Die Boss Dr. Rhythm DR-55 Rhythm Machine aus dem Jahr 1979 sieht aus wie die kleine Schwester des Roland TR-808 Rhythm Composers, der wohl legendärsten analogen Drum Machine aller Zeiten.
Und tatsächlich gibt es hier eine Familienähnlichkeit. Was diese Vintage Beatbox ausmacht und ob eine Anschaffung auch nach mehr als 40 Jahren nach ihrem Erscheinen noch sinnvoll ist, finden wir in unserem Vintage Drum Machine Special heraus. Außerdem stellen wir am Ende des Artikels Samples und Loops der Boss Dr. Rhythm DR-55 Vintage Drum Machine zum Download bereit.
Details
Boss Dr. Rhythm DR-55 – erster Eindruck
Die Boss Dr. Rhythm DR-55 kam 1979 als programmierbare Einstiegsmaschine auf den Markt – etwa ein Jahr bevor der TR-808 Rhythm Composer der Schwesterfirma Roland die Welt der elektronischen Musik veränderte. Die DR-55 war zudem die erste Drum Machine von Boss, die unter dem Namen „Dr. Rhythm“ vermarktet wurde. Voll programmierbar und ohne Preset-Rhythmen sollte sie es Musikern ermöglichen, eigene Rhythmen zu kreieren. Obwohl die Beatbox nur so groß wie ein Taschenbuch ist, liegt das kompakte Gerät dank des stabilen Metallgehäuses gut in der Hand. Die Bedienelemente erinnern dabei an eine Roland CR-78 und natürlich auch an die TR-808. So gesehen könnte die Dr. Rhythm fast eine eingelaufene Version des Roland-Klassikers sein. Sogar einige Regler und Knöpfe sind identisch.
Boss DR-55 – die Bedienoberfläche
Die Bedienoberfläche der Boss DR-55 ist schnell erschlossen: Auf der linken Seite befinden sich die Regler für Volume, Tempo, Tone und Accent-Level. Auf der rechten Seite liegen Hi-Hat-, Pattern-, Variation-, Mode- und Sound-Select-Schalter. Dazu noch ein großer Schalter für die Pattern-Auswahl und orangefarbene Start- und Stop-Taster – das war’s! Und wer die Bedienungsanleitung verlegt hat, dreht die DR-55 einfach um: Unter dem Gerät klebt nämlich eine Kurzanleitung!
Polyphonie, Sounds und mehr
Die Boss DR-55 verfügt über eine Polyphonie von vier Stimmen, wobei die Sounds analog erzeugt werden. Zur Auswahl stehen Kick, Snare, Rimshot und Hi-Hat. Leider muss man auf Becken, Toms oder Claps verzichten. Dynamik lässt sich über den programmierbaren und im Anteil einstellbaren Accent erzeugen, der die Sounds auch deutlich fetter klingen lassen kann. Am Monoausgang steht ein Mix aller Instrumente zur Verfügung. Der Klang kann dabei nur insgesamt über den Tone-Regler von dunkel bis hell eingestellt werden, eine Möglichkeit zur Pegelanpassung der Sounds untereinander fehlt bedauerlicherweise völlig. Ein Fußschalteranschluss ermöglicht dann noch die Fernsteuerung von Start und Stop. DBS- und CSQ-Ausgänge ermöglichen schließlich die Synchronisation anderer Geräte mit der DR-55, allerdings ist ein Betrieb im Slave-Modus nicht möglich.
Praxis
Die Boss DR-55 im praktischen Einsatz
Echtzeitprogrammierung bei laufendem Rhythmus gibt es nicht, denn die Boss DR-55 bietet nur Step-Programmierung. Man kann seine Werke also erst anhören, nachdem man sie eingetippt hat. Trotzdem ist das Erstellen eigener Beats denkbar einfach: Man wählt mit dem Rad den gewünschten Speicherplatz, stellt den Mode-Schalter auf „Write“, wählt einen Sound und steppt sich mit Start (Note) und Stop (Pause) durch die 16 (bzw. 12) Schritte eines Patterns. Stellt man Variation auf A oder B, lassen sich sogar bis zu 32 Steps bzw. 2-Takt-Patterns realisieren.
3/4-Takt und mehr
Auf den Speicherplätzen 7 und 8 kommen dann die Freunde des 3/4-Taktes auf ihre Kosten. Eine Änderung der Patternlänge ist bei der Boss DR-55 ebenso wenig möglich wie die Verkettung von Pattern zu Songs. Auch Shuffle sucht man vergeblich – hier geht’s nur straight! Auf den ersten Blick mag das restriktiv erscheinen, aber für Klassiker wie „One Hundred Years“ von The Cure und „She’s Lost Control“ oder „Isolation“ von Joy Division hat es gereicht. Gerade Begrenzungen können dazu zwingen, besonders kreativ zu sein.
