Praxis
TR1 + Traktor LE= TR1-LE. Stimmt diese Gleichung?
Traktor LE bietet mit zwei Abspielsektionen, einem Mischpult mit 3-Band-EQ, automatischer BPM-Analyse und Beatsynchronisation das Grundrüstzeug für den Digi-DJ. Auch die Effekte Delay, Flanger und Reverb sowie eine kleine Loopsektion sind mit an Bord. Die Decks liefern wichtige Informationen zum abgespielten Musiktitel und zeigen die Wellenform der Musikstücke in einer vergrößerten Ausschnittsbetrachtung mit Beatgrid an. Das Phasenmeter schlägt aus, wenn die Tracks aus dem Gleichschritt geraten. Dadurch bekommt der DJ eine optische Hilfe zum perfekten Mix an die Hand. Komfortabel gestaltet sich die Musikverwaltung. Bereits vorhandene Traktor-Kollektionen, Musik- oder Itunes-Ordner importiert der Treckerfahrer auf Knopfdruck. Mit der tag-orientierten Kategoriesuche lokalisiert er seine Tracks selbst in umfangreichen Musikbibliotheken zügig. Der Layout-Manager und eine individuelle Deck- und Browseranpassung fielen leider dem Rotstift zum Opfer.
Um die japanische Kontrolleinheit ins Geschehen einzubinden, führt der Weg über den Setup-Wizard. Er fragt Schritt für Schritt Hardwarekomponenten ab und richtet diese dann ein.
Mit den Linefadern reguliert der Disc-Jockey die Lautstärke der jeweiligen Decks, die zentrale Mixersektion arbeitet prinzipiell der Beschriftung entsprechend. Lediglich das Filter-Poti steuert hier Gain, was nicht weiter verwundert, denn Native-Instruments haben Traktor LE doch die praktischen Pro Features Autogain und Master Limiter vorenthalten. Es ist also etwas mehr Handarbeit, oder vielmehr Ohrarbeit gefordert, was ja bekanntlich nicht schadet und als Grundlage fundierten Mixings immer mal wieder trainiert werden sollte. Damit es nicht zu laut im Gehörgang scheppert, kann der DJ Haupt- und Vorhörsignal sowie Cue-Mix in der Mastersektion regulieren.
Die Effektsektionen kontrollieren für jeweils einen Effekt den Dry/Wet Anteil und einen Parameter sowie das bipolare Filter. Mit den zugeordneten Buttons wechselt und aktiviert man die FX. Einer der Regler ist allerdings nicht belegt.
Für dich ausgesucht
Mithilfe der Loop-Abteilung lassen sich sowohl handgemachte als auch computergestützte Schleifen recht komfortabel anlegen. Manuelle Loops setzt man mit den Tasten CUE-BACK und CUE FWD, sie ersetzen IN/OUT. LOOP loopt automatisch. Die Move-Unit arbeitet nicht wie beschriftet. Die Längen der Audiozyklen lassen sich zwar modifizieren, Einfluss auf den Modus-Operandi (Move-Mode: LOOP IN, OUT, BEAT) hat der DJ jedoch nicht. Auch lässt sich die gesamte Schleife nicht on-the-fly verschieben. Die FX-Tasten der Transportsektion sind nicht belegt. Traktor LEs Effekte werden grundsätzlich nicht am Kanal, sondern durch den Effektbutton in der FX-Unit abgeschaltet.
Zwischenbilanz
Wie erwartet kann der Vierdeck-Controller im vorliegenden Bundle seine Stärken nur im Ansatz ausspielen, dennoch ist auch die eingeschränkte Traktor-Fassung durchaus für weniger komplexe Mixsession geeignet. Sämtliche 28 Traktor Effekte, ausgefeiltes Loop- und Cuejuggling mit Quantisierung, Master- und MIDI-Clock, Recording oder Broadcasting sind den großen Brüdern vorbehalten. Das Upgrade auf Traktor Duo (sechs Chained-FX, zwei Decks, kein Recording, kein Broadcasting) schlägt mit 69 Euro zu Buche, für Traktor Pro werden 129 zusätzliche Euronen fällig. Wer sich für das Kaito Sondermodell entscheidet, hat diese Kosten wahrscheinlich schon eingeplant.
Mit dem Tiger in der Höhle
Nicht alle Regler kommen in den Genuss einer zweiten Funktionszuweisung, wie die Beschriftung zweifelsfrei erkennen lässt. Das Traktor-Pro-Mapping entspricht dieser exakt und ist im Nu adaptiert.
