DETAILS
Mit einer UVP von 892 Euro liegt unser Testgerät 298 Euro über dem Vorgänger und ist eines der teuersten Geräte dieser Klasse. Obwohl im Semi- und Profibereich angesiedelt, könnte es aus vielerlei Hinsicht auch für andere Segmente durchaus ein Objekt der Begierde (Itch=engl. Verlangen, Begierde) sein. Durch das integrierte Audio-Interface braucht man schließlich nur noch Kopfhörer und Laptop anzuschließen – und ab geht die Post? Im Vergleich zu den silberfarbenen 100er-Versionen besticht der etwas größere, aus Aluminium gefertigte Vertreter mit einer schwarz glänzenden Kunststoff-Oberfläche und symmetrisch angeordneten, aber wenigeren Bedienelementen. Er wirkt damit nicht so überladen und hat mehr Luft. Die abgerundeten Ecken besitzen jetzt Stoßfänger, um eventuelle bilaterale Beschädigungen zu vermeiden und auch sonst wirkt er sauber verarbeitet und strahlt eine filigrane, bescheidene Robustheit aus. Schicket Ding. Dem Standard-Vestax-Checker Karton liegen außerdem noch das obligatorische Owners Manual, Aufkleber, USB-Kabel und ein Poliertuch bei, sowie die zum Betrieb erforderliche Software Itch von Serato. Mit nur knapp 20 Seiten ist das beigelegte Handbuch schnell gelesen und verinnerlicht. Vergleichsweise wenig, wenn man bedenkt, dass Traktor Pro´s Anleitung über 200 Seiten umfasst und die Deckadance Kurzeinführung es auf immerhin 30 bringt.
Wenn sich ein digitales DJ-System mit den Begriffen Easy Setup und User-friendly schmückt, erwartet man eine problemlose Installation und schlüssige Bedienbarkeit. Die Itch-CD startet selbstständig und sind Lizenzvereinbarung abgenickt und Speicherpfad angegeben, fordert das Programm bereits zum Verbinden der VCI-300 Hardware auf. Der Rest geschieht automatisch und ohne nennenswerte Vorkommnisse. Ich spiele sofort das 1.05 Update auf und nach einem Reboot ist das System “Ready-to-Go“. Die integrierte Updatefunktion liefert die aktuelle Softwareversion kostenlos und ohne Registrierung. Laut Serato soll das auch in Bezug auf Bugfixes und neue Funktionen so bleiben. Nun starte ich das Programm, ziehe einen Track ins virtuelle Deck, welches ihn on-the-fly analysiert und gleichzeitig Vorhören einschaltet. Dann schließe ich meinen Kopfhörer an, drücke PLAY und – jawohl, da ist Musik drin. Der Easy-Setup-Test ist bestanden und Installationsprobleme wird aus dem VCI-300-Vokabular gestrichen.
DIE SOFTWARE
Ein Spartaner fragt nicht wie viele, ein Spartaner fragt wo!
Die Einstellmöglichkeiten in Itch sind vergleichsweise schlicht. Da laut Herstellerangaben ein voneinander unabhängiger Betrieb der Soft- und Hardware nicht vorgesehen ist, gibt es keine individuellen MIDI-Mappings, Soundroutings oder Tastaturbelegungen. Die Preferences erlauben lediglich kleinere funktionale und kosmetische Anpassungen.
Im Gegensatz zu Serato Scratch Live, das mit Schmankerln wie Loop-Roll, Live-Feed und Sample-Player aufwarten kann, bietet Itch eher grundlegende Funktionen. Dabei wirkt die Oberfläche der Software genauso aufgeräumt wie ihre Steuerungseinheit. Die Hälfte des Screens nimmt die Trackverwaltung ein. Den linken Teil belegen Ordnerliste, virtuelle Plattenkisten namens „Crates“ und das optionale Itunes-Menü. Importierte Dateien werden anhand ihrer ID3-Tags komfortabel nach Kategorien wie Genre, Artist, Album oder bpm sortiert. Eine temporäre Playlist, deren Titel nach Wiedergabe oder Programmende gelöscht werden, steht ebenso zur Verfügung wie die History bereits abgespielter Songs. Ihr Inhalt kann praktischerweise per Drag and Drop als Crate gespeichert werden. In der rechten oberen Hälfte kann der Benutzer bei Bedarf die 3-Band-EQs mit Trimfader und Pegelanzeige für den Mikrofon- und Aux-Eingang einblenden. Die jeweiligen Signale können vorgehört und dem Hauptmix oder einem der Crossfaderkanäle zugewiesen werden, lassen sich jedoch ausschließlich softwareseitig steuern.
