Der Korg Polysix ist ein sechsstimmig polyphoner Analogsynthesizer, der nach dem Prinzip der subtraktiven Synthese arbeitet. Für die damalige Zeit ist er recht kompakt – zuvor waren polyphone Synthesizer wie der Roland Jupiter 8 oder der Yamaha CS80 nicht nur teuer, sondern meist auch enorm groß und schwer gewesen. Das Gehäuse besteht aus beschichteter Spanplatte (Boden, Seitenteile) und Metall (Bedienfeld, Rückseite) und hat mit seiner Stabilität sicher dem einen oder anderen Polysix das Überleben gerettet. Auf dem Bedienfeld tummeln sich zahlreiche Drehpotis, Schalter und Taster für alle Parameter des Synths.
Die Tastatur umfasst 61 Tasten ohne Anschlagdynamik und gehört sicher nicht zu den besonderen Stärken des Polysix – das Keyboard klappert doch recht stark und wirkt beispielsweise im Vergleich zum Roland Juno-60 regelrecht billig. Aber das soll uns bei einem Vintage-Synth natürlich nicht weiter stören. Neben der Tastatur befinden sich klassische Räder für Pitchbend und Modulation – der charakteristische Korg-Joystick hatte erst beim Nachfolgemodell Poly-61 Premiere. Der Pitchbend-Bereich ist mit einem Drehpoti einstellbar, wird aber nicht mit Presets abgespeichert.
Apropos speichern: Der Polysix verfügt über 32 interne Speicherplätze für Programme, gegliedert in vier Bänke mit je acht Plätzen. Wer mehr Speicherplätze benötigt, kann den Programmspeicher mit einem Tape-Interface (In/Out) auf einem Kassettenrecorder sichern und wiederherstellen – der C64 lässt grüßen! In der heutigen Zeit kann man natürlich auch eine DAW benutzen, um den Speicherinhalt als Audiofile zu archivieren und bei Bedarf wieder auf den Polysix aufzuspielen. Im Auge behalten sollte man die Speicherbatterie, die beim Polysix wie bei vielen anderen Synths aus dieser Ära nicht nur plötzlich leer sein, sondern auch auslaufen und die Hardware zerstören kann: Da solltet ihr bei einem Gebrauchtkauf also besonders drauf achten. Denn ausgelaufene Säure aus der Batterie zerfrisst sonst ganz langsam euer neues Schätzchen. Ein vertrauenswürdiger Polysix-Verkäufer sollte über das Problem Bescheid wissen und über den Zustand der Batterie und einen eventuell bereits vorgenommenen Austausch Auskunft erteilen können.
1/5 Der PolySix: Tolle analoge Sounds und viele Knöpfe!
2/5 Rückansicht mit Aufwickelmöglichkeit für das Kabel.
3/5 Detail: Die Anschlussmöglichkeiten. MIDI wurde hier nachgerüstet.
4/5 Als Spielhilfen Pitch- und Modulationsrad
5/5 Typische Schwäche: Das Pressholz der Seitenteile geht an den Kanten kaputt.
Anschlüsse
Rückseitig verfügt der Polysix über einen Mono-Ausgang und einen Kopfhörerausgang (ebenfalls mono). Der Line-Ausgang kann mit dem Output-Schalter stumm geschaltet werden, während der Kopfhörerausgang davon unbeeindruckt weiterspielt. Außerdem gibt es einen CV-Eingang zur Filtersteuerung (z.B. mit einem CV-Fußpedal), einen Eingang für einen Triggerimpuls zur Arpeggiator-Synchronisation sowie einen Fußschaltereingang zur Aktivierung der Chord-Memory-Funktion. Daneben liegen die Anschlussbuchsen (In/Out) für das Tape-Interface. Eine Pedalbuchse für eine Sustain- bzw. Releasefunktion wie beim Nachfolger Poly-61 gibt es leider nicht. Auch eine MIDI-Schnittstelle besitzt der Original-Polysix noch nicht. Mittlerweile gibt es aber verschiedene Nachrüstkits, um den Synthesizer mit MIDI auszustatten, wie auch bei unserem Testgerät, das mit einem günstigen Kit von CHD Elektroservis versehen wurde.
Oszillatoren
Der Polysix verfügt pro Stimme über einen VCO (Voltage Controlled Oscillator) mit den Schwingungsformen Sägezahn oder Puls, wobei die Pulsbreite manuell regelbar oder mit einem eigenen LFO modulierbar ist. Zusätzlich gibt es pro Stimme einen zuschaltbaren Suboszillator mit einer Rechteckschwingung, der eine oder zwei Oktaven unter dem VCO klingen kann.