Deck-Sektion
Die Deck-Sektion steuert die Synchronisation der Software-Player, die automatische Tonhöhenkorrektur und lässt bis zu zwei Effekt-Einheiten auf jeden Kanal wirken. Play/Pause ist etwa doppelt so groß wie die übrigen Buttons, löst auf der vollen Fläche aus und ermöglicht so auch in trüben Gewässern mit Erfolg zu fischen. Vergleichsweise klein geraten erlaubt die Drei-Tasten Cue-Truppe das Anlegen von maximal acht Lesezeichen während des Betriebes. Zwischen den Markierungen darf vor oder zurückmanövriert werden, in Verbindung mit der Shift-Taste spult der DJ im Song. Einen Cuepunkt direkt anzuspringen ist nicht möglich.
Pitchabteilung
Pitchregler und Bend-Buttons sind in ihrer Funktion mit LE identisch. T(S)P gestattet ferner die Auflösung des Temposchiebers (8,10, 35,50,100 Prozent) anzupassen, allerdings nicht von der Hardware aus. Über dem Fader positioniert, verschiebt KEY die Tonart auf Wunsch in einem Wertebereich von + /- 12 Halbtönen während des Abspielvorgangs. Hier ist ein Audiobeispiel.
Effekte und Loops
An der Spitze des Controllers thronen die Effekt-Batallione und warten auf ihren Einsatz am Dancefloor. Praktischerweise wechseln Mikrotaster jederzeit zwischen Chained- und Advanced-Mode. Im erweiterten Modus lässt sich jeweils ein Effekt mit maximal 3 Parametern beackern. Die Regler arbeiten sehr genau und lassen eine äußerst präzise Steuerung der Parameter zu. Schaltet der DJ in den verketteten Modus, kann er drei FX gleichzeitig auf die Zuhörer abfeuern. Jeder Regler modifiziert dann eine Eigenschaft, Dry/Wet mischt den Gesamtanteil. Hier zeigt der Tiger seine Krallen, denn die Effektsektionen arbeiten in klangmanipulativer Hinsicht sehr effizient, der Workflow ist aufgrund des ergonomischen Layouts und der Kippschalter vortrefflich. Von Wertesprüngen beim Player-Wechsel keine Spur, die einzelnen Reglerpositionen müssen bei erneuter Aktivierung des Decks abgeholt werden. Selbst der spezifische LED-Status bleibt erhalten. Toll.
Auch die hardwareseitige Umsetzung der Loop-Abteilung ist geglückt. Schleifen können direkt am dazugehörigen Deck aktiviert werden, Move-Control erlaubt dann weiterführendes Tuning. Dazu legt der DJ per Mikrotaster den Fokus auf das zu steuernde Deck, welches durch ein kräftiges Orange hervorgehoben wird. Nun kann er die Loopgröße in einem Bereich von 1/32 bis 32 Beats anpassen. Er kann die gesamte Schleife, oder auch nur ihren Anfangs- oder Endpunkt verschieben, sogar den ganzen Beat versetzen. Da hier mit Deckfokus gearbeitet wird, muss er gerade bei zeitkritischen Loop-Manövern nicht erst zum Kippschalter greifen. Ist zudem Sync-Lock an sämtlichen Decks aktiviert, entfällt auch eine manuelle Synchronisation der Decks, und somit erneutes umschalten. Ich hätte an dieser Stelle lieber vier Encoder pro Seite gesehen, jeweils einen pro Deck für Looplänge und -position, aber das ist natürlich Geschmackssache. Insgesamt gelingt die Schleifenfrickelei auf vier Traktor Decks ziemlich flüssig, aber bei den Kernmanövern eben nicht simultan, so wie in meinem Wunsch-Szenario.
Das bequeme Browsen in der Playlist übernimmt der Joystick. Je nachdem, ob der DJ den Stick nach rechts oder links zieht, landet der ausgewählte Song im dazugehörigen Player. Preview aktiviert das Vorhör-Deck und gibt das Signal auf dem Kopfhörer aus, außer der DJ routet es auf einen separaten Ausgang. Dies ist nur unter Verwendung eines externen Mischpults möglich und wird in den Preferences aktiviert. Leider ist es mit dem Stick nicht möglich, durch die Verzeichnisstruktur zu navigieren, respektive in eine andere Liste zu wechseln. Auch die Favoriten-Shortcuts sind nicht gemappt. Ein Blick in den Controller-Manager bestätigt meine Vermutung, dass es sich bei der Shift-Taste um eine hardwareseitige Shift-Funktion handelt. Prima! Wird Shift betätigt, lösen die Controller also einen anderen MIDI-Befehl aus. Wer ein wenig mit Traktors Learn-Funktion vertraut ist, kann fehlende Features nachträglich mit einer zusätzlichen Bedingungsabfrage realisieren.