Ein Peak sagt mehr als tausend Worte
Der untere Teil des Bildschirms beherbergt zwei Decks, die wesentliche Track-Informationen liefern. Die Linien in der Gesamtübersicht der Wellenform zeigen die Tracklänge an: Dünne graue Linien symbolisieren einen Zeitraum von jeweils einer Minute, dicke fünf. Itch spielt neben AIFF und WAV auch AAC und MP3, sowohl mit konstanter als auch variabler Bitrate ab. DRM-geschützte Titel können jedoch nicht wiedergegeben werden und auch die Dateien des Serato Whitelabel.net, einem kostenlosen Musik-Bemusterungs-Service, laufen nur in 32 kHz Mono. Für eine höhere Qualität ist Rane Hardware und Scratch Live erforderlich.
Hat man einen Track ins virtuelle Deck geladen, werden die Frequenzbereiche in einer durchgehenden Wellenform mit unterschiedlicher Farbgebung dargestellt. Blau signalisiert hochfrequente Signale, rot niederfrequente Töne des Bassbereichs, grün stellt die Mitten dar. In Übergangsbereichen entstehen Mischfarben. Diese Darstellung kann per Shiftklick gegen ein 3-Band-Spektrum ausgetauscht werden, welches den zuvor genannten Frequenzbereichen jeweils eine eigene Welle zuordnet. Zwischen den Decks zeigen zwei Felder die Transienten der laufenden Tracks an. Das Erste liefert eine optische Rückmeldung der Beatsynchronität. Der darunterliegende Bereich gibt durch verschiedenfarbige Signalspitzen Aufschluss über die Tempoübereinstimmung. Erst wenn die blauen und orangenen Peaks in einer vertikalen Linie übereinstimmen, ist das Tempo synchron. Die Idee ist nicht mehr ganz neu und die Felder sind für meinen Geschmack zu klein geraten, um auf größerer Distanz damit zu arbeiten. Die integrierte Recording-Funktion lässt sich leider nicht vom Controller steuern. Ziemlich nervig, gerade wenn man nicht den gesamten Mix, sondern mal eben kleinere Parts wie Scratcheinlagen für die Ewigkeit festhalten möchte. Die Datei landet zudem im Ordner für temporäre Aufnahmen und wird beim nächsten Mal überschrieben, falls nicht vorher manuell gespeichert wurde. Die Audiodaten werden ausschließlich als AIFF-Dateien in 16 Bit /44,1 kHz Stereo abgelegt. Das ist nicht mehr ganz zeitgemäß und nicht besonders komfortabel. Die Implementierung einer Autosave-Funktion mit Systemzeit und -datum sollte doch normalerweise keinen großen Programmieraufwand bedeuten.
Wie üblich bei DJ-Software-Lösungen ist eine vorherige Analyse der Dateien unerlässlich, wenn es nicht zum Stocken während des Apspielvorgangs kommen soll. Itch berechnet jeden Track auf einem separaten Prozessorkern. Das bedeutet, auf einem Quad-Core werden gleich vier Tracks auf einmal analysiert. Ungewöhnlich ist jedoch die Tatsache, dass vorher die Verbindung mit dem Controller unterbrochen werden muss. Bei laufendem Set wird die Funktion nicht angeboten und so ist selbst bei genügend Rechenpower keine Hintergrundanalyse im laufenden Mix möglich. Der undokumentierte Cuepunkt-Editor erscheint ebenfalls nur im Disconnected-Modus. Um einen Cuepunkt oder Loop zu speichern, wird der Track zunächst in den Editor geworfen. In der kleinen Wellenübersicht navigiert man mit der Maus relativ zügig aber ungenau. Für das Finetuning steht eine vergrößerte Ansicht zur Verfügung. Selbsterklärungstest bestanden? Was die Software angeht, nicht mit Glanz und Gloria, aber passabel.