Wie klingt die Boss DR-55?
Der Sound der Boss DR-55 geht eindeutig in Richtung der klassischen Roland-Maschinen: Kick, Snare und Rimshot enttäuschen nicht. Auch die Hi-Hat liefert den gewünschten Sound. Die wohl größte Einschränkung dieser Beatbox ist jedoch, dass es nur eine Closed Hat gibt, die auch nicht wirklich programmierbar ist. Man kann sie nur aus, auf Achtel oder auf Sechzehntel stellen. Das schränkt die Groove-Möglichkeiten ebenso ein, wie das Fehlen einer Shuffle-Funktion. Klanglich ist die Boss DR-55 aber definitiv ein Tipp! Außerdem ist sie noch recht erschwinglich (Stand 2015) und die günstigste Möglichkeit, an „echte“ Sounds der 808-Familie heranzukommen, ohne erst einen Kredit aufnehmen zu müssen.
Video no-talking: Boss Dr. Rhythm DR-55
Fazit
Soundmäßig top, kann man die Boss DR-55 allerdings ohne Modifikationen nicht von außen synchronisieren. Hier sollte man sich vor dem Kauf auch die Roland CR-8000 oder die TR-606 ansehen. Denn auch diese sind noch günstiger als eine CR-78 oder TR-808. Sie bieten auch deutlich mehr Klänge, Funktionen und lassen sich zudem extern synchronisieren. Die wenigen Sounds der DR-55 sind mittlerweile vielfach gesampelt und schwirren durch jede Drum Machine Sample Library. Der Clou der DR-55 ist aber eigentlich die Programmierung und das „Feeling“ der resultierenden Beats – soweit man das von einer Maschine ohne Shuffle sagen kann. Das Zusammenspiel der analogen Sounds im Pattern dabei hat eine besondere Qualität. Ob sich die Anschaffung dafür lohnt, muss jeder für sich entscheiden. Aber die Maschine ist mehr als die Summe ihrer überschaubaren Features! The Cure verwendeten sie für ihren Klassiker „100 Years“, Joy Division hat sie u. a. für den Song „Isolation“ eingesetzt.
Boss DR-55 Samples zum Downloaden
Zum Schluss bieten wir die Sounds und Loops der Boss DR-55 zum Downloaden. Neben Einzelsamples (WAV) findet man in dem ZIP-File auch einige Loops in den Formaten WAV, REX (RX2) und Apple Loops (CAF).
Pro
- Sound
- Einfache Bedienung
- Stabiles Gehäuse
- Sync-Ausgänge
- Batteriebetrieb
Contra
- Nur 8 Pattern, kein Song-Mode
- Keine Einzelausgänge
- Keine Pegelanpassung der Einzelsounds
- Kein Sync-Eingang
- Kein Netzteilanschluss
Features
- Erscheinungsjahr: 1979
- Klangerzeugung: analog
- Polyphonie: 4
- Sounds: Bass Drum, Snare Drum, Rim Shot, Hi-Hat
- Programmierbarer Akzent
- 32 Steps: A/B Variation pro Pattern
- Speicher: 6 Pattern mit 16 Steps, 2 Pattern mit 12 Steps
- Synchronisation: DBS- (Impuls pro Step) und CSQ-Ausgang (Impuls pro prog. Akzent)
- Stromversorgung: 4 × 1,5 Volt AA-Batterien, kein Netzteilanschluss
Skinnypete sagt:
#1 - 06.05.2015 um 10:15 Uhr
Schon ein cooles Ding
Oxygene sagt:
#2 - 08.05.2015 um 12:01 Uhr
Mal sehen, wann die Preise hier ins utopische abgleiten... Auf jeden Fall eine nette kleine Kiste. Könnt ihr hier vielleicht auch mal auf mögliche Modifikationen der alten Kisten eingehen?
Ralf sagt:
#2.1 - 16.05.2015 um 13:10 Uhr
Danke für den Input! :)Fängt eigentlich schon an mit den Preisen - auch wenn 200 oder 250 EUR erschwinglich scheint, ist auch das schon wieder über dem Originalpreis. Aber es lohnt sich – so einfach wie sie ist, sie klingt!Irgendwas bestimmtes in Bezug auf die Modifikationen?
Antwort auf #2 von Oxygene
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