Vielleicht könnten gerade die Hersteller von Traktor- Controllern in Zukunft die eine oder andere vom User frei belegbare Taste für zusätzliche softwareseitige Modifier und freie Drehregler in die Konzeption einbeziehen. Das würde dem Käufer etwas mehr Spielraum in der Anpassung an individuelle Schwerpunkte geben. Dann könnte er sich zum Beispiel eine ALT-Taste programmieren, um die Loops mit den Effektpotis zu steuern, ohne dafür auf eine andere Funktion verzichten zu müssen. Wer dazu keine Lust hat, greift zu Tastatur, Maus oder weiteren MIDI-Controllern.
In seinem angestammten Territorium spielt das Effektwerkzeug seine Stärken aus. Und diese Arbeitsumgebung ist zum heutigen Zeitpunkt (21.01.2010) Traktor Pro, da es als einzige professionelle DJ-Software Vier-Deck-Betrieb an Bord hat und zudem eine stattliche Anzahl gut klingender und hinsichtlich mehrerer Parameter modifizierbarer Effekte mitbringt. Wenn man mit vier Decks simultan auflegt, erfordert manuelles Beatmatching einen höheren Zeitaufwand als mit zwei Decks. Wer Effekt- und Loopgewitter auf den Tanzflur abfeuert, kann diese Zeit gerade mit Traktor Pro verkürzen. Unter der Voraussetzung, dass die interne Tempoanalyse in der oft doch relativ klar strukturierten Dancemusik nicht daneben greift, kann sich der DJ die implementierte Sync Lock-Funktion zunutze machen. Sie synchronisiert alle Player zum Master. Am besten er aktiviert Auto Gain und den Limiter für den Master gleich mit, denn das Entwicklerteam hat die sonst übliche hardwareseitige Gain-Kontrolle abgeschafft. Mixing 2010!
Mixing 2020
Jetzt fehlt eigentlich nur noch eine Option, die trotz eines Trackwechsels zuvor gespeicherte Loops abspielt, wenn der Song an deren Position gelangt oder per Fade-In and Outs automatisch an diese Stelle dirigiert wurde. In diesem Zusammenhang würde sich auch gleich die Implementierung einer Scriptsprache anbieten, die Befehlsverkettungen wie die Nachfolgende unterstützt:
Computer: Lade am Fade-out Punkt von Deck A bitte den Track „MonstaDiscoBeat.mp3“ an seinem Fade-in-Marker (ein Loop-In-Point) bei 10 Prozent Kanal-Lautstärke in Deck B. Aktiviere den Loop automatisch, spiele ihn acht Mal ab und schalte zuvor den Gater ein. Während jedes Schleifenzyklus erhöhst du die Lautstärke, solange sie nicht 100 Prozent erreicht hat, um weitere 10 Prozent. Lass den Audioschnipsel nach der achten Wiederholung dann einfach weiterlaufen aber bleib wachsam. Erreicht das Musikstück dann den benannten Marker „Sweep“, aktiviere das Filter am Kanal zwei und erzeuge einen Filtersweep mit den Werten, die in der Datei „sweep.sfx“ festgelegt sind. Ist dieser Effekt durchgelaufen, aktiviere den zweiten Loop im Musikstück an Marker 5 und blende den Song während der 4-Beat-Zyklen innerhalb von 10 Sekunden bei gleichbleibendem Pegelabfall langsam aus. Parke dann den Song „NochEinTrack.mp3“ am Fade-In, warte auf ein Steuersignal und sende derweil eine SMS an den Barkeeper, dass der musikalische Verantwortliche noch mal die gleiche Runde bestellen möchte.“
In einem solchen Szenario könnten PJ (Programmier-Jay) und Lichtjockey während eines Sets gepflegt einen heben und dabei einen schönen Film auf dem Widescreen Laptop ansehen, dass im Hintergrund die korrekte Arbeit des Mix-Netbooks per Netzwerk Anbindung überwacht.
Wer mit all dem gar nichts anfangen kann: Zurück in der handwerklichen Realität ist man spätestens dann wieder, wenn das Wochenende in den Club ruft und vor dem eigenen Gastspiel ein Kollege mit Vinyl oder DVS System aufgelegt hat. Denn dann klappt man ganz manuell den Plattentellerdeckel runter, stellt die Vestaxsche Steuereinheit auf, verkabelt sich mit dem Rest der Hardware und feuert per Hand Loop-Tiraden und Effektgewitter auf den Tanzflur ab. Denn das ist in meinen Augen die wahre Bestimmung des Kaito-Sondermodels. Mit unverkennbarer persönlicher Note. Mit individuellem Spaßfaktor. Gut so!