DIE HARDWARE
Verbaute man im VCM-100 eine 16-bit-Maya-USB-Karte macht Vestax beim vorliegenden Modell kaum Angaben über die integrierte Hardware. Lediglich 4-Kanal 24 Bit /96 kHz Stereo werden offiziell genannt. Der Customer Service konnte leider auch keine weiteren Auskünfte geben. Das Audio-Interface klingt insgesamt gut, der Ausgangspegel ist allerdings etwas niedrig. Das letzte Softwareupdate 1.0.5 bringt daher eine Übersteuerungsfunktion für Kopfhörer und Mix mit. Für wenig Kabelwirrwarr auf dem Pult sorgt die durchdachte Positionierung von Ein- und Ausgängen. An der Rückseite befinden sich USB- und Netzteilanschluss, ein Switch für Stromspeisung und Einstellschrauben für die Empfindlichkeit des Touch-Sensors. Des Weiteren sind ein Chinch-Master und ein Paar 6,3 mm Master-Out vorhanden. Die separate Ausgabe der einzelnen Decks am externen Mixer ist von den Herstellern nicht vorgesehen. Der Aux-Eingang bekommt mit dem Emergency–Thru-Switch eine besondere Bedeutung. Dieser Notfallschalter soll zusätzliche Sicherheit bei einem Systemabsturz liefern und bietet außerdem die Möglichkeit, einen on-the-fly DJ- oder vielmehr Laptop-Wechsel ohne Musikausfall zu vollziehen. Wie das funktioniert? Zuerst muss der VCI-300 an ein externes Netzteil angeschlossen werden, damit die Stromzufuhr nicht unterbrochen wird. Dann wird eine Signalquelle der Wahl mit dem regelbaren Aux-Eingang verbunden. Obwohl ein Erdungsanschluss vorhanden ist, lässt sich kein Turntable betreiben. Sollte eines der zuvor genannten Szenarios eintreten, wird einfach der Switch betätigt. Mitgedacht liebe Hersteller, den Notfall-IPod darf man also getrost weiterhin mit sich führen.
Der vorderseitige Kopfhörerausgang ist für eine druckvolle Umgebung zwar nicht laut genug, liefert aber durchaus ein gutes Signal für leisere Clubs, Party oder Bars. Zudem lässt sich der Pegel des Ausgangssignals mit der Overdrive-Funktion anheben. Kleine Regler an der rechten Seite geben dem DJ die Option, Cross- und Linefader-Curve stufenlos einzustellen. Sollte sich Serato dazu entschließen, die Live-Feed Funktion von SSL 1.9, mit der man ein anliegendes Eingangssignal direkt auf den Teller mappen und somit scratchen könnte, durch ein Software-Update zu implementieren, würde der rechtsseitige Mikrofoneingang dem Gerät ungeahnte Kräfte verleihen.
Reduce to the max – Profitieren durch Reduzieren?
Bot der VCI-100 mit seinen 48 zuweisbaren Buttons und 19 Potis die Gelegenheit, über 90 Parameter zu steuern, hat der VCI-300 dafür “nur” 40 Buttons und 11 Potis. Da Itch aber weder Effekte noch erweiterte Loop- und Cue-Funktionen besitzt, soll dies ausreichen. Insgesamt wirkt das Modell dadurch aufgeräumter. Die Steuerelemente sind zudem symmetrisch angeordnet. Na endlich, das hatte ich mir bereits beim Vorgänger sehnlichst gewünscht.