Mit den Tastern der Key Assign-Sektion wählt man den Betriebsmodus der Oszillatoren: In der Stellung POLY ist der Synth polyphon spielbar – jeder der sechs auf der Platine verlöteten VCOs kümmert sich um eine der sechs Stimmen. Versetzt man den Polysix in den UNISON-Modus, so fällt die Polyphonie weg und alle sechs Oszillatoren spielen unisono. Das Ergebnis sind fette, dichte Klänge mit VCO-typischen Schwebungen – ideal für Bässe und Leads. Im Modus CHORD MEMORY merkt sich der Polysix einen gespielten Akkord und transponiert ihn je nach gedrückter Taste. Das sorgt für manche unerwartete Harmonik und macht nicht nur bei Oldschool-House-Tracks Spaß.
Was dem Polysix leider fehlt, ist ein vollwertiger zweiter Oszillator. Hier hat das Nachfolgemodell Poly-61 zumindest auf dem Papier die Nase vorn, dem statt des Suboszillators ein verstimmbarer zweiter DCO mit umschaltbarer Schwingungsform spendiert wurde. Bei Unison-Bässen und -Leads habe ich mir außerdem häufig eine Portamento- oder Glide-Funktion gewünscht, die ebenfalls nicht an Bord ist. Auch auf einen Rauschgenerator muss man leider verzichten. Dennoch sind sehr vielseitige Klänge möglich, was vor allem an der Pulsbreitenmodulation und am charakteristischen Filter liegt. Filter
Der Polysix besitzt ein resonanzfähiges Tiefpassfilter auf Basis des Chips SSM2044 LP, das bei viel Resonanz in die Eigenschwingung (Selbstozillation) übergeht. Das Filter verfügt über regelbares Keytracking und kann von der ADSR-Hüllkurve positiv oder negativ beeinflusst werden. Die Filterfrequenz lässt sich mit einer externe Steuerspannung von -5V bis +5V kontrollieren, wofür ein CV-Eingang an der Rückseite vorhanden ist. Beim Erscheinen des Polysix dachte man dabei in erster Linie an die Steuerung per Fußpedal, ein entsprechendes Pedal war als Zubehör erhältlich.
Die Amp-Sektion des Polysix ist denkbar simpel aufgebaut: Per Wahlschalter kann man einstellen, ob der VCA der Filterhüllkurve folgen soll – eine gesonderte VCA-Envelope gibt es leider nicht – oder in der Stellung GATE einfach an und aus gehen soll. Zusätzlich gibt es einen gerasterten ATTENUATOR-Regler (-10 bis +10dB), dessen Stellung mit Presets gespeichert wird, sodass man die Lautstärken verschiedener Sounds angleichen kann.
Die einzige Hüllkurve des Polysix (EG – Envelope Generator) ist im klassischen ADSR-Schema aufgebaut und wird über vier Potis eingestellt. Charakteristisch ist dabei, dass bei den Zeiten Attack, Decay und Release in der ersten Hälfte des Regelwegs kaum etwas passiert, danach aber umso mehr umso schneller. Deshalb ist die Envelope nicht ganz so feinfühlig justierbar, wie man es manchmal vielleicht gern hätte. Die Hüllkurve steuert das Filter und auf Wunsch auch den VCA – eine Pitch-Modulation via Envelope ist nicht möglich.
Außerdem besitzt der Polysix einen LFO bzw. MG (Modulation Generator) mit einer Sinusschwingung. Er wirkt mit einstellbarer Intensität entweder auf die Stimmung der VCOs, die Filterfrequenz oder die Lautstärke. Da das Modulationsrad das MG-Signal unabhängig von der Stellung des Wahlschalters stets zur VCO-Frequenz schickt (Vibrato), ist bei gleichzeitigem Einsatz des Modwheels und des MG LEVEL-Potis auch die simultane Modulation von Oszillatorfrequenz und Cutoff bzw. Amp möglich. Dennoch sind die möglichen Modulationsroutings beim Polysix nicht gerade flexibel. Der Frequenzbereich des MG ist aber in einem erfreulich weiten Bereich einstellbar – am oberen Ende kratzt er mit etwa 50Hz am hörbaren Bereich, was interessante Klänge ermöglicht. Zusätzlich bietet er einen DELAY-Parameter zur Einstellung der Einsatzverzögerung. Eine Keysync-Option gibt es leider nicht.
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LFO FilterLFO Pitch
Effekte
Mit den drei eingebauten Effekten Chorus, Phaser und Ensemble hatte der Polysix seinerzeit einen echten Trumpf im Ärmel. Die Einstellmöglichkeiten beschränken sich auf Effektauswahl (Off, Chorus, Phaser, Ensemble) und ein SPEED/INTENSITY-Poti, das bei Chorus und Phaser die Modulationsgeschwindigkeit und beim Ensemble-Effekt die Intensität regelt. Die Effekte klingen schön retro und eignen sich gut dafür, Klängen mit interessanten Schwebungen den letzten Schliff zu geben. Im Gegensatz zur Roland Juno-Serie hat der Polysix aber nur einen Mono-Ausgang, sie taugen also leider nicht zur „Stereofizierung“ eines Sounds.
