LX sind ordentliche Schallwandler. Und natürlich sind sie äußerst zurückhaltend, alles andere wäre Unsinn. Niemand sollte sich aber scheuen, die beiden Mikros auch ohne ihre Software zu verwenden, etwa dann, wenn eben ein neutrales, transparentes Signal gewünscht ist. Es ist natürlich auch möglich, nur die vordere Kapselseite als Niere zu verwenden und die hintere zu ignorieren.
Je „originaler“, desto besser
Wie schon beim L22: Es ist schon erstaunlich, was man heute modellieren kann – und wie gut die Ergebnisse sind. Es gelingt die Modellierung innerhalb des gleichen Mikrofontypen, also Großemembran-Kondensatormikro, klar besser als die Nachbildung eines doch anders funktionierenden physikalischen Prinzips, wie hier das des Bändchenmikrofons. Das unidirektionale Beyerdynamic M160 und das bidirektionale Royer Labs R-121 konnten im Test dennoch überzeugen, wenngleich die heftige Off-Axis-Rejection und die Patternkonstanz von Achter-Bändchen nicht erreicht werden konnten.
Aber beispielsweise die Modellierung eines alten Neumann U 87 und sogar des edlen Sony C-800G durch UA Sphere DLX gelang im Test vernünftig. Natürlich lassen sich Unterschiede ausmachen, aber es muss sich auch jeder die Fragestellen, wie wichtig die totale Authentizität ist und wie sehr sie das Endprodukt beeinflusst. Wer überall 100% will, muss eben Originale kaufen.
Für dich ausgesucht
Toll ist nach wie vor die Möglichkeit, „unmögliche“ Mikrofone zu erstellen. M160 mit Kugelcharakteristik am Drumkit, Royer R-121 als Nieren-Spotmikrofon. Auch die Steuerung des Proximity-Effekts ist eine nette Zusatzfunktion, die viel Arbeit stromabwärts in der Bearbeitungskette erspart. Mehr als nur ein Gimmick ist tatsächlich die Mischfunktion, bei der direkt zwei Mikrofone nachgebildet werden können. Dass das geht, ist kein Wunder, denn schließlich könnte man das nackte Ausgangssignal auch für 30 Mikrofone nutzen, wenn dies denn einen Sinn ergäbe.
Hochinteressant ist die Möglichkeit, mit Reflexionsfiltern in der Art des Aston Halo oder anderer Bauarten zu arbeiten und diese für das Modelling anzugeben. Die Wahl dieser Option schreibt eine fixe Richtcharakteristik vor. Sie liegt im Bereich einer Superniere, die bis mit ihrem kleinen rückwärts gerichteten Achteranteil nur wenig von dem darstellt, was ein Filter ändert.
Nieren von „echten“ Nieren liefern die besten Ergebnisse
Das Townsend-Prinzip funktioniert bei der Darstellung von Direktsignalen besonders gut. Etwas anders ist es schon bei den Reflexionen und bei Bleeding, das klappt minimal weniger authentisch. Generell fiel mir im Test auf, dass die Darstellung der Niere besonders gut gelingt, offenbar auch bei Mikrofonen, eine generische Niere besitzen. Achter-Bändchen sind da eine Ausnahme, schlichtweg deswegen, weil deren Acht besonders konstant ist und somit offenbar leichter zu modellieren.
Etwas anders sehen die Dinge bei Stereoanwendungen aus. Logisch: Spaced-Stereo-Verfahren sind mit einem einzigen Doppelmembranmikrofon nicht nachzubauen, denn woher soll das Mikrofon schon die Information über Laufzeitunterschiede nehmen, um etwa ein AB, aber auch in NOS, ORTF oder Faulkner-Array zu modellieren. Natürlich ist der Königsweg, zwei Universal Audio Sphere DLX anzuschaffen, um damit mit den Wunschmikrofonen das Wunsch-Stereosystem darzustellen. Es sei aber angemerkt, dass es vom Grundprinzip nicht möglich ist, das Empfangsverhalten von Druckempfängern mit Druckgradientenempfängern zu emulieren. Das Schoeps CMC62-Stereoset sollte man vielleicht nicht unbedingt von der Wunschliste streichen oder gar verkaufen.
Beim beliebten Blumlein, das ist ein XY-Verfahren mit zwei im Winkel von 90 Grad ausgerichteten Achten, kam das System deutlich an seine Grenzen. Nicht, dass das System, das zwei Coles 4038 modellierte, wirklich komplett schlecht wirkte am Drumkit. Aber besonders im Bass waren zwei 4038 aus Fleisch und Blut deutlich knackiger als die doch recht verwaschene Sphere-Version. Interessant: Es konnten Ergebnisse näher am Originalklang und am Blumlein-Stereobild erzielt werden mit zwei als Niere (!) modellierten 4038ern!
Nonlinearitäten durch unterschiedliche Pegel scheint die Software mit zu berücksichtigen. Ein 4038 beispielsweise reagiert auf geringpeglige Signale gehörig anders, als wenn es richtig gefordert wird, etwa an einem Gitarrenverstärker oder einem Blechblasinstrument. Allerdings habe ich das Gefühl, dass beim UA-Sphere-System die Abstufungen eher grob sind.
Thomas Gerhardt sagt:
#1 - 25.05.2023 um 12:20 Uhr
Wir haben das L22 (jetzt UA Sphere DLX) ausführlich mit originalen Mikrofonen verglichen. So nutzen wir hier ein Neumann U87 für die meisten Aufnahmen. Sicher, das L22 Sphere DLX bekommt die grundsätzliche Charakteristik meist gut hin - und das betrifft eigentlich eher den Frequenzgang eines Mikrofons. Aber gerade die wichtigen Transienten und die Griffigkeit werden kaum bis nicht "emuliert"(?), wie auch. Fazit: an ein echtes U87 kommt die Emulation leider nicht heran. Ferner sich ein grosses Problem, dass man immer auf die Emulations'Software angewiesen ist. Was ist, wenn es irgendwann mal keine Produktpflege mehr gibt oder das Produkt eingestellt wird. Ich bin der Meinung es besser wenn man in ein richtiges Mikrofon investiert - da hat man ein Leben lang etwas davon und es funktioniert immer und sofort. Es gibt schon tolle Mikrofone für den gleichen Preis. Lieber in ein echtes gutes Allrounder Mikrofon investieren. Niemand braucht zudem 50 "emulierte" Modelle und mehr im Studio.