Praxis
Die Frage ist stets die gleiche: Brauche ich unbedingt eine DI-Box im Studio oder auf der Bühne, die über 500,- Euro kostet? Diese Frage muss zwar jeder für sich selbst entscheiden, aber wer einmal von den Wonnen und Vorteilen einer guten Röhren-DI-Box gekostet hat, der ist nur schwer wieder davon loszueisen. Hinzu kommt, dass die D19 nicht nur DI-Box, sondern voll ausgestatteter Mikrofonvorverstärker mit 48V Phantomspeisung ist, der zudem über zwei parallel nutzbare Ausgänge verfügt. Alle Ein- und Ausgänge können parallel und permanent verkabelt bleiben, da die Aktivierung der Inputs über die kleinen Kippschalter auf der Vorderseite der D19 geregelt wird.
Die Schaltung des DI-Kreislaufs – Instrument In und Mic Out – ist identisch mit der des Vorgängers der D19, der bereits erwähnten Valvotronics REV1 DI-Box. Laut Hersteller verfügt die D19 allerdings über einige Dezibel mehr Headroom.
Zuerst habe ich die D19 als Bass DI-Box getestet. Der Bass wird über die Klinkenbuchse IN auf der Vorderseite angeschlossen. Es gibt hierbei, im Gegensatz zu den XLR-Mic- und Line-Inputs auf der Rückseite, keine Möglichkeit, den Eingangspegel anzupassen. Die Sättigung der Röhre wird durch den Ausgangspegel des angeschlossenen Instrumentes bestimmt. Der Input verhält sich allerdings sehr tolerant und mit einem passiven Bass kommen selbst bei sehr dynamischer Spielweise keine hörbaren Verzerrungen vor.
An ein Mischpult schließt man die D19 entweder über den XLR-Mic-Out oder den XLR-Line-Out an. Beide Ausgänge können parallel betrieben werden, da das Ausgangssignal simultan anliegt. Allerdings laufen sie durch andere Schaltkreise und klingen daher auch leicht unterschiedlich. Der Mic-Out führt einen festen Mikrofonpegel zum Pult, während der Line-Level über den roten Gainregler auf der Vorderseite einstellbar ist. Die beiden anderen Regler „Mic“ und „Line“ beeinflussen den Eingangspegel der XLR-Inputs auf der Rückseite. Werkseitig wird die D19 so ausgeliefert, dass der Groundlift-Schalter nur auf den XLR-Line-Out wirkt. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, diese Konfiguration über Miniswitches im Inneren der D19 zu ändern – was Valvotronics aber nicht empfiehlt und was normalerweise auch nicht nötig ist.
Nach kurzer Vorglühzeit für die Röhre hat man schon bei den ersten Tönen den erwarteten Klangeindruck von Fülle und Wärme. Auch durchsetzungsfreudige Sounds gewinnen an Fülle, wie man beim Sechzehntelbass über den Bridge-Pickup ab Mitte des Beispiels hören kann.
Kein Zweifel, der A/B Vergleich mit und ohne D19 bringt es auf den Punkt: Die Valvotronics D19 ist ein würdiger Nachfolger der REV-1. Allein diese Schaltung ohne den obendrein an Bord befindlichen Mikrofonvorverstärker wäre den Kaufpreis wert, vergleicht man die D19 mit anderen Röhren DIs auf dem Markt. Ihr Charakter ist stark von Obertönen geprägt und verleiht dem Bass immenses Klangvolumen ohne matschig zu wirken.
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Ein Riesengewinn sind die fünf per Minikippschalter aktivierbaren und teilweise kombinierbaren Filter. Hier stehen vier Notchfilter zur Verfügung, wobei man mit Schalter 1-2 zwischen einer Absenkung bei 9kHz und 7kHz wählt und mit Schalter 3-4 zwischen Absenkungen bei 5kHz und 2,4kHz. Die Mittelstellungen der Schalter sind übrigens Bypass-Stellungen. Der Schalter BT oder ausgeschrieben „Bass-Tilt“ veranlasst eine Bassanhebung mit einer langsamen Höhenabsenkungskurve – sehr gut für reggaeartige Sounds. Erstaunlich ist jedoch die Wirkung der Notchfilter, die ganz gezielt Finger-, Saiten- oder Einstreugeräusche herausfiltern können. Schaltet man beispielsweise den 2,4kHz Notchfilter ein, so verschwinden sämtliche Schnarr und Anschlagsnebengeräusche. Der Basssound wird clean und keine Spur muffig und behält seine Durchsetzungskraft im Playback – sehr gut einsetzbar für Blues, Motown, Country, Balladen und ähnliches. Einzig und alleine bedenklich erscheinen mir die zierlichen Schalter, die nicht danach aussehen, als seien sie für den harten Roadbetrieb gemacht. Das Vorgängermodell war dagegen eher wie ein Panzer gebaut – allerdings fehlten ihm alle diese technischen Raffinessen.
Die Notchfilter bieten bereits im Aufnahmestadium ein breites Einsatzfeld, vor allem auch, wenn man Mic- oder Line-Input für Stimme oder Instrumente wie Akkordeon, Violine oder ähnliche verwendet.
Auch die Nutzung des MIC Preamps entpuppt sich als wahrer Segen. Selbst preiswertere Nahfeld-Mikrofone wie das legendäre Shure SM57 gewinnen durch die D19 enorm an Glanz und Präsenz.
Bei folgenden Tracks wurde die erste Hälfte ohne, die zweite Hälfte mit D19 eingesungen. Auch hier hört man eine deutliche Zunahme an Transparenz.
Zuguterletzt ermöglicht die D19 über den extrem anpassungsfähigen Line-Weg ein Re-Amping. So lassen sich bereits auf Harddisk befindliche Spuren zur Aufwertung über den Line-In in die D19 einspeisen und über den Line-Out wieder zurück ins HD-System einspeisen. Dabei verfügt der Line-Out per Gainregler auf der Vorderseite über 60dB Headroom, was zur Signalanpassung von nahezu allen infrage kommenden Soundquellen ausreichend sein dürfte.