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ChorusPhaserEnsemble
Arpeggiator
Der Arpeggiator des Polysix beherrscht die Modi UP, DOWN und UP&DOWN und kann wahlweise eine oder zwei Oktaven oder den gesamten Tastaturumfang bespielen. Außerdem gibt es einen Latch-Modus, in dem das Arpeggio weiterläuft, wenn man die Tasten loslässt. Das Tempo wird mit einem Poti eingestellt und von einer LED angezeigt.
Für sich genommen wäre der Arpeggiator aus heutiger Sicht kaum erwähnenswert, wäre da nicht die Möglichkeit der externen Synchronisation per Trigger-Impuls. Wenn man die entsprechende Buchse mit einem analogen Impuls füttert, pluckert das Arpeggio im Einklang mit externem Equipment vor sich hin. In den letzten Jahren hat gerade Korg wieder einige Instrumente herausgebracht, die einen solchen Impuls liefern können (Monotribe, volca-Serie). Im Notfall tut es aber auch ein in der DAW erzeugter, kurzer Audio-Impuls: Im Test akzeptierte der Polysix problemlos einen auf die Schnelle mit Logics Klopfgeist-Metronom erzeugten Klick als Sync-Referenz. Wer braucht schon MIDI-Clock?!
Schon intern kann man die Arpeggio-Geschwindigkeit in luftige Höhen treiben, was sich sehr gut für lustige Effektsounds à la Mario Kart eignet.
Bedienung
Der Polysix kombiniert ein klassisches Drehpoti-Programmierkonzept mit einem Programmspeicher. Das bringt die typischen Vor- und Nachteile mit sich: Einerseits gibt es für alle Parameter direkt ein Poti oder einen Schalter auf dem Bedienfeld, man muss sich nicht durch Menüs quälen und hat alle Stellschrauben immer im direkten Zugriff. Das sorgt für ungetrübten Schraubspaß. Andererseits stimmen die Regler- und Schalterpositionen natürlich nicht mit den gespeicherten Werten überein, wenn man ein Programm aus dem Speicher aufruft. Dann muss man die Werte „abholen“, was zu Sprüngen führen kann. Gerade bei den Wahlschaltern ist das manchmal etwas verwirrend – so kann es sein, dass der MG MOD-Schalter auf VCF steht, in Wirklichkeit aber die Tonhöhe moduliert wird. Die Beseitigung dieser „Schwäche“ war dann auch das Hauptargument für die Veränderungen, die beim Nachfolger an der Bedienung vorgenommen wurden. Heute hat sich zum Glück die Erkenntnis durchgesetzt, dass es einfach viel mehr Spaß macht, an Reglern zu drehen, und davon hat der Polysix jede Menge. Von echtem „What-you-see-is-what-you-get“ kann man wegen der Speicherfunktion aber nicht sprechen, ein Problem, das der Polysix mit vielen seiner Zeitgenossen gemeinsam hat.
Sounds
Zum Abschluss hier noch ein paar Soundbeispiele zum Polysix:
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Unison ArpPoly ArpLFO BassBass man PWPad 1Pad 2StringsArpOrgan80s Chords
Fazit
Der Korg Polysix ist ein klassischer analoger Polysynth, der zu Recht seinen festen Platz in der „Hall of Fame“ innehat. Der Polysix ist einfach zu programmieren, klanglich flexibel, klingt fast immer toll und verfügt über ein paar Features, die ihn ganz besonders auszeichnen, wie den fetten Unison-Mode, die integrierten Effekte und den sychronisierbaren Arpeggiator. So eignet er sich nicht nur für warme Pads und Strings, sondern auch für Bässe, Leads und Sequenzen. Der fantastische Sound entschädigt dann auch für die wenigen Schwächen des Polysix, wie etwa den fehlenden Rauschgenerator und die etwas eingeschränkten Modulationsmöglichkeiten. Ein Klassiker, den man nicht mehr hergeben sollte, wenn man ihn einmal ergattert hat.
Dass man die Parameter beim Poly61 live nicht wirklich verändern kann, stimmt so nicht ganz. Der zuletzt bearbeitete Parameter wird auch im Preset-Modus angezeigt und man kann diesen mit den Up/Down Tasten bearbeiten, die Parameternummer wird beim Umschalten beibehalten. Drückt man Up/Down gleichzeitig, springt der Synth zum ursprünglich gespeicherten Wert zurück. Das ist nich viel, aber praktisch, wenn man z.B. mit Pads die Sonne aufgehen lassen möchte.
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p_greendale sagt:
#1 - 14.01.2016 um 13:10 Uhr
Dass man die Parameter beim Poly61 live nicht wirklich verändern kann, stimmt so nicht ganz. Der zuletzt bearbeitete Parameter wird auch im Preset-Modus angezeigt und man kann diesen mit den Up/Down Tasten bearbeiten, die Parameternummer wird beim Umschalten beibehalten. Drückt man Up/Down gleichzeitig, springt der Synth zum ursprünglich gespeicherten Wert zurück. Das ist nich viel, aber praktisch, wenn man z.B. mit Pads die Sonne aufgehen lassen möchte.