Es werden die gleichen Regler eingesetzt, die auch schon bei der VCI-100 Black-Edition ihren Dienst verrichteten. Sie sind etwas schwergängiger als die nicht gummierten, silberfarbenen Vorgänger-Modelle, lassen sich aber sehr präzise einstellen und vertiefen das Gefühl, man hätte es mit einem durchdachten, robusten und stabilen System zu tun. Jeder der beiden Kanalzüge besitzt Regler für 3 Band-EQ und Trim. Killswitches hätten dem System meiner Meinung nach gut getan, sind aber leider nicht vorhanden. Master- und Monitor-Level sowie Monitor-Select belegen je einen weiteren Regler. Der EQ ist auf +/-6 dB (Cut/Boost) voreingestellt, alternativ kann softwareseitig auf +/-12 dB umgeschaltet werden. Drei separate Knöpfe geben Direktzugriff auf CRATES, FILES und BROWSE. Ein Clickwheel ersetzt die Maus und ermöglicht eine schnelle Navigation in den Tracklisten. Darunter sind Buttons zum Vorhören und Laden der Tracks arrangiert. Eigentümlich ist die Censor-Taste. Der bezeichnende Name „Zensur“ beschreibt den Wiedergabemodus. Anders als sonst üblich, wird nach Loslassen der Taste nicht vom momentanen Punkt weitergespielt, sondern der Track an der Stelle fortgesetzt, an der er sich ohne Tastendruck befunden hätte. Der Zeitraum dazwischen wird also übersprungen – Verzeihung, zensiert – erst mit zusätzlich aktivierter Shift-Taste steuert man das Standard-Reverse. Mit etwas mehr als der oberen Hälfte ist die Loop-Sektion angenehm großzügig ausgefallen. Serato Itch verfügt über eine Auto-Loop-Funktion, die jedoch mit Vorsicht zu genießen ist, wie wir im Video noch sehen werden. Nur die Auto-Loops können mittels Half-/Double Buttons in einem Wertebereich von 1/8 Beat bis 32 Beats verändert werden. Statt automatisch, kann man pro Track bis zu drei Loops oder Cues auch ganz einfach per Taster manuell anlegen. Die Cuepunkte unterliegen unterschiedlicher Farbgebung und sind daher auch in dunkler Umgebung immer gut zu unterscheiden. Mittels SHIFT sind sie ebenso leicht direkt am Controller löschbar.
Ein Markenzeichen des VCI-300 sind die case-sensitiven und hochauflösenden 14-Bit Jog-Dials. Mit ihren 130 mm Durchmesser sind sie nicht nur griffiger, sondern auch noch 10 Prozent größer als beim Vorgänger. Der voreingestellte NUDGE-Modus dient dem Pitchbending. Im SCRATCH-Mode hat man immer noch die Chance, den Track durch seitliches Anschubsen des virtuellen Plattentellers kurzzeitig zu beschleunigen. Zum Scratchen hingegen fasst man oben auf die Scheibe. SHIFT liefert zusätzlich schnelles Scanning im laufenden Track. Ob das jeweilige Manöver erfolgreich war, zeigt ein LED-Farbwechsel an. Die Jog-Dials sind schön leichtgängig und haben ein gutes Bremsverhalten. Ihr Widerstand kann lobenswerterweise durch ein Rädchen stufenlos reguliert werden. So kann man das Dial dem eigenen Scratchverhalten anpassen und bei Bedarf so einstellen, dass es kaum noch nachdreht. Bravo. Fester anziehen macht übrigens auch bei stärkeren Umgebungsvibrationen Sinn. Unter den Jogs-Wheels sind zwei besonders große, gut beleuchtete Cue- und Play-Tasten eingelassen. Leider sind sie etwas wackelig und der Druckpunkt ist etwas schwammig. Mit Ausnahme des 45-mm-Crossfaders haben alle Fader am Gerät 60 mm Länge, zudem unterstützen sie hochauflösende 14 Bit. Wie man es von den Vestax-Mixern bereits gewohnt ist, sind sie zudem angenehm leichtgängig, überhaupt nicht wackelig und sehr präzise. Da können sich einige Hersteller ruhig mal was abgucken. Die Linefader verfügen nun zusätzlich über LED-Ketten, die für Übersicht bei der Pegelangleichung der Kanäle sorgen. Laut Herstellerangaben haben die Wheels und Fader eine viermal höhere Auflösung als beim VCI-100. Im Zusammenspiel mit der Software erreichte der Pitch eine Auflösung von 0,1 % oder 0,03 bpm. Das sollte genügen. Zusätzlich bremsen oder beschleunigen die seitlich angebrachten PITCH-SHIFT Buttons den Track bei Bedarf. Im Hinblick auf Übersichtlichkeit und Handling ist unser Testkandidat einer der besten Controller am Markt. Die Verarbeitung hat Champions-League-Niveau. Beim VCI-300-Konzept spielt allerdings auch das mitgelieferte Itch eine große Rolle – in guten wie in schlechten Zeiten. Itch dürfen natürlich auch Keylock, Quartzlock, eine automatische Tempoanpassung und Beatsync nicht fehlen. Bei einer Software mit Profi-Ambitionen Grund genug, diesen im folgenden Praxisteil genauer auf den Zahn zu fühlen.